PÖNIs BLOG (195): WUNDERBAR: EMMA THOMPSON; Heimkino: „DAS SEEUNGEHEUER“; „Heimkino: „THE GRAY MAN“; Heimkino: „VEGANER SCHMECKEN BESSER“; THE RAINBOWS

1.)   LUST AUF VERÄNDERUNG. Titel = „MEINE STUNDEN MIT LEO“ von SOPHIE HYDE (GB 2021; B: Katy Brand; K: Bryan Mason; M: Stephen Rennicks; Originaltitel: „Good Luck to You, Leo Grande“; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 14.7.2022). Ich habe sämtliche Kinofilme gesehen, in denen EMMA THOMPSON mitspielte. Keinen habe ich verpasst. Schließlich: Für mich zählt SIE zu den besten Schauspielerinnen überhaupt. Ergänzung: Natürlich habe ich SIE auch wahrgenommen als Drehbuchautorin (u.a. „Eine zauberhafte Nanny“/2005 + 2010) und leitende Produzentin (u.a. „Last Christmas“/2019). Emma Thompson hält einen Rekord bei den „Oscar“-Trophäen, ist bislang die einzige Person, die sowohl einen „Oscar“ für Schauspiel („Beste Hauptdarstellerin“ für „Wiedersehen in Howards End“/1992) als auch für ein Drehbuch („Bestes adaptiertes Drehbuch“ für „Sinn und Sinnlichkeit“/1995/s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) gewann. Am 6. August 2010 wurde sie mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. Am 9. Juni 2018 wurde EMMA THOMPSON als Dame Commander des Order of the British Empire geadelt.

Ihr Name: Nancy Stokes. Nancy ist 55 Jahre jung, pensionierte Lehrerin für Religion und Ethik und seit zwei Jahren Witwe. Bisher hat sie sich immer vor dem verordneten Leben verbeugt. Hat immer DAS gemacht, was den amtlichen und privaten Regeln entsprach. Ihr verstorbener Gatte Robert bot ihr zwar ein „vernünftiges Zuhause“, doch die intime Gesellschaft mit ihm war IMMER NUR ein 31jähriges eheliches Pflichtprogramm; der Sex mit ihm war eintönig und zielte nur auf seine schnelle Befriedigung ab. Ihr depressives Fazit ist ernüchternd: „Ich hatte noch niemals einen Orgasmus“. Da Nancy nun viel freie Zeit hat, wird sie mutig, bucht den jungen Sexarbeiter Leo Grande und verabredet sich mit ihm in einem Londoner Hotelzimmer. Leo (DARYL McCORMACK) sieht tatsächlich genauso gut aus wie auf dem ihr zugeschickten Foto und weiß sanft mitzuteilen: „Mach dir keine Gedanken um mich“. Was so viel bedeutet wie, ganz vorsichtig „gesummt“: „Ich verkaufe meine Gesellschaft“. Dennoch ist Nancy nervös, schließlich ist Leo dann „der zweite Mann, mit dem ich jemals geschlafen habe“. Doch nach dem ersten Treffen folgt die Fortsetzung. Im Hotelzimmer. Mit ersten „vorsichtigen“ Ansprüchen: „Ich will endlich etwas Neues probieren, machen wir mal diesen Blowjob“. 

„Meine Stunden mit Leo“ ist ein spannendes, erotisches, bezauberndes Quasi-Kammerspiel mit faszinierend-pointierten Dialogen. Wenn Leo erläutert „Man merkt, Menschen zu lesen“ und Nancy sprudelt: „Mein Körper ist nicht mehr dieser tote Klumpen Fleisch, den ich schon ewig mit mir rumschleppe, sondern eine  Spielwiese der Lust“. Dann aber, beim dritten Treffen, beginnen sich die Positionen zu bewegen. Nancy hat inzwischen „Partner“ recherchiert, was ihn auf die Palme bringt und das „Verhältnis“, also die Dienstleistung, für beendet erklärt. Die Machtdynamik zwischen ihnen verschiebt sich, beide müssen ihre Komfortzonen endgültig verlassen. Und wir konstatieren – dies ist tatsächlich charmant bewegendes, berührendes Feel-Good-Kino, in dem die einmal mehr unwiderstehliche Emma Thompson sich zum Liebling des Publikums (und der Presse) bewegt und artikuliert, während der irische Nachwuchskollege Daryl McCormack eine enorme Leinwandpräsenz vorzuweisen hat.

