QUELLEN DES LEBENS

QUELLEN DES LEBENS“ von Oskar Roehler (B+R; D 2011; K: Carl-Friedrich Koschnick; M: Martin Todsharow; 173 Minuten; Start D: 14.02.2013); einlassen oder nicht-einlassen, das ist die Frage. Immerhin gut drei Kinostunden sind zu bewältigen. Deutsche Kinostunden. Von einem Filmemacher, dessen Werke von sehr unterschiedlichem „Ankommen“ geprägt sind. Vom (mitreißend improvisierten) Proll-Debüt „Sylvester Countdown“ (1997) über sein Meisterstück „Die Unberührbare“ (2000/mit einer überragenden Hannelore Elsner als Gisela Elsner, seine Mutter) über „Der alte Affe Angst“ (2003), den grauslichen „Elementarteilchen“ (2006), über die urige BRD-Provinz-Ballade und köstliche Rock ‚n’ Roll-Chose „Lulu & Jimi“ (2009) bis hin zum zerpflückten Berlinale-Film „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ (2010). 2011 veröffentlichte Oskar Roehler, geboren am 21. Januar 1959 in Starnberg, seinen autobiographisch geprägten Roman „HERKUNFT“, den er nun unter dem Titel „Quellen des Lebens“ selbst adaptierte. Mit sich als sanft ironischem Ich-Erzähler.

Thema: Die BRD. Die Bundesrepublik Deutschland. Von den miefigen Nachkriegsjahren bis in die späten 1970er Jahre. Beginnend mit der Generation der Alten. Der Ex-„Krieger“. Der Überlebenden. Der Vergangenheitsabschüttler. In der fränkischen Provinz. Die sichtlich irritiert sind, als der Großvater (JÜRGEN VOGEL) – sichtlich kaputt und total verbittert – heimkehrt. Aus russischer Gefangenschaft. Im Grunde unerwünscht. Inzwischen. Denn seine Frau (MERET BECKER) hat sich eigentlich längst „anderweitig“ orientiert. Mit dem Ehemann-Verlust abgefunden. Man arrangiert sich aber. Irgendwann doch. Die Herstellung von Gartenzwerge sorgen für Wirtschaftswunderzeichen. Einerseits. Familiär. Andererseits bestimmen literarische Ambitionen der Jungen andere Lebenswege. Die Roehler-Eltern. „Entstehen“. Er, Klaus Roehler, der hier Robert heißt, die mittlere Schreib-Begabung (MORITZ BLEIBTREU), sie dagegen als bald namhafte Autorin. Gisela Elsner, die hier Gisela Ellers (LAVINIA WILSON) heißt. „Oskar“, ihr Egal-Sohn. Die Anekdoten. Von dann. Von einer überkandidelten Intellektuellen-Sippe. Mit wenig wirklichem Interesse „am Jungen“. Der lange Weg einer gedemütigten, gequälten Jungsein-Seele. Inmitten eines BRD-Sittenbildes. Über die Jahre, durch „die Zeiten“. Mit immer mal wieder Hier- und Da-„Aussetzern“ (wie einer eher dümmlichen Defloration im Gartenzwerg-Reich), dennoch in „ständiger Wirkung“. Von wegen „des Geruchs“. Der stimmigen Atmosphäre. Im Kleidungsaußen wie im körpersprachlichen Bewegungsinnern. Mit diesem „typischen“ BRD-Licht von einem verklemmten Bunt-Grau. Und jenem hässlich-schönen Klammerblues-Klassiker „I’d love you to want me“. Von Lobo. Und…und…und. Oder…oder…oder. Die volle Kanne tristes, störrisches BRD-Klima.

An den „Quellen des Lebens“ darf man sich tunlichst und mit erstaunlichem Gesellschaftsappetit denkend bedienen. Denn der Film erzählt von Bekanntem. Für jeden „dieser Generation“. Sowie für jeden, den es interessiert zu schauen, zu hören und zu erahnen, wieso wir so sind wie wir – heute – sind. Dafür lohnt es sich, durch einen exzellenten, nicht besserwisserischen, sondern klugen, auch weisen Spielleiter „geführt“ und von einem vorzüglichen Ensemble „bespielt“ zu werden. Für mich ist und wirkt der neue Oskar Roehler-Film wie einst „neutral“ „HEIMAT“ von Edgar Reitz. In seiner spannenden Ausführlichkeit. In seinen herrlich „gruseligen“ Erinnerungsdetails. Und Befindlichkeiten. Einengungen. Im „faszinierenden“ Mief plus. Über immerhin drei Jahrzehnte BRD-typisches. Man darf gut (mit-)fühlen, (mit-)denken, (mit-)wütend sein. Über so viel verschenkte kostbare Kraft. Und Lebenszeit.

Oskar Roehler, du hast so was von recht mit Deiner Einschätzung (im Presseheft): „Wir werden uns an vieles erinnern, wenn wir den Film sehen: An unsere Kindheit, an unsere Jugend, an unser Erwachsen-Werden. Aber auch an unsere Gefühle, an die unterschiedlichen Sinnlichkeiten jeder Epoche und unseren Weg durch das Labyrinth der Irrtümer unserer Vorfahren; all das steht in Zusammenhang mit der Liebe, wie sie die einzelnen Generationen für sich gesehen haben. Insofern ist es auch eine Odyssee voll skurriler und tragikomischer Aspekte“.
Durch die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen (= 4 PÖNIs).

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