PARANORMAN

„PARANORMAN“ von Sam Fell und Chris Butler (B + R; USA 2010-2012; K: Tristan Oliver; M: Jon Brion; 85 Minuten; deutscher Kino-Start: 23.08.2012); ANIMATION ist ‘in. Weltweit. Animationsfilme liegen voll im Trend. Sind längst im täglichen Filmangebot gegenüber den Spielfilmen gleichrangig. Viele kommen im Kino bestens an. Halten sich in den Hitlisten oft wochenlang. Wie zuletzt „Ice Age 4“. Aus den „Blue Sky Studios“ in Connecticut. Weitere namhafte Trickfilm-Fabriken sind (natürlich) die „Pixar Animation Studios“ im kalifornischen Emeryville, deren Erfolgsliste riesig ist (von „Toy Story“ bis zuletzt „Merida – Legende der Highlands“), „Sony Pictures Animation“ im kalifornischen Culver City („Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“/2009) sowie – natürlich – „Aardman Animations Ltd.“, beheimatet in Bristol/Großbritannien, die sich einen hervorragenden Namen mit ihren witzigen Knetfiguren „Wallace & Gromit“ und „Shaun das Schaf“ und zuletzt mit dem Spielfilm „Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen“ gemacht haben. Diese Liste mit erfolgreichen Animationsfilm-Unternehmen muss nun (endgültig) um ein weiteres ergänzt werden: „LAIKA, Inc.“ Aus Portland im US-Bundesstaat Oregon. 2009 waren DIE gleich mit ihrem Debütfilm CORALINE von Henry Selick (s. Kino-KRITIK) toll aufgefallen (= 5 PÖNIs). Einem wunderbaren, in Fachsprache, Stop-Motion-3D-Fantasy-Horror-Animations-Geniestreich. Angelegt zwischen brillanter Handarbeit mit Puppen und Computer-Fertigkeit.

Mit ihrem zweitem hauseigenen Animationsfilm begeben sie sich in wieder technisch neue Höhen. Mit bzw. über erstmals benutzte 3D-Farbdrucker. Inmitten der mühseligen Stop-Motion-Handarbeit. Vier 3D-Drucker waren an insgesamt 572 Tagen nonstop in Betrieb. Wodurch die fertigen „Darsteller“-Masken immer mehr „menschliche Gemütsbewegungen“ auszudrücken verstehen: Lachen, Trauer, Wut… die ganze Palette. Um „gut 31.000 Gesichtsteile lebensecht“ zu fabrizieren („Spiegel“ 33/2012). Um die 300 Puppenspieler, Kostümschneider und Kulissenbastler haben zwei Jahre für die Produktion gebraucht; bisweilen benötigte man eine Woche für zwei Filmminuten. Im Presseheft werden imponierende „Zahlen und Fakten rund um Norman“ genannt, wie: 3,77 Tonnen Druckerschwärze; 885 Liter Tinte; 292 Liter Sekundenkleber, 729 Blätter Sandpapier, 2.430 Dosen Glasreiniger; 35.000 Gummihandschuhe. Und weiter heißt es dort: „In mehreren Aufnahmen fährt die Kamera so dicht an Normans Gesicht heran, dass es die gesamte Kinoleinwand füllt. Das bedeutet: Wir sehen sein ca. 4,7 Zentimeter großes (Puppen-)Gesicht rund 380 Mal so groß“. Im Übrigen erfahren wir: „Normans Frisur besteht aus 275 ‘Stacheln‘“. Darunter befindet sich geleimtes Ziegenhaar. Schließlich: „Die Gesichter sämtlicher Puppen werden in der ‘Gesichter-Galerie‘ von LAIKA in 1.257 Schachteln aufbewahrt“.

Norman, der einsame Außenseiter. Zuhause wird er „ob seiner Sonderlichkeit“ (vom Vater) gescholten, in der Schule mobbt man ihn. Bezeichnet ihn als Spinner. Dabei will der 11-jährige ein ganz normaler Bursche sein. Ist er aber nicht, das weiß er auch, weil er mit Toten sprechen kann. Zum Beispiel mit seiner toten Oma. Mit der er sich gemeinsam auf der Wohnzimmercouch einen Zombie-Film anschaut. Was die Eltern nervt. Die an seine paranormalen Fähigkeiten nicht glauben. Wollen. Können. Also ist der kleine Bengel überall der Außenseiter. Der „Loser“. Zu dem sich ein anderer „Freak“ gesellt, der dicke, aufdringliche Mitschüler Neil. Dem es inzwischen wurscht ist, andauernd in der Penne angemacht zu werden. Gemeinsam geraten sie in eine abenteuerliche Fluch-Geschichte. Bei dem ihre Kleinstadt Blithe Hollow in Neuengland platt gemacht werden soll. Verrät ihnen der sonderbare Norman-Onkel Prenderghast. Zwischen Ab- und Weiterleben. Eine einst, vor 300 Jahren, von frommen Pilgervätern als Hexe beschuldigte und getötete junge Frau hat Rache geschworen. Ein heutiges Ritual am Grab dieser „Hexe“ könnte alles verhindern. Doch wer glaubt schon Norman? Also bekommt er es nicht nur mit „verhaltensgestörten“ Zombies, sondern auch mit ob des ewigen Lebens müden Gespenstern, mit seiner eigenen „exotischen“ Sippe (samt nervender, widerspenstiger Girlie-Schwester Courtney) und dem ganzen erwachsenen Mob der Gemeinde zu tun, der alles einfach platt zu machen gedenkt. Zum Beispiel durch ein ergebnisorientiertes Feuer. Norman, der junge Geisterflüsterer, bekommt jedenfalls mächtig prächtig zu tun. Findet dann aber auch (natürlich) „kuriose“ Mitstreiter.

„ParaNorman“ ist ein köstlicher Spaß. Für Erwachsene. Beziehungsweise für erwachsene Kinder. Die noch staunen können. Und wollen. Über eine phantastische Märchen-Gruselei. Mit aberwitzigem Ironie-Humor. Und schwarzkomischen Witzigkeiten. Etwa wenn Zombies wegen der städtischen Autoabgase Hustenanfälle bekommen. Oder wenn Norman mal wieder vor dem Fernseher sitzt und sich einen Horror-Schocker anschaut. Und auf die elterliche Frage, „was siehst du dir an?“ lakonisch antwortet: „Sex und Gewalt“. Okay. „Britische“ Pointen in einer herrlich schrägen amerikanischen Animations-Spitzenshow. Mit skurrilem Charme-Personal, liebevollen Genre-Zitaten, von Hitchcock (das „Psycho“-Haus) über John Carpenter („Assault – Anschlag bei Nacht“) bis Tim Burton („Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“), und mit feinen komischen Toten. Und der fröhlichen „Botschaft“, schon bei den Gören auch „Andersdenkende“ zu akzeptieren. Sie können/könnten die eigentlichen Heros sein. Wenn es darauf ankommt. Doch wenn ihre Erzeuger sich im Alter dermaßen dämlich, vorurteilsvoll und aggressiv zeigen/benehmen, was erwartet man denn dann eigentlich von ihrem Nachwuchs???

Also: „ParaNorman“ ist also nicht nur ziemlich originell, optisch üppig-urig, sondern auch clever visionär (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: