Melodie des Meeres

DIE MELODIE DES MEERES“ von Tomm Moore/tatsächlich Tomm mit doppeltem m hinten (Irland/Belgien/Luxemburg/Dänemark/Fr 2013-2014; B: Will Collins; Art Direction: Adrien Merigeau; M: Bruno Coulais + die irische Gruppe „Kila“; Song-Interpreten: Lisa Hannigan, Nolwenn Leroy; 93 Minuten; Start D: 24.12.2015); ein Glücksfall von Animationsfilm. Vor fünf Jahren bekam der aus Nordirland stammende Produzent, Autor und Regisseur TOMM MOORE, 38, für seinen Debvüt-Spielfilm „Brendan und das Geheimnis von Kells“ eine „Oscar“-Nominierung in der Kategorie „Bester Animationsfilm“. Mit seinem zweiten Animationswerk, „Die Melodie des Meeres“, gelang ihm dies wieder. 2015 unterlag er – völlig ungerechtfertigt – dem eher bescheidenen Ami-Animationsspaß „Baymax – Riesiges Robowabohu“. „Song of the Sea“ ist ein Meisterwerk!

Der neue Film von Tomm Moore orientiert sich an der Legende der SELKIES. Die in irischen wie schottischen Märchen einen festen Mythen-Platz einnehmen. Dabei handelt es sich um Frauen, die in Gestalt von Seehunden existieren; irgendwann ihr Fell ablegen, um an Land Mensch zu werden. Ihre historische keltische Folklore-Geschichte findet sich auch in anderen Kulturen, in Geschöpfen wie See- oder Meerjungfrauen wieder. Der junge, aufmüpfige Ben und seine kleine stumme Schwester Saoirse sind von ihrer Mutter, einer Selkie, verlassen worden. Werden vom traumatisierten Vater, dem Leuchtturmwärter Conor, auf einer Insel an der irischen Steilküste aufgezogen. Während Ben mit dem Meer vor der Haustür nicht viel anzufangen weiß, wird Saoirse vom Wasser und von den Robben-dort täglich magisch angezogen.

Eine sonderliche Muschel, die die Mutter zurückgelassen hat und mit der man das Meeresrauschen ganz nah hören und auch eine wundersame Melodie spielen kann, ist der Aufhänger für eine faszinierende, ereignisreiche Animationsgeschichte. Denn für die beiden Kinder gilt es, schnell wieder aus Dublin zu verschwinden, wohin sie ihre resolute Oma „zur besseren Erziehung“ gebracht hat. Eigentlich: verschleppt hat. Der Weg zurück, zu ihrer Heimat, zum Vater, zu ihrem Insel-Standort und zu ihrem geliebten Hund, wird zu einem atemberaubenden Unterwasser-Abenteuer mit vielen Fabelgestalten und eigenwilligen Sagen-Wesen. Dabei bekommen sie es mit einer Hexe und ihren Helfershelfern, aggressiven Eulen, zu tun. Doch da ist ja immer noch diese Melodie aus der Muschel, die sich schließlich zu einem imponierenden und wirkungsvollen Lied entwickelt. Was „Auswirkungen“ nach sich zieht.

Diese einzigartige „andere“ Seh-Weise: Fabel-haft. Wunder-schön. Eigenartig. Besonnen: „Irisch“. Als sensationell betörender Blick-Fang. Augen- und Sinne-füllend satt. Der Reichtum der Bilder. Die wie Gemälde triumphieren. Als völliger Gegenentwurf zu vielen hysterischen Effektschlachten und grobem, rohem Materialbrimborium aus den Animationsfabriken Hollywoods. Zauber und Magie beherrschen hier die betörende, bunte Phantasie-Szenerie. Begleitet von einem sensiblen Score, der sich am Schluss mit einem wunderbaren Ohrwurm-Lied sanft-würdevoll stimmig verabschiedet.

„Die Melodie des Meeres“ ist ein melancholisches Familien-Epos mit Charakter, innerer Stärke, köstlich-humorigen Seiten-Figuren, prächtigen Farbkompositionen, atmosphärischer Mythen-Spannung und einer stimmungsvoller Musikalität (vom „Die Kinder des Monsieur Mathieu“-Komponisten BRUNO COULAIS und der irischen Folk-Band „Kila“ einfühlsam arrangiert). Zum Ende des Jahres 2015 bekommen wir „einen der schönsten Animationsfilme aller Zeiten“ („Variety“) in unsere Lichtspielhäuser. Ein Animations-Juwel. Möge der Zuschauer mit ihm sein (= 5 PÖNIs).

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