MÄNNER, DIE AUF ZIEGEN STARREN

Als der heute vorgestellte Film im Frühjahr in die Kinos kam, interessierte sich „keine Sau“ für ihn. Und das, obwohl eine STAR-Besetzung lockte: „Oscar“-Preisträger GEORGE CLOONEY („Syriana“; „Good Night, and Good Luck“); das schottische As EWAN McGREGOR („Trainspotting“); „Oscar“-Preisträger JEFF BRIDGES („Crazy Heart“); „Oscar“-Preisträger KEVIN SPACEY („Die üblichen Verdächtigen“; „American Beauty“). In einer Kriegs-Satire mit „komischem“ Realo-Geschmack und viel Spaß-Köpfchen. Bei der man vergnüglich mitdenken „darf“. Schon der Titel macht neugierig und zählt neben – „Die Beschissenheit der Dinge“ aus Belgien – zu den „geruchsintensivsten“ in diesem Jahr:

MÄNNER, DIE AUF ZIEGEN STARREN“ von Grant Heslov (USA/GB 2009; B: Peter Straughan; nach dem 2004 erschienenen SACHBUCH „The Men Who Stare at Goats“ des 1967 geborenen Walisers Jon Ronso, das hierzulande einst unter dem Titel „Durch die Wand“ herauskam und kürzlich nochmal unter dem deutschen Filmtitel veröffentlicht wurde; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 04.03.2010).

Der am 15. Mai 1963 in Pittsburgh/Pennsylvania geborene Grant Heslov ist sowohl als Schauspieler wie auch als Regisseur, Drehbuch-Autor und Produzent tätig. Hat z.B. 2005 zum vielgelobten Clooney-Film „Good Night, and Good Luck“ das Drehbuch verfasst und den Film auch mit-produziert. Hier nun erzählt er eine sonderbare Geschichte. Die bis in die amerikanischen 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückreicht. In die Epoche des Kalten Krieges. Zwischen der UdSSR und den USA. Bzw. umgekehrt. Offensichtlich konnte damals keine Idee noch so verrückt, bescheuert sein, um sie nicht nicht auszuprobieren. Die Hauptsache: Überlegenheit gegenüber dem Feind. Hier: Dem Sowjet-Feind. Gleich am Filmanfang wird deshalb darauf verwiesen: „In dieser Geschichte steckt mehr Wahrheit als sie glauben“.
Zunächst ist alles harmlos. Ein junger, aufstrebender Journalist, dem gerade seine Ehefrau abgehauen ist und der sie „mit Taten“ wieder zurückgewinnen möchte, Bob Wilton (Ewan McGregor), macht sich 2003 als Kriegsberichterstatter auf den Weg gen Irak. Über Kuwait. Begegnet „merkwürdigen“ Veteranen. Hört von einer früheren Spezialeinheit der US-Army. Der „NEW EARTH ARMY“. Die wurden zu PSYCHO-SOLDATEN ausgebildet. Zu parapsychologischen Spionen. Zu Soldaten „mit Fernwahrnehmungen“. Sozusagen als „Gedanken-Krieger“. Quatsch? Blödsinn? Fantasy-Ausgeburt von ausgeflippten Autoren?: Keineswegs.

