THE MESSENGER

THE MESSENGER“ von Oren Moverman (Co-B+R; USA 2008; 105 Minuten; Start D: 03.6.2010); der Debütfilm des am 4. Juli 1966 in Israel geborenen ehemaligen Journalisten und Drehbuch-Autoren, der seit 1988 in New York City lebt, war einer der filmischen Höhepunkte im Programm des BERLINALE-Wettbewerbs des Vorjahres (2009). Bekam dort den „Silbernen Bären“ für das „Beste Drehbuch“, erhielt danach viele weitere internationale Auszeichnungen und wurde mit zwei „Oscar“-Nominierungen (Drehbuch + Woody Harrelson) bedacht. Jetzt also ist er ENDLICH auch bei uns im Kino angekommen. Es ist ein Kriegsfilm „ohne Krieg“. Das heißt, er beobachtet, zeigt, klärt auf, WIE WEIT eigentlich „Krieg“ überhaupt geht/reicht. Bzw. zu gehen vermag, zu reichen vermag.

Sein Name: Will Montgomery. Sein gegenwärtiger Job: Sergeant bei der US-Armee. Will ist gerade vom Kampfeinsatz aus dem Irak zurückgekehrt. Wegen „besonderer Tapferkeit“ wird er ausgezeichnet. Wegen seiner Verwundungen muss er nicht mehr zurück zum Kriegseinsatz. Da seine Militärdienstzeit noch drei Monate dauert, wird Will seinen Dienst „an der Heimatfront“ leisten. Als „Bote“, als „Engel des Todes“. An der Seite des erfahrenen Offiziers Captain Tony Stone hat er fortan den Auftrag, den Familien gefallener Soldaten die Todesnachricht zu überbringen. Korrekt und sachlich. Dabei hat die Uniform gebügelt und geschniegelt auszusehen, und die „dazugehörigen“ Formulierungen müssen klar und sachlich sein. Alles eine Frage von Vorschrift und aufrechter Haltung. Allerdings kommen die Reaktionen der Angesprochenen, der Betroffenen, „nicht so“ zurück, ganz im Gegenteil. Die Reaktionen der Mütter, Ehefrauen und Väter sind beklemmend. Hochemotional. Sie brechen zusammen, bespucken und beschimpfen die Überbringer. Über Will und Tony entlädt sich der ganze Zorn, die Wut über die entsetzlichen Folgen des Krieges. Während Tony Stone auf die akribischen Rituale und deren Einhaltung pocht, ist Will Montgomery „davon“ fürchterlich betroffen. Zudem ist er selbst traumatisiert von den Ereignissen an der Front, wo Kameraden getötet wurden und er selbst „gerade so“ überlebte. Doch wohl oder übel – man muss sich Tag für Tag zusammenraufen, um „den Job“ auftragsgemäß/vorschriftsmäßig zu erledigen. Dabei zeigt sich mehr und mehr, dass der ruppige Captain Tony längst nicht so hartgesotten ist wie er sich gibt und selbst eine ganze Menge seelischer Narben übertüncht. Die Beiden raufen sich zu einer Art „Schicksalsteam“ zusammen. Zumal es gerade „andersrum“ läuft: Als sie Olivia Pitterson die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes überbringen, reagiert die junge Mutter erstaunlich gelassen und gefasst“: „Das muss für sie hart sein“, sagt sie zu den verblüfften Soldaten. Obwohl von Gewissensbissen geplagt, beginnt Will sich für die junge Witwe zu interessieren. Er ist nicht mehr länger fähig, die täglichen Schmerzen abzugrenzen. Was natürlich nun dem „Voll-Soldaten“ Tony überhaupt nicht passt.

Das Trauma von Krieg. Die Außen-Ansichten sind bekannt, in „Tödliches Kommando/The Hurt Locker“ von Kathryn Bigelow (6 „Oscars“ in diesem Jahr, darunter als „Bester Film“) haben wir sie kompromisslos erlebt. Hier nun quasi „Die Fortführung“, im Innern, fernab vom Kriegsschauplatz Irak. Zuhause, im „ruhigen“ Amerika. Wo Menschen nun „Krüppel“ sind. Die „den Krieg“ in Sich nicht mehr abschütteln können. Deren Leben und Lebensqualität sich „verrenkt“ hat. Die wie ordentliche Marionetten regelgerecht funktionieren, die aber seelisch zerstört sind. Und während die äußeren Wunden verheilen, läuft es innen „entgegen“. Kein Schuss fällt, während die Emotionen explodieren. Ein aufwühlender Film. Ein packender Film. Ein „auf die Birne“ spannend, diskutabel hauender Film.

Die drei Hauptakteure spielen großartig. Sind aufwühlend, absolut glaubwürdig. Der 47-jährige Texaner WOODY HARRELSON mimt ja gerne die schrägen, die undisziplinierten, die zwiespältigen, die gespaltenen Figuren. Hat dies ebenso prächtig wie nachhallend in Filmen wie „Natural Born Killers“ von Oliver Stone (1994); „Larry Flint – Die nackte Wahrheit“ von Milos Forman („Goldener Berlinale-Bär“ 1996; „Oscar“-Nominierung für Harrelson) oder als durchgeknallter US-Soldat im Kult-Movie „Wag the Dog – Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“ von Barry Levinson (1997) gezeigt wie auch in den Zuletzt-Streifen „Transsiberian“ (2008), dort mal in einem Charakter-Part, „Zombieland“ und „2012“ (beide 2009). Harrelson zählt zu den Besten seines Fachs. WIE er hier den Prototypen des amerikanischen Berufssoldaten verkörpert, hinter dessen Fassade von Gefühlskälte es sehnsuchtsvoll nach Wärme und Geborgenheit geradezu „wummert“, ist phantastisch. Unter die Haut gehend.

Der 27-jährige BEN FOSTER (neulich die „rechte Hand“ von Bösewicht Russell Crowe in dem Klasse-Western „Todeszug nach Yuma“) überzeugt als sensibler Will-Soldat ebenfalls grandios. Die Britin SAMANTHA MORTON (sie war 1999 in Woody Allens „Sweet and Lowdown“ die schüchterne stumme Hattie, die dem genialen, selbstsüchtigen Jazz-Gitarristen Sean Penn verfällt) brilliert als zurückgenommene Ehefrau, Mutter und Witwe. Gerade weil der Film auf Militärklischees und patriotische Rührseligkeit genauso verzichtet wie auf dumpfe, plakative Kritik, wirkt dieser Film sehr authentisch. Nachvollziehbar. Menschen-spannend. Und ist angesichts der hiesigen Diskussion um Heimkehrer aus Afghanistan von universeller Thematik. Für Woody Harrelson jedenfalls ist „The Messenger“ „kein Antikriegsfilm“, sondern „ein Pro-Peace-Film“, wie er damals auf der Berlinale-Pressekonferenz sagte. Also von globaler Wichtigkeit und Verständlichkeit (= 4 PÖNIs).

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