1.) WAS FÜR EIN WUNDERBARES DEBÜT-EREIGNIS VON FILM! BESCHÄFTIGT SICH AUF PACKENDE WEISE MIT DEM: MENSCH-SEIN. Titel = „MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG“ von und mit PAOLA CORTELLESI (Co-B + R + Hauptdarstellerin; It 2022; Co-B: Furio Andreotti; Giulia Calenda; K: Davide Leone: M: Lele Marchitelli; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 04.04.2024). Allein im Jahr 2023 wurden in Italien mehr als 100 Femizide – Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts – registriert. Auch bei uns in Deutschland stirbt im Durchschnitt jeden dritten Tag eine Frau nur deshalb, weil sie eine Frau ist. Und dabei ist das Zuhause statistisch gesehen der gefährlichste Ort für Frauen, denn die größte Gefahr geht vom Partner oder Ex-Partner aus. Wohl auch aus diesem Grund löste dieser Film in Italien eine große Debatte aus, und Paola Cortellesi wurde unversehens zur informellen Sprecherin einer neuerlich mobilisierten Bewegung im Kampf gegen männliche Gewalt. DENN DIESE GESCHICHTE AUS DEN VIERZIGERJAHREN FÜHRT DIREKT ZU DEN VERHÄLTNISSEN DER GEGENWART.
Die mutige Tragikomödie erzählt in brillanten Schwarz-Weiß-Bildern und erfrischender Leichtigkeit die Geschichte einer Frau auf dem Weg zur Gleichberechtigung, die für sich und ihre Tochter äußerst unkonventionelle Maßnahmen ergreift.
Der ergreifende Film eröffnete im letzten Oktober das Filmfestival in Rom, wurde dort unter anderem mit dem JURY- und dem PUBLIKUMSPREIS ausgezeichnet und bricht seither, also bis heute/April 2024, alle Rekorde. Sieben Wochen lang stand „MORGEN IST AUCH NOCH EIN TAG“ auf Platz 1 der italienischen Kinocharts, überholte selbst „Barbie“ und „Oppenheimer“ und wurde mit mehr als 5 Millionen Besucher:innen zum erfolgreichsten Film des Jahres 2023.
Delia (PAOLA CORTELLESI) ist die Ehefrau von Ivano (VALERIO MASTANDREA), ist Hausfrau und Mutter von drei Kindern. Das sind die Rollen, die sie ausmachen, und sie genügen ihr. Obwohl sie nahezu täglich psychische und physische Gewalt erduldet, „aushält“, bleibt sie äußerlich unbeeindruckt. Die Familie lebt in einer bescheidenen Kellerwohnung in Rom, im Jahr 1946, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, Die Stadt ist hin- und hergerissen zwischen dem positiven Schub der Befreiung durch die Alliierten und dem Elend des gerade beendeten Krieges. Auf den Straßen patrouillieren amerikanische Soldaten, sie verschenken Schokolade und Seife an Kinder und Frauen. In wenigen Tagen soll über die Abschaffung der Monarchie abgestimmt werden.
Das Regiedebüt von Paola Cortellesi proklamiert keinen Feminismus mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt von den vielen kleinen Schritten auf dem langen, beschwerlichen Weg zur Emanzipation. Im Genre wechselt sie dabei immer wieder zwischen Drama und Komödie. Es ist ein lakonischer, schulterzuckender Humor, mit dem die Frauen in dieser repressiven Zeit unter dem Radar tyrannischer Männer zusammenhalten; eine leichte, geradezu beiläufige weibliche Solidarität angesichts der Übermacht des Patriachats mit seinen überkommenen Rollenvorstellungen. Vorstellungen, die sich bis heute halten. Frauen sind oftmals weiterhin Abhängige nach dem Mann-Motto: „Du gehörst mir“.
P.S.: Am 2. und 3. Juni 1946 fanden in Italien die ersten Wahlen statt, bei denen Frauen das Wahlrecht hatten. 89% von Ihnen strömten zu den Urnen. Von 25 Millionen Wählerinnen waren 13 Millionen Frauen.
„Ein Film, der erst das Herz und dann den Kopf anspricht … enthusiastisch, süß und originell“ tat „The Hollywood Reporter, Italia“ kund (= 5 PÖNIs).
2.) KABARETT MIT SATIRE-WUMMS. Titel = „ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN“ von und mit JOSEF HADER (Co-B + R + D; Ö 2022; Co-B: Florian Kloibhofer; K: Carsten Thiele; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 04.04.2024). Wann immer JOSEF HADER einen Auftritt auf einer Berliner Kabarett-Bühne anpeilt, folge ich ihm. Besorge frühzeitig Karten. Schätze ihn sehr. Hader zählt zu den begehrtesten österreichischen „Aufsässigen“. Zum Beispiel: „In Deutschland konnte er als Kabarettist besser Fuß fassen als seine österreichischen Kollegen, er gilt gemeinhin als Österreichs erfolgreichster Kabarettist“ („Wikipedia“). 2017 belegte er die Kino-Leinwand mit seinem Debütspielfilm „Wilde Maus“. Ich war nicht so angetan (s. Kino-KRITIK/2 PÖNIs).
