0.) Bin leidenschaftlicher Leser der Süddeutschen Zeitung. Starte immer mit „Das Streiflicht“ auf der Titelseite. In der Wochenend-Ausgabe 3./4.7. war hier „besonders“ zu lesen: „(SZ) Über viele Jahre blieb die Frage ungeklärt, ob der Fernsehsender RTL jemals eine Sendung zeigen würde, die einen Hauch von Sinn erkennen ließe. Viele Medienwissenschaftler vertraten die Ansicht, dass dies gar nicht möglich sei, weil ein Format, das erkennbar keinem Sinn folge, auch keinen solchen zu produzieren vermöge. Das wäre ja so, als verlange man von einem Kobold, eine Doktorarbeit in Soziologie über den Strukturwandel des bayerischen Handwerkerwesens zu verfassen, unter besonderer Berücksichtigung der Schreinerbranche“. ………….. Und so weiter, und so nett fort. Empfehle: Nach-Lesen. Ist angenehm sau- komisch.
1.) PACKEND. SPANNEND. CLEVER. KLUG. Seit dem 8. Juli 2021 in unseren Kinos. Titel = „THE NEST – Alles zu haben ist nie genug“. GB/Kanada 2018. 107 Minuten. Du, Rory, bist überdurchschnittlich begabt. Beruflich, bei den Geschäften, privat, mit deiner intakten Familie. Bestehend aus der tüchtigen Gattin Allison und zwei geratenen Kindern. Du hast es im Finanzbereich zu Wohlstand gebracht, man lebt zufrieden in einem Vorort von New York. Dann aber juckt dir das (Business-)Fell. „Mehr“ erreichen lautet das Mitte der 1980er Jahre-Motto. Und WO erreicht man MEHR? Natürlich bei d e m Finanzplatz überhaupt, sprich: in LONDON. Deiner Heimat. Der Umzug wird arrangiert. Dorthin, wo weiteres Geld winkt. Wenn man es nur ertragreich zu gewinnen weiß. Zum Beispiel in der früheren Firma („Ich hatte Amerika satt“). Und los geht’s. Das ländliche Herrenhaus zeigt sich zwar als neues Heim ziemlich überdimensional-steinig und auch reichlich protzig-düster, aber es riecht ja eben alles nach künftigem- weiteren- fleißigen Money-Erfolg. Was für eine Chance, wittert Rory. Während wir irgendwie spüren, dass die opulente gute Stimmung sich so langsam beziehungsweise anscheinend etwas: verzieht. Unaufhaltsam verflüchtigt. Was ein Rory nicht wahrhaben will. Während Allison spürt wie gut es ihr tut, dass ihr geliebtes Pferd auf dem ziemlich kühlen Gelände mit-tourt.
Ein Ehrgeizling will es wissen. Rory. Du willst es wissen. Schließlich bekamst Du oft bestätigt, was für ein Erfolgsmensch und exzellenter Chancenverwerter Du bist. Einwände…, nicht erforderlich. „Es“ entwickelt sich schon. Auf „Alles wird gut“, setzt Du. Rory. Und warum auch nicht, schließlich besitzt Du bekanntlich den Erfolgsschlüssel. Für alles, was ansteht.
SEAN DURKIN, Jahrgang 1981, ist ein kanadischer Filmregisseur, Drehbuch-Autor und Produzent. Hatte 2011 mit seinem Spielfilmdebüt „Martha Marcy May Marlene“, wo die traumatischen Folgen mit dem Leben und dem Verlassen einer Sekte einhergehen, einen beachtlichen Kinoerfolg. Auch sein zweiter Film, ist ein Gewinn. Mit Bedacht und besonnenen, reizvollen Blicken und listigen Motiven erzählt der Autoren-Regisseur vom – eigentlich – üppigen Dasein eines prächtig funktionierenden Familien-Teams, das sich stets auf ihren Lenker und Denker verlassen kann. Dabei setzt Sean Durkin nicht auf Hektik, Schnelligkeit, sondern auf charismatische Stimmungen. Feine atmosphärische Entwicklungen. Ebenso faszinierend-prickelnd wie stets neugierig brodelnd. Ohne zugleich dabei viel zu verraten. Auf Thriller-haften Gebiet dreht Rory an der Seelen- und Geschäftsschraube. Zwei überragende Akteure ziehen einen in den mysteriösen Charakterporträt-Bann: JUDE LAW, dem eitlen Rory folgt man ununterbrochen; man will wissen, was er als nächstes aus dem Business-Beutel zaubert; mit welchem Fieber er gerade belastet ist; überhaupt – wie er was am Laufen hält. Zum Beispiel mit/in der Family. Sprache, Bewegungen erscheinen vielfältig, sind sympathisch wie tückisch. Doppelbödig. Als Allison hält Laws Partnerin CARRIE COON („Gone Girl – Das perfekte Opfer“) taff-mit und feminin-stark dagegen. Mit begeisternd intelligentem weiblichem Kampfesmut. Während wir bibbern – befinden wir uns hier in einem Horror-Park oder doch „nur“ in einem unheimlichen Spannungsdrama mit freudigem Bösewichtsgefälle? Schau’n wir mal – gerne – zu. „THE NEST“ ist bestes Unterhaltungsprogramm, fängt uns großartig ein (= 4 1/2 PÖNIs).
2.) „BLACK WIDOW“. Eine Gast-Kritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug. Zu finden, zu lesen … hier
3.) MÄSSIG. Titel = „THE LITTLE THINGS“. Von JOHN LEE HANCOCK (B + R). USA 2019. Prominent besetzte langweilige Kalifornischer Krimi-Mattigkeit. Mit den „Oscar“-Preisträgern DENZEL WASHINGTON („Glory“/Training Day“), RAMI MALEK („Bohemian Rhapsody“) und JARED LETO („Dallas Buyers Club“). Denzel Washington mimt einen ausgebrannten Deputy-Sheriff, Joe „Deke“ Deacon, dessen beste Zeiten vorgestern waren und der heute daran zu knabbern hat, einst einen Fall nicht aufgeklärt zu haben. Deshalb ist er so was wie „ausgestiegen“. Wurschtelt in der kalifornischen Provinz herum. Sein Boss beauftragt ihn, ein paar Formalitäten in Los Angeles aufzuspüren und für ihn zu besorgen.
Eher widerwillig fährt Deacon dorthin und trifft auf einen ehrgeizig-ungestümen jungen Kollegen, Baxter, der so ähnlich arbeitet wie Deacon während seiner aktiven Jahre. Irgendwie kann man sich nicht riechen, rauft sich aber immer wieder zusammen. Auch, weil ein Serienkiller gerade sein Unwesen treibt, dessen Taten Ähnlichkeiten mit Deacons offen gebliebenem Altfall aufweisen und den es nun zusammen einzufangen gilt. Sein Name: Albert Sparma. Ein sarkastisches Arschloch, der gerne die Polizisten verhöhnt. Der Rest ist statisch, behäbig, ziemlich egal im Sinne von beliebig. Der Autoren-Regisseur John Lee Hancock, dessen Filme „Blind Side“ (s. Kino-KRITIK/2010) und „The Founder“ (s. Kino-KRITIK/2017) geschätzt und viel gesehen wurden, hat hier für wenig Anteilnahme und kaum Film-Interesse gesorgt (= 2 PÖNIs).
4.) TIERISCH. Titel = „LOS REYES – KÖNIGLICHE STREUNER“. Von BETTINA PERUT und Iván OSNOVIKOFF. Chile/Deutschland 2018. Waren es neulich, in der Dokumentation „SPACE DOGS“ (s. KRITIK im BLOG 102), Hunde aus Moskau, die näher betrachtet wurden, treffen wir hier auf zwei Straßenhunde, die sich inmitten eines kleinen Skate-Parks bewegen, inmitten einer Hochhauslandschaft von Santiago de Chile: FUTBOL und CHOLA. Wo sie sich dauer-aufhalten, ihr Leben gestalten, während drumherum eine Gruppe Jugendlicher herum-powert. Dabei stoßen die Hunde mit ihrem eigenwilligen Zeitvertreib auf immer mehr Neugier, Interesse und „System“. „Während die Kamera auf den Hunden ruht, die wie zwei zerzauste Könige auf ihren Stammplätzen liegen, werden im Off des Films immer wieder die Stimmen von Jugendlichen hörbar. Sie drehen zusammen ein paar Joints, reden über die versäumten Schulstunden, wütende Mütter und ihre Träume vom eigenen Drogengeschäft. Die Gespräche erzeugen Bilder im Kopf: über Klassenunterschiede, soziale Prekarität, fehlende Vaterfiguren und ethnische Zugehörigkeiten. ‚Ich hasse es hier‘, sagt einer, während die glühende Sommerhitze keine Zuflucht im schattenlosen Park zulässt. Und doch ist klar, dass ‚LOS REYES‘ die einzige Möglichkeit ist, überhaupt einen Ort zu haben. Das gilt für die Hunde und die Jugendlichen gleichermaßen“ (aus dem aktuellen „Filmdienst“). Wer Tiere mag und Menschen zuhören kann, ist hier richtig (= 4 PÖNIs).
