0.) MENSCH TIER – LIEBE. In BILD, BEWEGUNG und TON.
1.) GIGANTISCHE TALENTIN im RASSISMUS. Titel = „THE UNITED STATES VS. BILLIE HOLIDAY“. USA 2019. 130 Minuten. Von LEE DANIELS (Co-Produktion + R). Drehbuch: Suzan-Lori Parks. Nach dem Roman „Chasing the Scream: The First and Last Days of the War on Drugs“ von Johann Hari (2015 / In Deutschland im selben Jahr unter dem Titel „Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges“ veröffentlicht). Mit der überragenden Soul- und R&B-Sängerin UND jetzt auch (brillanten) SCHAUSPIELERIN ANDRA DAY (36) im Titelpart als BILLIE HOLIDAY (*7. April 1915 – †17. Juli 1959), die mit Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan zu den bedeutendsten US-amerikanischen Jazz-Sängerinnen zählt. Aber diesen = solchen Film nicht verdient hat. Von wegen – er ist ein Sammelsurium von Andeutungen, „Ausführungen“, gelungenen Montagen (etwa wenn die Künstlerin auf Tournee ist) oder mit Verweisen auf ihre Verfolgung und die vielen Demütigungen durch hasserfüllte weiße Jäger. Denen die afroamerikanische Billie Holiday ein rassistischer „Dorn im Auge“ ist. Weil sie „auffällig“ entgegengesetzte Positionen vertritt: die Freiheit des Denkens und Handelns. Darum bemüht sich ausgerechnet eine „minderwertige“ dunkelhäutige populäre Lady. Nachdem ihre Jugend alles andere als „normal“ oder gar „erfreulich“ war. So dass aus dieser lautstarken und drogenabhängigen Protest-Frau und Sex-Göttin zwangsläufig eine „musikalische“ Rebellin wurde. „Werden musste“? Wie sie Regisseur Lee Daniels, der mit Filmen wie „Precious – Das Leben ist kostbar“ (2009/s. Kino-KRITIK) und „Der Butler“ (2013/s. Kino-KRITIK) auch hierzulande viel Aufmerksamkeit erreichte, hier interpretiert. Zunächst als Vorwort: „1937 befasste sich der US-Senat mit einem Gesetzentwurf, der dem Lynchen von Afro-Amerikanern endgültig ein Ende setzen sollte. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet. Billie Holiday wurde unter anderem durch ihren Song ‚STRANGE FRUIT‘ berühmt, einer lyrischen, grausamen Beschreibung eines Lynchmordes“. Dann als Hymne. Eben: „STRANGE FRUIT“. Ein Lied, dessen Text „offiziell“ „unangenehm“ auffiel. Wütende „amtliche“ Gegenreaktionen auslöste. Durch herrschende weiße Macht-Männer: „Die Südstaaten-Bäume tragen merkwürdige Früchte. Blut auf den Blättern und Blut an der Wurzel. Schwarze Körper baumeln im Südstaaten-Wind. Merkwürdige Früchte hängen von den Pappeln. Idyllische Szene im prächtigen Süden. Die hervorgetretenen Augen und der entstellte Mund , der Duft von Magnolien süß und frisch und plötzlich der Geruch von verbranntem Fleisch. Dies ist eine Frucht, die von Krähen zerrissen wird, die vom Regen benetzt wird, an der der Wind rüttelt, die in der Sonne verrottet, die vom Baum fallen wird. Dies ist eine merkwürdige und bittere Ernte“. (Übrigens: 1978 wurde Billie Holidays Single „Strange Fruit“ in die‘ Grammy Hall of Fame‘ aufgenommen. Und – das ‚ Time Magazine‘ nannte das Lied „Song des Jahrhunderts“).
Ende der 1930er-Jahre, zur Zeit der Rassentrennung in den USA: Das Elend ihrer Jugend hinter sich gelassen, ist Billie Holiday aufgestiegen. Feiert als Sängerin Triumphe. Und „spaßt“ mit ihren Verehrern. Gleichzeitig raucht sie ununterbrochen und ist mit Drogen befeuert. Die Regierung setzt sie unter Druck: Für dieses „verdammte Lied“ wird ein Aufführverbot angeordnet. Weil sie sich aber nicht daran hält, setzen die Behörden den schwarzen Bundesagenten Jimmy Fletcher (TREVANTE RHODES) auf Billie Holiday an. Sein Auftrag: Er soll ihre Schwäche für Drogen und Männer publik machen und gegen sie verwenden. Doch als der Beamte dieser Frau mit der unverwechselbaren Stimme begegnet, ist es emotional um ihn geschehen. Er verliebt sich in sie. Zudem: Billie Holiday ist alles andere als kleinzukriegen. Allerdings: Sie vermag zwar einzigartig prächtig singen, kommt aber mit ihrem Leben nicht „klar“. Sie qualmt wie ein Schlot und betäubt sich mit Drogen. Während wir schließlich erfahren, dass Lynchmorde in den USA immer noch nicht verboten sind. Ein 2019 eingebrachtes Gesetz wurde aufgrund des Vetos des Senators aus Kentucky nicht beschlossen. Debütantin ANDRA DAY, die in diesem Jahr mit dem „Golden Globe“ in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin Drama“ ausgezeichnet und auch mit einer „Oscar“-Nominierung bedacht wurde, trägt diesen Streifen mit einer brillanten Lebendigkeit und beeindruckt stimmlich durch glanzvolle Auftritte. Und sorgt selbst auf dem Sterbebett für Wutempörung, als Drogenfahnder sie dort wegen angeblichen Besitzes von Heroin verhaften.