Bei seinem zweiten Kinofilm sieht es heuer ganz schön besser aus. Andrea, eine Polizistin (BIRGIT MINICHMAYR) in der niederösterreichischen Provinz, möchte ihre unglückliche Ehe beenden und – bald – in St. Pölten eine neue Stelle als Kriminalinspektorin beginnen. Nach einer Geburtstagsfeier läuft ihr der Noch-Ehemann betrunken vors Auto. Und stirbt. Im Schock begehrt Andrea Fahrerflucht. Obwohl sie DAS eigentlich gar nicht nötig hätte, denn erstaunlicherweise nimmt jemand anderer ihre Schuld bereitwillig auf sich: Franz (JOSEF HADER), ein Religionslehrer und trockener Alkoholiker. DER hält sich für den Täter, was im Dorf „auch so“ betrachtet wird. Während Franz wieder mit dem Trinken anzufangen beginnt, bemüht sich Andrea, erstmal, ihre Spuren zu verwischen.
Mit seiner zweiten Regiearbeit erneuert Josef Hader seine Meinung, dass das Tragikomische die „knackigste“ Abbildung dessen ist, was man allgemein „so Leben“ nennt. Und belegt dies mit unverwirklichten Träumen, verpasstem Glück und schicksalhaften Begegnungen. Das Dorf, seine pikant beobachtete Gesellschaft als tückische Gemeinschaft, als Plädoyer gegen jede Landlebens -Sehnsucht. Den lakonischen Humor liefert Josef „Franz“ Hader wie gewohnt dunkel-lächelnd mit. Und erklärt im Presseheft unter anderem auf Fragen nach vorhandener allgemeiner dörflicher Enge: „Wenn man diese Straßendörfer anschaut, dann gewinnt man ja nicht den Eindruck, dass die Menschen miteinander leben. Sie sehen sich vielleicht im Supermarkt, in der Apotheke, bei der Tankstelle, früher auch in der Kirche, aber das kommt kaum noch vor. Es gibt in diesen Dörfern keinen Mittelpunkt, nur eine Hauptstraße, wo meist niemand ist. Warum auch? Es gibt ja dort nichts. Alle leben nach hinten in ihren Innenhöfen, weg von der Gemeinschaft. Land ist nicht der Ort, wo die Menschen mehr miteinander zu tun haben. Land ist vielleicht ein Ort, wo man sich die Menschen weniger aussuchen kann, die man trifft, man kann die Begegnungen nicht so gut vorausplanen wie in der Stadt. In der Stadt können wir uns leichter in einer Blase abschotten. Deswegen möchte man sich in einer kleinen Ortschaft lieber nicht zerstreiten. Wenn man verschiedener Meinung ist, wird das am Land überspielt, vielleicht mit einem Witz, und dann wechselt man das Thema“. Und beginnt zu tanzen. Wie gschamig der Franz (= 4 PÖNIs).
3.) LEBEN FINDEN. Titel = „ICH CAPITANO“ von MATTEO GARRONE (Co-B, Co-Produktion und R; It/Belgien 2022; Co-B: Massimo Gaudioso; Massimo Ceccherini; Andrea Tagliaferri; K: Paolo Carnera; M: Andrea Farri; 121 Minuten; deutscher Kino-Start: 121 Minuten). Seydou (SEYDOU SARR) und Moussa (MOUSTAPHA FALL) leben im Senegal und teilen einen Traum: Die beiden Teenager wollen in Europa als Musiker leben. Ihr Wunsch samt Aussicht auf ein besseres Leben ist so groß, dass sie eines Tages alle Warnungen in den Wind schlagen und sich voller Abenteuerlust auf den Weg nach Italien machen. Doch ihre Reise wird nicht der Roadtrip, den sie sich vorgestellt haben. Der Weg durch die Wüste, die lybischen Gefängnisse und auch die Überquerung des Meeres stellen sich als lebensgefährlich heraus. Die beiden Freunde müssen nicht nur für ihren Traum kämpfen, sondern auch um ihr Überleben.
