POKÉMON: MEISTERDETEKTIV PIKACHU

„POKÉMON: MEISTERDETEKTIV PIKACHU“ von Rob Letterman (B + R; USA/J 2018; Co-B: Derek Connolly, Dan Hernandez, Benji Samit, Nicole Perlman; nach dem gleichn. NINTENDO-Spiel/2016-2018; K: John Mathieson; M: Henry Jackman; 104 Minuten; FSK 6; deutscher Kino-Start: 09.05.2019).

Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug

Am 27. Februar 1996 erschienen die ersten POKÉMON-Spiele in Japan. Erfunden von Satoshi Tajiri initiierten sie dort einen profitablen Siegeszug des Spielekonsolen-Herstellers NINTENDO, der bis heute weltweit über 100 weitere (Mini-)Videospiele und Spin-Offs dieses berühmten Game-Franchises veröffentlichte. POKÉMON: das sind kleine, niedliche Monster, die von den Spielern mit Hilfe eines so genannten Pokéballs – einer kleinen rot-weißen Kugel, die als Falle dient – gefangen, gesammelt und anschließend für Arenakämpfe trainiert werden können. In denen sie dann gegen andere Teilnehmer antreten. Denn diese „Haustiere“ besitzen Angriffs- und Verteidigungsfähigkeiten, die sich ausbilden und weiterentwickeln lassen. Das einzige Manko: Ihre Kommunikationsgabe beschränkt sich auf das ständige Wiederholen ihres Namens. Mehr können sie nicht sagen. Nur wie sie heißen und das immerzu. Dennoch birgt dieses Spielprinzip eine unbändige Sammelleidenschaft in sich, die sich zuletzt 2016 breit machte, als die erste Handy-App mit POKÉMON GO herauskam, die fortan auch die Monster-Jagd mit dem Smartphone ermöglichte. Das Werbe-Motto wieder einmal: „Komm und schnapp sie Dir!“ – „Quajutsu“, „Evoli“, „Darkrai“, „Pummeluff“, „Enton“ oder wie sie alle heißen… und natürlich: „Pikachu“.

Pikachu ist wohl das populärste POKÉMON. Optisch erinnert es an eine Mischung aus einem Eichhörnchen und einer Hasen-Maus, gelb von oben bis unten, mit roten Backen, braunen Streifen und einem blitzförmigen Schwanz. Sein Beruf: Meisterdetektiv. Zumindest wollte uns das 2018 das gleichnamige Videospiel verklickern – und nun auch dessen Verfilmung. Diese nimmt sich der amerikanische Regisseur ROB LETTERMAN zur Brust, der bereits mit Animationswerken wie „Große Haie – Kleine Fische“ (2004/s. Kino-KRITIK) oder „Monsters v. Aliens“ (2009/s. Kino-KRITIK) auf sich aufmerksam machte. Aufhorchen lässt aber vor allem eines: Nach einer sehr erfolgreichen japanischen Anime-Fernsehserie und bisher 21 animierten Filmen (die meisten direkt fürs Heimkino oder das Pay-TV produziert; aber auch dreimal fürs Kino: „Pokémon – Der Film: Mewtu gegen Mew“/2000; „Pokémon 2 – Die Macht des Einzelnen“/2000 sowie „Pokémon 3 – Im Bann der Inkognito“/2001) handelt es sich bei MEISTERDETEKTIV PIKACHU um die erste Realverfilmung. Auch wenn die süßen Fantasiewesen natürlich aus der teuren Spezial-Effekt-Kiste hüpfen.