Ein köstliches Kammerspiel um die Probleme mit den Problemen. Beziehungsweise  – wie erfrischend, und heilend, zum Beispiel so eine Doppelstunde Oralsex sein kann. Regie bei dieser entspannten, intimen Komödie führte Sophie Hyde. Sie ist Gründungsmitglied des Filmkollektivs Closer Productions. Sie lebt und arbeitet auf dem Land der Kaurna in Südaustralien, realisiert provokante und intime Filme fürs Kino und fürs Fernsehen: „Meine Stunde mit Leo“ ist ihr dritten Kinospielfilm. Das Drehbuch stammt von der englischen Komikerin Katy Brand („Katy Brand’s Big Ass Show“), und ihr gelingt hier die Balance zwischen unverblümten Humor und einer pikanten Auseinandersetzung mit der Fähigkeit zur (Selbst-)Akzeptanz. Ihre besten Sätze: „Schön, dass du gekommen bist  /  Schön, dass DU gekommen bist“. (= 4 1/2 PÖNIs).

2.)   GESCHEITE, PACKENDE, vortreffliche ANIMATION. Titel = „DAS SEEEUNGEHEUER“ von CHRIS WILLIAMS (Co-B + Co-Produzent +R; USA 2018-2021; Co-B: Nell Benjamin; M: Mark Mancina; Head of Story: Owen Chietsu Sullivan; Animation Director: Zach Parrish; Schnitt: Joyce Arrastia; Animationsstudio: Sony Pictures Imageworks; 115 Minuten; Heimkino-NETFLIX-Start: 8.7.2022). Es ist die schlimme alte Leier  – irgendwann beschließt das  Führungspersonal eines Reiches, oftmals ist es der eklige, arrogante, fiese Adel, dass KRIEG geführt werden muss. Wie hier. Es waren einmal König und Königin. Deren Befehlsoffensive lautet: Killt alle Monster der Meere. Diese existieren seit ewigen Zeiten und sind jetzt total zu vernichten. Weil sie, so behaupten die Thron-Figuren, schuld sind, dass man nicht zu unbekannten Länder reisen und die erobern kann. Deshalb müssen diese Meeresgestalten ausgelöscht werden. Die Herrschaften der Krone möchte dies jetzt ein für allemal geklärt, kämpferisch, also mörderisch gelöst haben. Wir lernen „tapfere“ Männer kennen, wie Jacob Holland und den legendären einäugigen Kapitän Crow („Ich kriege meine Revanche“), der sich bereits als Ungeheuer-Schlächter einen völkischen Ruf erworben hat; und wir begegnen auch dem kleinen, tapferen Waisenmädchen Maisie, die am neuesten Abenteuer teilnehmen will und sich heimlich an Bord geschlichen hat. Allerdings – sie ist eher friedlich gestimmt und stellt im Gegensatz zu Jacob Holland und Gevatter Crow Fragen. Ob dies, was vom Hof lautstark verkündet ist, wirklich auch Tatsachen entspricht?: „Ich weiß nicht, wieso Krieg angefangen hat; vielleicht ist es nur wichtig, wie er wieder endet“. Damit werden Freunde verschreckt. Und noch wilder wird es, als sich herausstellt, dass Crows größter Feind („Jetzt wird abgerechnet“), den er unbedingt zur Strecke bringen will (von wegen: einäugig), ein Monster namens „Red Bluster“, sich als gar nicht so „schlimm“ herausstellt. Ganz im – helfenden- Gegenteil. Feindschaft ist völliger Humbug. Aber bring das mal einem heftig getäuschten gläubigen Volk bei.

