1.) TAFFE PUTZIGE ANARCHISTEN 2. Titel = „MINIONS – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ von Kyle Balda sowie Co-R: Brad Ableson („Die Simpsons“) und Jonathan del Val /“Pets“ (USA 2017-2020; B: Matthew Fogel; Produktion: Christopher Meledandri; Janet Healy; Chris Renaud; Paul Ashdown; Schnitt: Claire Dogson; M: Heitor Pereira; 88 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.6.2022). Wer oder was sind SIE, bedeuten SIE eigentlich? Schauen wir auf IHREN Werdegang: SIE sind kleinwüchsige, rundliche, hyperaktive gelbe Kartoffel-Zwerge mit Eierköpfen. SIE sind putzige, freche Latzhosen-Wesen, die – ein- oder zweiäugig – mit riesigen Taucherbrillen-Brillen ausgestattet sind. Dabei ein Kauderwelsch aus Italienisch, Französisch und Spanisch sprechen und mit Lieblingsworten wie „Höhö“, „Uhlla“ und Banana“ argumentieren. SIE sind typische = unzerstörbare Wesen aus bekannten Weltvergangenheits-Zeiten (wo sich zum Beispiel Dracula oder Napoleon herumtrieben).
Zwischennotiz: MINIONS, englisch für „loyale Diener“, „Gehilfen“, „Lakaien“, ist der erste, nicht von Disney produzierte Animationsfilm, der weltweit mehr als eine Milliarde US-Dollar einnahm und der zweiterfolgreichste Animationsfilm überhaupt. Der 2015er Film steht – Stand: 26. Juni 2022 – auf Platz 22 in der Liste der erfolgreichsten Kinofilme.
Zur Historie: Ende September 2010 tauchten SIE erstmals auf, als Keller-Aktivisten im Untergrund des Bösewichts Mr. Gru, bei dessen uriger Juxerei „Ich – einfach unverbesserlich“ (s. Kino-KRITIK /4 PÖNIs). Um dann im Juli 2013 in „Einfach unverbesserlich 2“ erfolgreich weiter zu toben (s. Kino-KRITIK / 3 PÖNIs). Weil diese ulkigen, mitunter sehr lachhaften Sidekicks beim Kinopublikum weltweit bombastisch einschlugen, wurden die putzigen Figuren mit einem eigenen abendfüllenden Spielfilm ausgestattet, auf dass sie sich ab Juli 2015 in „MINIONS“ (s. Kino-KRITIK / 3 PÖNIs) mit voller Ulk-Pulle austoben konnten. Doch weil dieser „Es lebe die Anarchie“-Leinwandstoff für den besten Animationsfilmstart aller Kino-Zeiten sorgte (mit über einer Milliarde US-Dollar-Einnahmen), verbunden mit einer gehörigen weltweiten „Gelb-Sucht“, tauchte hierzulande ab Juli 2017 mit „Ich – einfach unverbesserlich 3“ die nächste zünftige Humorshow in Sachen Slapstick, Banana und stürmischem Tatendrang auf (s. Kino-KRITIK / 3 1/2 PÖNIs). Der Chaos-Rest ist bekannt – kein Aufhören möglich, es geht erwartungsvoll weiter. Mit den vermeintlich bösen, aber vielmehr „nur“ aufsehenerregenden Pointen-Taten. Des schmuck-gelben Teams.