Wie im gleichnamigen Spieleabenteuer tritt der Zuschauer ein in das Leben des jungen Tim Goodman (JUSTICE SMITH). In seiner Welt ist es normal, POKÉMONS einzusperren und sie als Meister zu unterwerfen. Ihn jedoch will keins der putzigen Ungeheuer akzeptieren. Auserwählen. Schlimm genug, fühlt er sich nach dem Tod seiner Mutter doch sowieso schon als Außenseiter. Als ihn eines Tages ein Anruf ereilt, sein „Raben“-Vater, Polizist Harry Goodman (PAUL KITSON), sei bei einem Unfall ums Leben gekommen, macht er sich auf nach Ryme City. Eine Stadt, in der Menschen und POKÉMON gleichberechtigt zusammenleben. Dort trifft er auf den Super-Detektiv Pikachu (im Original mit der Stimme von RYAN REYNOLDS), ehemaliger Ermittlungspartner von Harry: mit cooler Mütze, Kaffee-Sucht… aber ohne Gedächtnis. Und noch etwas ist ungewöhnlich: Er und Tim können „normal“ miteinander reden. Vollständige Sätze. Während andere nur „Pika-Pika“ verstehen. Irgendetwas ist faul daran. Also nehmen die Zwei ihren Fall auf und geraten somit immer tiefer in einen Komplott aus verbotenen POKÉMON-Kämpfen, illegalen Substanzen und kriminellen Machenschaften, welche die friedliche Koexistenz in der Live-Action-Metropole bedrohen.

So bezaubernd-kess-lustig diese kleinen Biester auch sind: die ganz Kleinen unter uns sollten dem Kinosaal fern bleiben. Der Film ist über weite Strecken extrem laut, die Witze (Mr. Reynolds konnte seinen „Deadpool“-Humor wohl nicht ganz ablegen) sowie einige Bilder nicht kindertauglich. Manche Motive zu erwachsen. (Eine FSK 12- statt 6-Freigabe wäre empfehlenswerter gewesen.) Ansonsten ist das erste Real-Werk um den NINTENDO-Hype überraschend gelungen. Vor allem ist dies wohl der Drehbuch Autorin NICOLE PERLMAN zu verdanken, die unter anderem an MARVEL-Hits wie „Guardians of the Galaxy“ oder „Captain Marvel“ beteiligt war. Ihre Arbeit lässt die Film Noir angehauchte Krimi-Geschichte nicht völlig ins belanglos Vorhersehbare abdriften und schmückt den stupiden Ablauf der Vorlage etwas aus. Diese findet sich auch im Sound wieder. Die Musik von HENRY JACKMAN orientiert sich charmant an dem Gameplay der neunziger Jahre, was neben anderen Andeutungen vor allem die Fans zum Schmunzeln bringen wird. Die Chose feiert indes ganz gut ab. Äußert liebevoll ist das Universum gestaltet, in dem wasserspeiende „Shiggys“ zusammen mit Feuerwehrmännern Brände löschen oder feuerspeiende „Glumandas“ für Wärme sorgen. In dieser Harmonie bewegen sich JUSTICE SMITH und RYAN REYNOLDS gefühlvoll-überzeugend und kreieren dabei eine unterhaltsame Buddy-Cop-Atmosphäre, die nur ab und an durch zu nerviges Gequatsche des gelben „Pika-Pikas“ gestört wird. Da platzt stellenweise nicht nur POKÉMON Enton der Kopf. Die Action tröpfelt derweilen, mit einigen Referenzen auf Vorbilder wie „Jurassic Park“, gut dahin. Einzig und allein „Fluch der Karibik“-Star BILL NIGHY wirkt in seinem Stereo-Typ etwas unterfordert.

Die Ankündigung einer weiteren Computerspiel-Realverfilmung 2019, um den blauen Renn-Igel SONIC, der auf der SEGA-MEGA-DRIVE-Konsole berühmt wurde, lässt vermuten, dass nach dem Kino-Fight zwischen dem MCU von MARVEL und den Helden von DC-Comics nun ein weiterer Kampf der Giganten begonnen hat: NINTENDO v. SEGA. Lasset die Spiele beginnen. Die Kassen wird es füllen. Das Retro-Gaming wiederbeleben (= 3 ½ „Carrie“-PÖNIs… wie schön wäre eine ZELDA-Verfilmung!).

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