Was für ein erstaunlicher Animations-Geniestreich. Einerseits wird gefightet, gesoffen, verbal pulverisiert, werden großspurige Sprüche und Schwerter geklopft, andererseits laufen andauernd wie beharrlich humane Gedanken und Worte mit. Diese überzeugende, gescheite wie kraftvolle Animationsglut ist bestes AnimationsKINO, die aber (= Glut) dorthin leider wie unverständlicherweise nicht – zuerst – hingekommen ist. Und das trotz großartiger kräftiger Farben, der beeindruckenden Wirkung von vortrefflich bunten Lichtphantasien sowie mit diesen „putzigen“ Figuren-nebenbei (Disney winkt). Hier vermischen sich außerordentlich rasante, bewegungsfreudige Bilder mit listigen Gedanken, die letztlich dem widerwärtigen kriegerischen menschlichen Gehabe trotzen wollen (= 4 PÖNIs).

3.)   BALLA-BALLA. Als HEIMKINO-SPÄTVORSTELLUNG. Titel = „THE GRAY MAN“ von ANTHONY RUSSO und JOE RUSSO (B + Co-Produktion; USA 2021; Co-B: Christopher Markus; Stephen McFeely; basierend auf dem gleichnamigen Roman von Mark Greaney/2009; K: Stephen F. Windon; M: Henry Jackman; 129 Minuten; limitierter Kinostart vom 15. bis 21. Juli 2022; Heimkino-NETFLIX-Start: 22.7.2022). An den Kino-Anfängen waren Filme wie dieser für die Spät- bzw. Nachtvorstellungen begehrt. Man wurde cineastisch nicht gefordert, man suhlte sich in den Gut-Böse-Jagden, schlürfte im Parkett das kühle Bier und bekam den Helden, den Balla-Balla-Experten, positiv geliefert. Hier will uns RYAN GOSLING („Drive“2010/s. Kino-KRITIK / „La La Land“ 2016/s. Kino-KRITIK) in die Augenmangel nehmen. Als CIA-Auftragskiller ist er ziemlich erfolgreich wie unbekannt-mitlaufend; bekannt ist er bei seinem diensthabenden Verein als „Sierra Six“, was sich zusammensetzt aus dem Namen des Rekrutierungsprogramms und seiner Agentennummer. Dann wird’s arg. Als ihm ein USB-Stick in die Hände fällt, der brisantes seiner Firma enthält und er DEN nicht freiwillig „abgeben“ möchte, beginnt die Show. Die da lautet: (Fast) Einer gegen viele-Viele. Ab sofort wird mengenmäßig gigantisch gekloppt, geschossen, geflitzt, per Auto oder zu Fuß, eingesteckt und noch mehr ausgeteilt, wird abgeknallt für diverse Friedhöfe. Motto: Was gequatscht wird, ist nur für die Pausen und völlig unwichtig („Bist du verletzt? Mein Ego ist angeknackst“). Irre das unglaubliche Tempo, mit dem hier fiebrig herumhantiert wird. Ob Prag, Wien, Hongkong, Bangkok, Baku, Berlin und noch viele dutzende-diverse Stationen auch, wo es für Ryan – Sierra heißt: Wie vermag ich mich, angekettet an einen Brunnen gekettet, zwischen ballernden Bullen und schlimmem Gangsterpack, unauffällig befreien. Was Unsereins längst in die monatelange Krankschreibung beordert hätte, bedeutet hier: Sierra Six, bitte zielen und ziehen SIE weiter. Zum Personal: RYAN GOSLING vermag nicht mit zig-Male MATT DAMON/“Jason Bourne“ zu konkurrieren; er ist einfach zuuu aalglatt und dabei immer noch irgendwie „niedlich“. Dass er als Sieger vom Platz gehen wird, steht ja sowieso fest. Richtig eklig dagegen, richtig eklig, ist ausgerechnet CHRIS EVANS. DER sorgte bislang hauptsächlich als „Captain America“ für gute First-America-Laune und Einspieler und darf sich hier mal so richtig als Lloyd Hansen-Fiesling herumlümmeln. DEN wünschte man sich viel schneller abgemurkst. So dreckig-arrogant schmutzt DER. Herum. Während Little Bond-Girl Paloma = ANA de ARMAS („Keine Zeit zu sterben“) = hier als Dani Miranda zünftig mitmischt. Es lebe die kugelstarke Emanzipation. Apropos – wenn selbst in Flugzeugen einige lange, aufregende Zeit der Action-Ballermann-Teufel los ist, dann lohnt sich schon das Hinsehen. Also Zuschauen. Apropos II: Hier wurde Kohle im Übermaß verbrannt. Den Regisseur-Brüdern Russo, die mit „Avengers: Infinity War“ und „Avengers Endgame“ schon für Abermillionen- Dollar-Einnahmen sorgten, sollen hier insgesamt 200 Produktions-Millionen-Netflix-Dollar zur Verfügung gehabt haben. Dabei handelt es sich doch erst um die Adaption des ersten Bestseller-Romans von Autor Mark Greaney. Die gerade nur für eine Woche im Kino geduldet wird, dann taucht Netflix damit ab. Bester Dialog: „Ich mach dich kalt“. Sagt irgendjemand zu irgendjemand (= 3 PÖNIs).