Zu den Tatsachen-jetzt – „MINIONS 2“: Angesiedelt im Damals-Universum, also in den 1970er Jahren. Motto: Aller Anfang zeigt und bewährt sich heute. Wo Gru (deutsche Stimme zum vierten Mal: Oliver Rohrbeck) als zwölfjähriger Vorstadt-Kasper davon träumt, möglichst bald ein Super-Schurke zu werden. Damit verbunden – sich die Weltherrschaft einzuverleiben. Doch erweist sich sein Vorhaben eher als nervöses Trauma. Allerdings begegnet Gru den aufgedrehten Minions, darunter den Publikumslieblingen Kevin, Stuart und Bob sowie Neuling Otto, was für eine durchgeknallte wie hingebungsvolle Family-Show sorgt. Mit der es nunmehr die Super-Schurkenbande „Die Fiesen 6“ – einschließlich Anführer = Kampfsportlegende Wilder Knöchelknacker (mit der Stimme von Thomas Gottschalk) – zu tun bekommt. In einem Mix aus subversivem Humor-Gaudi, etwa die „merkwürdigen“ Bewegungen und rüden Slapstick-Handhabungen von Kevin & Stuart während des Fluges im Flugzeug-Cockpit/saukomisch; gepudert mit lässigen Popkultur-Zitaten (mit 007- und „Der weiße Hai“-Geschmack); gefüllt mit kochenden (bekannten) Musikeinlagen (etwa, mit dem „neuartigen“ Stones-Klassiker „You can’t always get what you want“) sowie mit zündendem Action-Kung-Fu. Sowie mit auch dramatischen Einlagen, als Gru entführt wird und diese kleine gelbe New York-Gemeinde ihn in San Franzisco aufzuspüren und zu retten bemüht ist beziehungsweise gleichzeitig diesen speziellen Edelstein wiederbekommen will. Mit allem komisch-technischen, mutigem, draufgängerischem Viel-Drum und Nochmehr-Dran. Als amüsantes, kauziges, phantasie-intensives Sommerkino-Programm 2022. Es bleibt dabei: DIESE heiß-emotionalen MINIONS schlagen weiterhin Disney-Leinwand-Nasen um Längen; jedenfalls während dieser reichlich unterhaltsamen rund 90 Gelbrausch-Gag-Minuten (= 4 PÖNIs). P.S.: Kommt bloß bald wieder. Wir brauchen Lachen.
2.) WENN STARS ABKOTZEN. Titel = „DER BESTE FILM ALLER ZEITEN“ von Gastón Duprat und Mariano Cohn (Co-B + R; Spanien/Argentinien 2020; Co-B: Andrés Duprat; K: Arnau Valls Colomer; M: Gary Marlowe; 114 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.6.2022). Was passiert, wenn sich „EXOTEN“ zusammentun, um eben DEN – siehe Titel – herzustellen. Zuallererst öffnet sich der 80jährige Industrielle. Er hat so viel Money, zum Abwinken, er plustert nur so herum. Anlässlich seines „bevorstehenden“ Ablebens. Wo nutzlose Geschenke unerwünscht sind. Nein, eine teure Brücke, die dann seinen Namen trägt, nein. Auch nicht. Wie wäre es aber, den Dreh für einen herausragenden Kinofilm zu finanzieren? Eben DEN , klar doch, DEN BESTEN FILM ÜBERHAUPT. Also: ALLER ZEITEN. Dafür kauft der missmutige Geldgeber einen preisgekrönten Roman teuer ein und engagiert die gefeierte Autorenfilmerin Lola Cuevas (PENÉLOPE CRUZ), die sogleich – vertragsgemäß – auf „IHREN STIL“ besteht. Was bei den beiden renommierten Hauptrollen-Schauspielern Félix Rivero (ANTONIO BANDERAS) und Iván Torres (OSCAR MARTINEZ), sagen wir mal vorsichtig, nicht so „begeistert“ ankommt. Zumal – zwar besitzen beide enormes Talent, aber halt auch noch größere Egos, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Felix, der Hollywood-Frauenschwarm und Iván, das radikale Enfant Terrible der Theaterwelt. Beide sind Legenden, aber einander nicht wohlgesonnen. Gar nicht sozusagen: zueinander „positiv“ gestimmt. Mal signalisiert DER Stunk, mal ist „der Andere“ stinkig. Oder gemeiner. Um die Dreharbeiten nicht zu gefährden, stellt die fesche Lola ihre beiden männlichen Akteure auf immer exzentrischere Prüfungen ein. Bei den Proben. Bedeutet: Félix und Iván müssen sich nicht nur den Fallstricken ihrer Eitelkeit stellen, sondern auch ihrem eigenen Vermächtnis.
„Guten Abend“: Endlich lässt eine Frau ihre Sau ‚raus. PENÉLOPE CRUZ kaut genüsslich die Chefin. Sowohl als Manipulatorin wie als Total-Bestimmerin. Ich sage, ihr habt DAS und DAS zu machen. Klare Vorgaben. Die Kerle bibbern. Vor Wut und dem Vertrag. Der viel Honorar signalisiert.
