Mein Herz sieht die Liebe schwarz – Eine Liebe in Kabul

MEIN HERZ SIEHT DIE WELT SCHWARZ – EINE LIEBE IN KABUL“ von Helga Reidemeister (D 2008; 87 Minuten; Start D: 11.02.2010); die 1942 in Halle/Saale geborene Dokumentarfilmerin und „Adolf-Grimme-Preisträgerin“ (für „Von wegen Schicksal“, ihren Abschlußfilm an der Westberliner Filmhochschule/1979) hat sich in der politischen Doku-Scene einen hervorragenden Namen gemacht mit Filmen wie „Mit starrem Blick aufs Geld“ (1983/“Bundesfilmpreis“); „Aufrecht Gehen: Rudi Dutschke – Spuren“ (1988); „Im Glanze dieses Glücks“ (1991/Deutschland nach dem Fall der Mauer) oder „Gotteszell – ein Frauengefängnis“ (2001/1. Preis „Cinema du Réel“/Paris). 2003 drehte sie erstmals in der afghanischen Hauptstadt; ihr Film „Texas-Kabul – Frauen gegen den Krieg“ handelte von „der weiblichen Sicht gegen den Krieg“, dort und im Allgemeinen.

Jetzt hat Helga Reidemeister dort erneut einen Dokumentarfilm gedreht: Eine Liebesgeschichte in Zeiten des Krieges. Der ebenso eindringlich wie nahegehend die „Anonymität“ um menschliche Gesichter und Schicksale aufbricht; der die Konfrontation zwischen überlieferter Tradition-dort und westlichen Demokratiebemühungen hautnah schildert. Dabei stehen keineswegs Kriegsmotive, Kriegsschauplätze, im Blickfeld, sondern Menschen, Einheimische, eine Familie in Kabul. Heute. Am Anfang fängt der Kamerablick „Zerstörung“ ein. Während einer Autofahrt entlang der vom Krieg verwüsteten Metropole Kabuls. Irgendwo ein notdürftig „zurechtgezimmertes“ Haus. Davor ein Mann, schwerstbehindert, auf einem Gestell die regungslosen Beine hinter sich herziehend. Hossein. Durch Granatsplitter querschnittsgelähmt. Invalide. Arbeitsunfähig. Schalma taucht mit ihrer kleinen Tochter Sabna auf. Hossein und Schalma mögen sich seit ihrer Kindheit. Doch ihre persönliche Situation ist an diesem Ort der Welt mehr als „schwierig“: Er kriegsversehrt, Sie zwangsverheiratet. Dennoch sind sich beide darin einig, um ihre Liebe auch gegen den Widerstand ihrer Familien zu kämpfen. Um ein eigenbestimmtes Leben, Eheleben, Familienleben, führen zu können. Was beeindruckt, ist DIE Nähe, die hier durch das ausgiebige, ausführliche Zugehen auf die dort lebenden Menschen entsteht. Jenseits jedweder „anderen Bilder“ aus bzw. über Kabul; abseits der täglichen Foto-Schlagzeilen.

Der Film bietet die Möglichkeit, unmittelbar ihnen zu begegnen, ihnen zuzuschauen, ihnen zuzuhören. Wir haben die authentische Möglichkeit, „in diese Region“ und in das tatsächliche Leben Einzelner dort einzutauchen. Näheres zu erfahren, Authentisches, überhaupt – ernsthaft wie emotional wie ruhig und ausgiebig informiert zu werden. Dadurch eben entsteht kluge NÄHE. An-SPANNUNG, Solidarität, Aufmerksamkeit. Verständnis. Ein humaner Film, mit vielen Facetten, diversen „Ungereimtheiten“ für hiesige Werte-Betrachter, und natürlich „darüber hinaus“ außerordentlich politisch wirkend, wenn es um die desolaten wirtschaftlichen und politischen Zustände in Afghanistan geht. Beachtlich die nüchternen, eindringlichen Bilder vom Kameramann LARS BARTHEL. Dessen viele Großaufnahmen und Nahperspektiven eine besondere „Individualität“, ein spezielles „Teilhaben“, herstellen. Ein interessanter neuer Dokumentarfilm über eine „Ecke der Welt“, die uns „so“ tief – seelisch, politisch, individuell – noch nie angesehen und erreicht hat (= 3 ½ PÖNIs).

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