5.) REAL-DURCHGEKNALLT. Titel = „BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN“. Von RADU JUDE. „Skizze zu einem Heimatfilm“. 106 Minuten. Rumänien/Luxemburg/Tschechische Republik/Kroatien 2020. „Goldener Berlinale Bär“ 2021. Bukarest jetzt. Teil 1: EINBAHNSTRASSE. Teil 2: EIN KOMPAKTES LEXIKON MIT ANEKDOTEN, ZEICHEN UND WUNDERN. Teil 3: PRAXIS UND ANSPIELUNGEN (Sitcom). Eine Frau streift durch die Stadt. Diese erweist sich vor allem als extrem laut. Polizei-Sirenen, Auto-Gehupe, sich lautstark bewegende Menschen. Massen. Die öfters aneinandergeraten. Musik-Geplärre. Halt viel Alltagsgekreische. Und: Wahlplakate. Häuser-Ruinen. Kaputte Mauern. Und mittendrin immer wieder Emi (KATIA PASCARIU). Eine rumänische Lehrerin. Mit ihrem Mann und ihr beginnt die satirische Farce. Als Sex-Spektakel. Zur Musik von „Lilli Marleen“ wird kräftig gesext. Leider auch auf Video. Womit bzw. wobei der private Porno irgendwie ins Internet gelangt. Und damit „öffentlich“ wird. Sich zum „Meinungsbild“ bestens eignet. Weil Emi doch Lehrerin ist. An einer renommierten Schule. Da muss man sich doch eine An-Sicht bilden. Können. Dürfen. Wahrheitsgehalt egal, Begründung überflüssig. Von moralisch empört über aggressiv anklagend bis vulgär beleidigend. Alles ist vertreten. Emi macht sich auf den Weg zu einem Elternabend. Der besonderen Art. Natürlich. Doch die „Debatte“ gerät zum Tribunal – über Sex, Pornografie, die Nazis, Wahrheit, Bildungstheorie, Militärmeinung. Plötzlich wird die Lehrerin nicht nur für ihr Sexleben attackiert, sondern auch für die rumänische Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Psychologie der Kinder im Allgemeinen und für die – fehlgeleitete – gesellschaftliche Emanzipation sowieso. Die Moral der Elternschicht? Man ist sich einig, dass man in Kürze bald wieder anderer Meinung sein wird. Vorerst darf im postsozialistischen Rumänien gepustet werden: „Hau ab, bevor ich dir in deine Informantenfresse spucke“. Während sich in einer Apotheke aufhaltende Kunden darüber austauschen, wie solvente Kranke heutzutage Nieren von Kinder zu kaufen vermögen. Und wir begreifen: Achtung, es existiert kein Schlagwort, hinter dem sich in unseren Gesellschaften kein Horror-Spuk verbirgt. Einschließlich Armee, Kirche, Blondinen. Plus Witze. Der ideologisierte Alltag p(r)ustet.
Der Film mit dem „schweren“ Titel ist: glückliches Fragment, Enzyklopädie unserer Zeit und die gnadenlose Versuchsanordnung einer völlig zersplitterten Gemeinschaft, die nur noch in der allgemeinen Feindseligkeit zusammenfinden kann. Regisseur Radu Jude treibt den Irrwitz auf die Spitze. Zersplittert eine bitterböse Farce, die man spöttisch auch als „Untergang der Demokratie“ bezeichnen kann. Von wegen – als eine filmische Erfahrung zwischen totaler Finsternis und grell erleuchteter Humorzone. Was verbreitet sich hier sagenhaft-ungehemmt = gemein-genüsslich. Böse wohltuend (= 4 1/2 PÖNIs).
6.) TV-HITS: MONTAG, 12.7., ab 21.45 Uhr, ARTE = „DER LETZTE KÖNIG VON SCHOTTLAND“ von Kevin Macdonald; USA/GB/D 2006. Ein sowohl inhaltlich wie darstellerisch aufregender, unter die Haut gehender Polit-Psycho-Thriller. Mit einem überragenden FOREST WHITAKER als ugandischer Idi Amin (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs).
MITTWOCH, 14.7., ab 20.15 Uhr ARTE = „BLACKKKLANSMAN“ von Spike Lee (Co-B + R); USA 2017. Im Filmtitel stehen die drei aufeinander folgenden Ks als Abkürzung für den Ku-Klux-Klan. „Das gesamte Fundament, auf dem die Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut ist, basiert auf Völkermord und Sklaverei. Allein das ist doch Grund genug, wütend zu sein“ (Spike Lee 2017 auf den Filmfestspielen von Cannes / s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs).
7.) Die Lieblings-MUSIK soll in dieser Woche sanft sein, nach diesem Euro-Fußball-Desaster mit dem Elfer-Geschenk an England. Bin im Trick-Dschungelbuch-Klassiker von 1967 gelandet, bei EDGAR OTT mit seiner BALU-Hymne: „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“. Die besänftigt mich gerade: Etwas. Wenigstens:
Wünsche eine GESUNDE gemütliche tierische Woche.
HERZlichst: PÖNI PÖnack
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