Der Körper als Gehäuse. In einem gigantischen Glas-Tempel. Es dampft: Wenn Lügen, Fake-News, Albernheiten, zielende Verbal- und Handkanten-Treffer … treffen. Oder, vorher, wenn viele Trophäen, die die Beiden im Verlaufe der vielen Jahre bekommen haben, einfach geschreddert werden („Ich will die Wahrheit“). Von der explodierenden Lola („Ich transformiere die Preise“). Lola begehrt es, eine menschliche Pyramide zusammen zu bekommen. Lola sucht nach einer menschlichen Pyramide und verlangt dafür 9 Proben. Mit vergleichsweise fickenden Küssen. Während Felix eine Krebs-Performance anbietet. Was erblicken wir?: Lügen, Beleidigungen, Vorwürfe, Heuchelei-Verbrüderung. Falsche Kommunikation. Dies hängt bisweilen durch, ist verletzend, wirkt mitunter tränig im Reigen der chaotischen Stars. Die namhaften Akteure präsentieren luftige Ironie. Mit atmosphärischem Parodie-WAHNSINN! Und der abschließenden Frage – wann endet eigentlich ein Film? (= 3 PÖNIs).
3.) EXPERIMENTE. Falsche EMOTIONEN. Titel = „DER SPINNENKOPF“ von Joseph Kosinski (USA 2020; B: Rhett Reese; Paul Wernick; nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von George Saunders/2010; K: Claudio Miranda; M: Joseph Trapanese; 107 Minuten; deutscher HEIMKINO-Netflix-Start: 17.6.2022). Der Regisseur schuf 2018/2019 den erst kürzlich ins Kino gekommenen und dort zum Kino-Welthit aufgestiegenen Action-Streifen „Top Gun: Maverick“ (s. Kino-KRITIK /4 PÖNIS), während er diesen Film erst danach schuf und dieser dann vor „Top Gun: Maverick“ von Netflix herausgebracht wurde. „Wir verändern die Welt“, verkündet ein Visionär namens Steve Abnesi (CHRIS HEMSWORTH) in einer Gebäude-intensiven gigantischen Insel-Welt, wo verurteilte Sträflinge die Chance bekommen, an Medikamenten-Experimenten teilzunehmen. Diese Medizin steigert mal die geistigen Fähigkeiten, mal die sexuellen Empfindungen oder sie erzeugt Depressionen. Zwei Sträflinge, Jeff (MILES TELLER) und (JURNEE SMOLLETT), haben sich bereiterklärt, eine neuartige Droge zu testen. Wenn sie einwilligen, besteht die Möglichkeit der Verkürzung ihrer Haftstrafen. „Wir wollen das Leid von Menschen lindern, wir wollen Leben retten“, lautet die Botschaft. Zwischen dem Leiter und seinen Zöglingen. Zwischen denen sich „eine Beziehung“ entwickelte. Und wir „riechen“, hier ist vieles faul. Weil – zum Beispiel – das ständige Lächeln des Hausherrn so etwas von falsch ist und seine Art zu befehlen – ebenso. (Chris Hemsworth war selten so daneben). Und wir nur darauf warten, dass es endlich Lösungs-technisch „kracht“. Aber dies dauert. Weil vor allem in Richtung Ende noch sehr viel zu palavern ist. Auf dass der Action-Schluss schließlich ziemlich falsch, also unglaubwürdig fliegt (= 2 PÖNIs).