Mag die Inszenierung fahrig sein, mögen die dramaturgischen Wechsel nicht stimmig wirken, alleine die „heutige Billie Holiday“-ANDRA DAY hier so zu sehen, zu empfinden, zu genießen, zu erleben, ist unterhaltungsmäßig eine kraftvolle Inspiration und darstellerisch eine Wonne-Wucht. Ab sofort NEU im HEIMKINO (= 4 PÖNIs).
2.) BAYERISCH-VOLKSHAFT. Ab sofort bei: AMAZON PRIME VIDEO. Titel = „DER BOANDLKRAMER UND DIE EWIGE LIEBE“. D 2019. 87 Minuten. Von: JOSEPH VILSMAIER (K, Bildgestaltung + R). Drehbuch: Ulrich Limmer; Marcus H. Rosenmüller und Michael „Bully“ Herbig. Im Oktober 2008 startete in unseren Kinos die filmische Adaption eines der populärsten bayerischen Volksstücke – Filmtitel: „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“. Originelles Thema: Wie ein Tegernseer Büchsenmacher (Franz Xaver Kroetz) den Tod – auf bairisch: Boandlkramer -, gespielt von Michael „Bully“ Herbig, beim Kartenspiel überlistet und ihm zahlreiche weitere Lebensjahre abgewinnt. Der von Joseph Vilsmaier inszenierte Streifen fand damals in den hiesigen Lichtspielhäusern regen Zuspruch. (Mit seiner Originalsprache Bairisch).
Die Handlung des neuen Films ist eine Fortschreibung der Geschichte von damals. Nur ist diesmal Autor und Hauptmitspieler MICHAEL „BULLY“ HERBIG als Tod, also als BOANDLKRAMER, die Hauptfigur. Als kiesiger Depp. Dessen Aufgabe es bekanntlich ist, die Seelen von Gestorbenen auf der Erde abzuholen und „Oben“ abzuliefern, im Himmel oder in der Hölle. Auch hier wieder mit-dabei als Spielleiter: JOSEPH VILSMAIER (geboren am 24. Januar 1939 in München, gestorben am 11. Februar 2020 ebenda). Der uns mit Filmen wie „Herbstmilch“ (1988), „Rama Dama“ (1991/s. Kino-KRITIK), „Comedian Harmonists“ (1997) oder „Der letzte Zug“ (2006/s. Kino-KRITIK) in bester Erinnerung ist. „Bully“ Herbig und Kameraden haben sich ausgedacht: Boandlkramer passiert bei der Ausübung seines Jobs ein erstaunliches Missgeschick – er verliebt sich. Kennt DAS überhaupt nicht und ist = stellt sich: verwirrt an. Eigentlich soll er den kleinen und gerade verunfallten Maxl (Josef Staber) aufnehmen und per Zweispänner hin-bringen ins Jenseits-Vorzimmer, da trifft er auf dessen Mama Gefi (HANNAH HERZSPRUNG) und kriegt unerwartete, unbekannte Gefühle. Aus dem – schrecklich aussehenden und frisierten Gevatter Unleben entpuppt sich nach und nach eine – Art adrette Gestalt. Maßgebender Helfer hierfür ist ein strategischer Berater, den SEBASTIAN BEZZEL (von 2004 bis 2016 Konstanz-Tatort“-Polizist Kai Perlmann neben Eva Mattes als Klara Blum) lakonisch-lebendig-tot mimt. Mal als Stylist, mal als Humor-Lehrer. In der bayerischen Provinz von anno 1955, wo im Dorfe bekannt gewitzelt wird. Und der Belzebub, mal mit Elvis-Tolle, mal als „Dick & Doof“-Imitator/Verschnitt, mimisch tänzelt. Um „die Braut“ Gefi zu erobern. Die aber nichts von ihm wissen will. Eigentlich. Ach so ja – zu sagen gilt, dass er ja auch noch einen Vertrag am Laufen = zu erfüllen hat, den er mit dem höchstpersönlichen schrägen HAPE KERKELING-Deibel-Verführer-Teufel vereinbarte. Wobei DER natürlich meint, also glaubt, Boandlkramer listig hereingelegt zu haben. DIE MASKEN von „Bully“ sind ebenso narrisch wie der bayerische Slang, mit dem er süffi-sant ‚rummacht. Wie überhaupt – es ist SEIN Film. Mit seinen Erde- sowie Himmel-Wortwitz-Eskapaden. „Bully“ clownt dolli herum. Man hat dabei das gute Gefühl, er wolle sich mal wieder in Sachen verbalen Schabernack schelmisch-gschamisch präsentieren, ohne gleich doll weh zu tun. Gelungen, „Bully“ (= 3 1/2 PÖNI).