Die Neugier auf diesen Film startet schon beim Regisseur MATTEO GARRONE. Der am 15. Oktober 1968 in Rom geborene Filmemacher hat sich auch hierzulande mit zum Beispiel zwei Spielfilmen einen beachtlichen Namen gemacht: „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ (2008/s. Kino-KRITIK /4 1/2 PÖNIs) sowie „Dogman“ (2018/s. Kino-KRITIK /4 PÖNIs). Thema: Italien steht am Pranger. Italien sieht aus wie eine apokalyptische Zone. Von wegen – der viele Müll; der extreme Rechts-Ruck, das Elend. Im Land. Matteo Garrone wurde bei den 80. Filmfestspielen von Venedig für seine Regiearbeit mit dem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet. Während Hauptdarsteller Seydou Sarr den „Marcello-Mastroianni-Preis“ als „bester Nachwuchs-Darsteller“ bekam. Der Film wurde außerdem für den „Europäischen Filmpreis“ sowie für die „Golden Globe Awards“ nominiert. Ein im besten Sinne provokanter Streifen ist „ICH CAPITANO“ von Matteo Garrone, inspiriert von wahren Erfahrungsberichten (= 3 1/2 PÖNIs).
4.) SCHLAMASSEL. Titel = „DREI GÄNGE UND EIN TODESFALL“ von Matt Winn (Co-B + Executive Producer + R; GB 2022; Co-B: James Handel; K: Tristan Oliver; M: Matt Winn; Matt Cooper; 90 Minuten; deutscher HEIMKINO-Pandastorm-Start: 05.04.2024). Wir lernen kennen: Das gutsituierte Londoner Ehepaar Sarah (SHIRLEY HENDERSON) und Tom (ALAN TUDYK). Sie haben gerade ihre engsten Freunde Richard (RUFUS SEWELL) und Beth (Olivia Williams) zu einer Dinnerparty eingeladen. Diese ahnen nicht, dass es sich um ein Abschiedsessen handelt, denn die Luxus-Villa muss bald verkauft werden, um den Bankrott der Familie abzuwenden. Voller Vorfreude auf Toms Kochkünste bringen sie auch die gemeinsame Freundin Jessica (Indira Varma) mit. Die sich aber als listiger Stinkstiefel erweist Nach einem scheinbar trivialen Streit nimmt sich die berühmte Autorin völlig unerwartet das Leben. Hängt sich auf. Ein Riesenschlamassel, denn mit einer Leiche im Garen droht der Verkauf der Villa an den schwerreichen, deutschen Investor (Sylvester Groth) zu scheitern. Zumal der deswegen gleich auch noch vorbeizukommen gedenkt. Um das Geschäft abzuschließen. Was also ist zu tun? Die beiden Pärchen sehen als einzige Möglichkeit – zwischen Zank, Streit, Fassungslosigkeit – , die Leiche ihrer „Freundin“ verschwinden zu lassen. Wird ja wohl nicht so schwer sein. Doch dann klingelt es „öfters“ an der Haustür als erwartet, was Begegnungen mit der Polizei und einer aufdringlichen Nachbarin bedeutet.
Schwarze-bunte britische Krimi-Komödie mit reichlich Bissigkeit, linkischem Humor und sich Seelen-öffnendem Personal. Und Polizisten, die auch schon mal Kuchen mit-essen. Sieht sich Zuhause ganz unterhaltsam an. (= 3 PÖNIs).
5.) TV-TIPP: Am nächsten MITTWOCH, 10.4. 2024, wäre der begnadete Autor WOLFGANG MENGE 100 Jahre alt geworden. Die aus seiner Feder stammenden Filme und Serien mit grandiosen Charakteren schrieben oft Fernsehgeschichte. Unvergessen ist der Haustyrann „Ekel“ Alfred (HEINZ SCHUBERT): „EIN HERZ UND EINE SEELE“ erreichte in den 70ern bis zu 28 Millionen Zuschauer und erzielt als echter Silvester-Klassiker auch heute noch einen Markanteil von bis zu 11%. Auch die Krimi-Reihe „STAHLNETZ“ war mit Millionen Zuschauern ein Straßenfeger und gilt als Wegbereiter des „Tatorts“. Alle Folgen der beiden Serien-Klassiker von und mit Wolfgang Menge sind jetzt auf ARD Plus zum Streamen erhältlich!
6.) TV-TIPP Zwo = An diesem ARD-„TATORT“-SONNTAG, 7.4., gibt sich wieder einmal „München“ ab 20.15 Uhr als Spannungsgastgeber. Mit den bewährten süddeutschen Ermittlern Leitmayr (UDO WACHTVEITL) und Batic (MIROSLAV NEMEC) geht es diesmal in den Fall „SCHAU MICH AN“. Nach der Erstausstrahlung am Sonntag folgt meine TV-KRITIK: Auf den bekannten Kanälen.
7.) MUSIK: „MY GENERATION“ ist einer der bekanntesten Hit-Songs der britischen Rockformation „THE WHO“. Text und Musik stammten von PETE TOWNSHEND. Das Stück wurde als Single in Großbritannien am 29. Oktober 1965 und in den USA am 20. November 1965 veröffentlicht. Das am 3. Dezember 1965 veröffentlichte Debütalbum der Gruppe wurde nach der Single „My Generation“ benannt. Im April 2024 ein Wochenhit für Heute,
Beste Grüße an die Rock-Gemeinschaft, an die Rock-Ära
PÖNI Pönack