PASSION FISH

PASSION FISH“ von John Sayles (B + R; USA 1992; 135 Minuten; Start D: 16.12.1993). In Amerika entstehen Filme auf zweierlei und dabei höchst verschiedenen Art: Da sind zum einen diese teuren, lauten Produktionen rund um Hollywood; und da gibt es diese überall im Land hergestellten kleinen, unabhängigen Filme. Letztere benötigen bei weitem nicht das viele Geld der anderen, sind aber deshalb oft nicht minder interessant und wichtig. Seit annähernd 15 Jahren zählt JOHN SAYLES zu den bedeutendsten Filmemachern des Independent-, des unabhängigen amerikanischen Kinos. Seine bislang 7 Regie-Filme, für die er immer auch das Drehbuch verfasste, kosteten zusammen kaum mehr als 20 Millionen Dollar: Also etwa so viel, wie man heutzutage in Hollywood für durchschnittliche Produktion ausgibt.

Der 43jährige John Sayles begann als Fleischpacker, Tagelöhner und Krankenpfleger und verfasste nebenbei Romane und Kurzgeschichten. Mit “Piranhas“ begann 1977 seine Karriere als Filmautor. 2 Jahre später inszenierte er seinen ersten eigenen Film: “Die Rückkehr nach Secaunus“. Mit Filmen wie “Lianna“, “Baby lt‘s You“ und neulich “City Of Hope“ wurde Sayles auch hierzulande bekannt. Die Hofer Filmtage widmeten ihm 1988 ihre Retrospektive.

“Passion Fish“ heißt sein neuester Streifen, für den es in diesem Jahr zwei “Oscar“-Nominierungen gab, darunter eine für John Sayles selbst als Autor. “Passion Fish“, frei übersetzt: “Kleine, andere Fische“, ist eine sehr menschliche und atmosphärische Geschichte. Sie spielt inmitten der sumpfigen Landschaft von Louisiana, wo May-Alice herstammt. Sie, die in New York eine populäre Schauspielerin wurde, ist nach einem Unfall gelähmt und zieht in das alte Haus ihrer Eltern. Weil sie fortan auf den Rollstuhl und die Pflegerin angewiesen ist, ertränkt sie ihre Wut und Bitterkeit in Alkohol und Aggressivität. So hat sie schon einige Pflegerinnen vergrault. Bis eines Tages die farbige Chantelle vor der Tür steht. Die braucht den Job und macht sich schweigsam, aber entschlossen daran, das Leben von May-Alice gründlich umzukrempeln. Und dieses, vor allem seelische “Umkrempeln“, ist die Geschichte dieses Films. Die Geschichte zweier völlig unterschiedlicher Frauen, die schicksalhaft zusammenkommen und lernen, einander zu respektieren und zu mögen. Dazu allerdings bedarf es auch vieler kleiner und großer “Gefechte“, die letztlich zu keinem falschen Happy-End, sondern zum Anfang von neuer Lebenslust und Lebensphilosophie für beide Frauen führen.

“Passion Fish“ handelt von ungewöhnlicher Freundschaft in karger Zeit und vom Dasein im amerikanischen Süden, wo die Uhren bisweilen wirklich “anders“ zu schlagen scheinen oder gar stehengeblieben sind. Dabei lässt uns John Sayles mit“spinnen“, mitdenken, mitfühlen. Er liefert keine fertigen Inhalte vor, sondern deutet oft nur an. Lässt Ereignisse offen, so dass man angereizt und neugierig genug ist, selbst voller Lust und Vergnügen weiterzudenken, ohne genau zu wissen, ob man denn “richtig“
liegt. “Passion Fish“, unterlegt mit dieser in dieser Region typischen stimmungsvollen Heimat-, sprich Cajun-Musik, ist ein wunderbarer Film voller Lust und
Optimismus. Er strahlt ohne Übertreibung eine Wärme, Nähe und Freude aus, die ansteckend wirkt. Mary McDonnell und Alfred Woodward spielen die beiden Frauen mit klugem Temperament und doppeldeutigem Humor und lassen dieses Gefühl von Solidarität, Respekt und Zuneigung “wahr“ werden.

Wenn Sie sich in dieser sonst so filmsüßen Jahreszeit etwas Kino-Gutes antun wollen, gehen Sie in “Passion Fish“ von John Sayles. Denn dieser humane und schöne Film wird Sie erst “richtig“ einstimmen auf Weihnachten und danach
(= 4 PÖNIs).

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