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4.)   GUTER GESCHMACK. Ist annonciert. FSK ab 18. Titel = „VEGANER SCHMECKEN BESSER – Erst killen, dann grillen!“ von Fabrice Eboué (Co-B + R; Fr 2021; Co-B: Vincent Solignac; K: Thomas Brémond; M: Guilaume Roussel; 84 Minuten; deutscher Heimkino-Start/Squareone Entertainment: 27.5.2022). Tatsächlich: Zum Entdecken dringend geeignet. Weil – dies ist in der blutigen schmackhaften Tat eine moderne, politisch absurd unkorrekte, heftig-deftig schwarzhumorige Kannibalen-Komödie. Mit durchtriebenen Schmunzeleskapaden. Der Anfang ist typisch – Fleisch wird beklopft. Und zerhackt. Macht man so in der Metzgerei Pascal, bestehend aus dem Ehepaar Sophie (MARINA FOIS) und Vincent Pascal (FABRICE EBOUÉ). Seit zehn Jahren betätigen sie sich als Metzger mit einem kleinen Betrieb, doch leiert nicht nur ihre Ehe derzeit herum, sondern auch ihr Geschäft steht kurz vor der Aufgabe. Und dann wird auch noch ihr Laden von radikalen heimischen Vegetanern „besucht“. Also aus? Ende? Alles vorbei? Endgültig Schluss also? Von wegen. Denn als der frustrierte Vincent mehr oder weniger versehentlich, also ziemlich wütend, einen radikalen Vegetaner mit seinem Auto überfährt, beginnt der leckere Spuk. Kurzum: Der Tote wird in der Metzgerei „verwurstet“. Um dann am nächsten Tag als „iranisches Schweinefleisch“ verkauft zu werden. „Es schmeckt so gut“, stellt selbst Gattin Sophie begeistert fest. Und der Hund ißt auch gerne mit. Und auch die Kundschaft wird angelockt. DER dieses neue „Spezialsonderfleisch“ genauso toll bekommt. Bei Sophie & Vincent klingelt die Kasse. Auch, weil sie darauf achten: Wir bieten nur biedere Kost an; das Fleisch von gestressten Menschen kommt nicht in Frage. Also künftig. Denn ab sofort wird neues „Futter“ gesucht. Und wie! Motto: Erst killen, dann grillen! Die reiche Family-Freunde-Konkurrenz taut neidisch auf. Während bei Sophie & Vincent plötzlich auch die Ehe wieder blüht. Was die Franzosen kannibalistisch-fein hier zerbröseln, präsentieren, spottet jeder witzigen Hard-Core-Beschreibung. Und wenn’s dem Hund doch auch gut bekommt …….   (= 3 PÖNIs).

5.)   MUSIK, die dazu passt: Komischerweise ist mir ein komischer Uralt-Song beim Kritiktextverfassen eingefallen, der zu den letzten beiden Rezensionen einfach dazugehört. Titel: „MY BABY BABY BALLA BALLA“ (1966). Von: THE RAINBOWS!  Also hüpft einfach bei meinem Lieblings-Wochensong mit:

Wünsche eine gelungene BALLA-BALLA-Woche. Bei d e r Hitze. Die uns überfallen soll.

HERZlich:   PÖNI PÖnack

e-mail:   kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

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