4.) WUCHTIG. WEITSICHTIG. Titel = „WIE IM ECHTEN LEBEN“ von Emmanuel Carrère (Co-B + R; frei nach dem Buch „Le Quai d’Ouistreham“ von Florence Aubenas/2010; Co-B: Hélène Devynck; K: Patrick Blossier; M: Mathieu Lamboley; 106 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.6.2022). Schauspiellegende und „Oscar-Preisträgerin JULIETTE BINOCHE („Der englische Patient“) erfindet sich neu. In diesem Film spielt sie die renommierte Schriftstellerin Marianne, die ein Doppelleben auf Zeit beginnt. Gibt sämtlichen Komfort der Pariser Kulturelite auf, reist in die nordfranzösische Hafenstadt Caen , wo das Wetter launisch und das Leben rauh ist. Im dortigen Jobcenter gibt sie an, nach der Scheidung jede Stelle anzunehmen, egal wie schmutzig. Ihr eigentlicher Plan: Sie will eintauchen in ein Dasein zwischen Plackerei und Geldknappheit und darüber ei Buch schreiben. Marianne will solche Arbeit verrichten, die in der umsorgten Mittelschicht keiner mehr ausüben will. Der Job als Putzfrau erweist sich als „Glücksfall“ = extreme Schinderei, blöde Sprüche vom Chef, magere Bezahlung. Auch wenn sie nach kurzer Zeit gekündigt wird, bringt ihr die Stelle die überwältigende Unterstützung von den Frauen, die harte Putzprofis sind und echte Freundschaft können. Besonders mit der robusten Christéle (HÉLÈNE LAMBERT) kriegt sie Kontakt, freundet sie sich an, die sich allein mit drei Kindern durchs Leben schlägt. Dank ihr schafft es Marianne in die Putzkolonne des Fährhafens: 12 Arbeiterinnen, 230 Kabinen in anderthalb Stunden. Es klingt wie eine verwegene Wette, die täglich gewonnen und irgendwie auch verloren wird. Mit drei Frauen verbindet sie bald eine tiefe Freundschaft, obwohl ihre wahre Identität damit bald zum größten Problem wird. Doch irgendwann hat Marianne genug Material für ihr Buch zusammen; es ist an der Zeit, das wahre Gesicht zu zeigen.
Zwischen Dichtung und Wahrheit: „WIE IM ECHTEN LEBEN“ ist ein nach Tatsachen entstandener, aufrüttelnder und tief berührender Spielfilm. Der Autoren-Regisseur Emmanuel Carrère, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs zählt (u.a. „Das Reich Gottes“; „Alles ist wahr und die jüngste Neuerscheinung „Yoga“), versammelt für seinen dritten Kinofilm ein großartiges Ensemble, das Leid und Zuneigung einer echten „Arbeits-Gemeinschaft“ zeigt. Es ist ein berührender Stoff, und neben der grandiosen Juliette Binoche sind es vor allem die starken Frauen aus Caen , die sich mit viel Engagement und Leidenschaft selbst verkörpern und so diesem Spielfilm eine große Wahrhaftigkeit verschaffen – unterbezahlt, unentbehrlich, aber nicht mehr ungesehen! Ein starker Film! (= 4 1/2 PÖNIs).
5.) TV-TIPP: Als die Co-Produktion Schweden/Dänemark am 11.4.2019 unsere Kinos endlich erreichte, war die positive Überraschung groß. Im Mittelpunkt des Geschehens , ach nein, ich empfehle stattdessen lieber meine damalige Kritik-Lobeshymne (s. Kino-KRITIK /4 1/2 PÖNIs). Und nenne jetzt den Titel, der da simpel lautet: „BORDER“. Vom iranisch-stämmigen schwedischen Autoren-Regisseur ALI ABBASI gedreht. Am kommenden MONTAG, 4.7. läuft im rbb ab 22.40 Uhr ein hervorragender Spielfilm! Mal wieder: Die Empfehlung gilt!
6.) MUSIK: Als Iolanda Cristina Gigliotti wurde sie am 17. Januar 1933 in Kairo geboren. Und nannte sich, als sie anfing zu singen: DALIDA. Die Single „AM TAG, ALS DER REGEN KAM“ ist der Titel der von DALIDA 1959 gesungenen deutschsprachigen Coverversion eines französischen Chansons, die sich zum größten Erfolg der Sängerin in Deutschland entwickelte. Im Text wird die auf Regen wartende, ausgetrocknete Naturlandschaft in einer Allegorie mit Sehnsucht auf Liebe verglichen. Also gegenwärtig passend. Natur-aktuell. Übrigens: GILBERT BÉCAUD komponierte zusammen mit Pierre Delanoe (Text) das Original-Chanson „Le jour où la pluie viendra“ („Der Tag, wenn der Regen kommen wird“), und Bécaud führte es als Erster am 10. Oktober 1957 live im Pariser Olympia auf. Übrigens II – für mehr als 300.000 verkaufte Exemplare erhielt die Sängerin die „Goldene Schallplatte“. Und: SIE kam auch in zwei deutschen Kinofilmen vor: In „Mädchen für die Mambo-Bar“ (Premiere: 23. Juli 1959) und in „Am Tag, als der Regen kam“ (24. November 1959). Lassen wir uns für diese Woche also DALIDA-haft einstimmen:
Wünsche, pardon, eine, regnerische Woche.
HERZlich: PÖNI PÖnack
e-mail: kontakt@poenack.de