3.) GEWALTIGER ZOFF. Dieser Film kam am 24. Juli 2020 in ausgewählten Autokinos in den USA erstmals heraus. Am vergangenen Montag war er im „ZDF-Montagskino“ zu sehen, und „Pandastorm“ bringt ihn ab heute im HEIMKINO heraus. Titel = „THE RENTAL – TOD IM STRANDHAUS“. USA 2019. 88 Minuten. Es ist das Regie-Debüt von DAVE FRANCO (Co-Drehbuch, Co-Produktion; R), dem jüngeren Bruder von James Franco („127 Hours“). Zwei Geschäftsidee-Paare, ein traumhaftes Weekend an der traumhaften Küste von Oregon, in einem Traumhaus, in einer Traumgegend, mit Traumstrand. Erst sind die Vier halbwegs „angenehm“, aber sogleich auch nur ziemlich-begrenzt sympathisch, dann wird gelästert, herumgealbert, gestichelt, quer-gefickt, bis … man denen auch immer ein bisschen mehr von dem spürbar- heraufziehenden Horror wünscht. Und siehe da… Ein Thriller mit Unheil-Geschmack. Gern auch umgekehrt. „Die Mieter“ ist zweitklassig besetzt mit Dan Stevens, Alison Brie, Sheila Vand und Jeremy Allen White. Bietet was zum Thema: Wie verbringen zwei „etwas schwierige“ dynamische Paare einige Stunden, ohne gleich geschreddert zu werden. Na ja. Oder? (= 2 PÖNIs).
4.) KILL MUST GO ON: EINER GEGEN DEN MASSEN-REST. Titel = „POLAR“. USA 2018. 118 Minuten. Produktion: USA/D. Regie: JONAS AKERLUND. Wir kennen DAS. Zur Genüge. Mal mit Liam Neeson, Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und manch anderen Haudegen, hier steht als Killer und Lock-Objekt immerhin MADS MIKKELSEN zur Verfügung. Wir erinnern uns an den entstellten James Bond-Gegenspieler im Daniel Craig-007-Debüt „Casino Royale“ (2006). Zugleich fegte er als Star durch viele Independent-Movies (wie „Open Hearts“; „Dänische Delikatessen“; „Die Jagd“). Hier lässt er es stoisch angehen. Tritt als Duncan Vizla, genannt „Black Kaiser“, auf. Hatte als Auftragskiller und Agent für eine Organisation zu tun, die sich „Damokles“ nennt und von einem unartigen Chef geführt wird, der „BLUT“ gerufen wird (MATT LUCAS). Für den Blut-Boss ist eigenes Gesetz ein Problem. Dieses besagt, dass sich die angestellten Auftragskiller anlässlich des 50. Geburtstages zur Ruhe setzen müssen und mit einigen Millionen Dollar „ausgestattet“ werden. Dieses BLUT-Geld aber will „Blut“ nicht zahlen. Also setzt er Jäger/Innen auf Duncan an. Und der vermag sich natürlich „angemessen“ „zu wehren“. Motto: Es geht fortan „zünftig“ zu. Duncan mäht alles nieder, was = wer in seiner Nähe auftaucht. „Polar“ ist ein dreckiger NETFLIX-Müllhaufen, der auf der gleichnamigen Graphic-Novel-Reihe des spanischen Comic-Künstlers Victor Santos basiert. Motto: Je oller desto doller. Wüster. Aggressiver. Sturmintensiver. Alles Schurkische, männlich wie weiblich, wird an- und abgefackelt. C-Movie: Einer gegen Alle. Und wer gewinnt? (= 1 1/2 PÖNIs).
5.) Es war 1983. Ich besuchte erstmals die ostfriesische Nordseeinsel BORKUM. Und wurde dort „heimisch“. An die 70 Mal+ war ich seitdem dort. Als Anfang Oktober1985 in Berlin RIAS 2 anlief, war auch ich an jedem Dienstag-Abend mit der Sendung „RIAS 2 Special – Film aktuell“ dabei. (Ununterbrochen: 327 Sendungen bis zum RIAS 2-Ende im Mai 1992). 1988 war ich wieder in Borkum Urlaubs-aktiv. Hörte dort zum ersten Mal einen Song der Punk-Band „DIE ÄRZTE“. Und war elektrisiert von/mit/durch: „WESTERLAND“. Es ist der fünfte Titel ihres 1988er Albums „Das ist nicht die ganze Wahrheit …“ und wurde vorab als zweite Single daraus ausgekoppelt. Seit damals einer meiner LIEBLINGS-SONGS. Da demnächst endlich der Urlaubs-Rhythmus in unseren Breitengraden startet, habe ich mir – in weiser Voraussicht – jetzt schon diesen Sommer-Kanon ausgesucht. Ich erinnere mich: Immer wenn mir damals und später nach Nordsee-Stimmung war, spielte ich „Westerland“ und sagte hinterher – gemeint aber ist BORKUM:
Wünsche eine luftige GESUNDE Woche.
HERZlichst: PÖNI PÖnack
kontakt@poenack.de