Die New Earth Army gab es als „First Earth Bataillon“ in den 70er/80er Jahren tatsächlich. Die US-Army-Führung wollte nichts unversucht lassen, um „zu gewinnen“ und ließ den verrücktesten, völlig unglaubwürdig und sinnlos erscheinenden Ideen freien Versuchstatenraum. So entstand die „Einheit der JEDI-Krieger“. Die „Jedi-Ritter“, das ist bekanntlich eine Gruppe des von George Lucas einst geprägten STAR-WARS-Universums. („Möge die Macht mit dir sein“: Ewan McGregor spielte später in seiner Rolle als Obi-Wan Kenobi in den „Star Wars I-III“-Nachfolgefilmen eine solche Jedi-Figur). Bob trifft auf Lyn Cassady (George Clonney). DER gibt sich als ein solcher, ehemaliger „Jedi“ zu erkennen. Gemeinsam geht es auf eine „neue Mission“ in den Irak. Mit vertrauensbildenden Sätzen wie „Du musst nur deine Bestimmung finden, der Fluß wird dich an dein Ziel tragen“. Bob bleibt gehörig misstrauisch. Er ist ein „Pessi“, der an das „Wachstum im Geist“ nicht glauben kann und will. Dennoch: Sie geraten in Abenteuer, aus denen sie immer wieder „merkwürdig“ wie halbwegs heil herauskommen. Obwohl in den eigenen Reihen, durch den neidischen wie charakterfiesen Militär-Kollegen Larry Hooper (Kevin Spacey), ihre „Mission“ torpediert wird. Hooper war „damals“ schon ein Arschloch und ist es heute noch. Hat den Militär-Guru Bill Django (Jeff Bridges) schon „geschafft“. Auf dem Gewissen. Hat ihn gebrochen. Doch „so ganz“ hat er ihn noch nicht kaputt gekriegt. Also…..
Und die Ziegen? Einmal fällt der Spruch „Das Schweigen der Ziegen“. Nach den Lämmern. Ulkig. Na ja, die Ziege „als solche“ hat hier schon eine besondere, spezielle, traumatische Bedeutung. Im Zusammenhang mit der Suche nach kreativen Lösungen für den amerikanischen Krieg gegen den Terror. Denn, so den abschließende Ironie-Tenor: „Heute, mehr denn je, braucht die Welt den JEDI-Krieger!“ Egal: Damals Vietnam, heute Irak und Afghanistan. Es gibt immer viel zu tun. An vielen „Ami“-Flecken der Welt.

Was für ein feiner SPEZI-Film. Was für eine überdrehte, überhitzte, sagenhaft schön-bekloppte Farce. In der Tradition von Robert Altmans Antikriegs-Satire-Klassiker „M.A.S.H.“ von 1969. Oder dem Kubrick-Spott „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ von 1963. Ein irrationales, proppenvoll-aufgenzwinkerndes New Age-Movie mit durchtriebenem, prima-unanständigem Happening-Appeal. Marke: Wie bekloppt ist eigentlich „Mensch“, wenn es darum geht, Lebenszeit und Lebenssinn maßlos zu vergeuden. Um irgendwo, irgendwie, irgendwann „als Gewinner“ dazustehen. Räumlich wie ideologisch. Und: Wie lächerlich macht sich eigentlich „Mensch“, sobald er in „Uniform“ steckt.
„Männer, die auf Ziegen starren“ ist eine bizarre, intelligente, also SEHR anregende, unterhaltsame Verrücktheit von Komödie. Mit der genau treffsicheren, absurden Balance zwischen „guter Albernheit“ und pfiffigem Parabel-Sinn. Bilderstark vom „Oscar“-gekrönten Kameramann ROBERT ELSWITT („There Will Be Blood“) zubereitet, dabei auf jeden Hippie-Firlefanz verzichtend, sondern ganz auf die Doppelbödigkeit von Motiv und Stoff ausgerichtet. Natürlich, DIE sind hier irgendwie sämtlichst durchgeknallt, aber bitteschön – mit viel süffisantem, originellem Untergrund.

Und DEN herauszukitzeln gelingt dem männlichen Star Ensemble grandios. Clooney und McGregor, das sind „Jedis“ im Geiste von historischen Utopisten wie DON QUICHOTE und SANCHO PANZA, aus dem „Der Mann von La Mancha“-Meisterwerk von Spaniens Nationaldichter MIGUEL DE CERVANTES. Clooney als moderner „Ami-Ritter von der traurigen Gestalt“, als „Spinner“ und nicht aufgebender (Jedi-)Kämpfer, Bob Wilton als ein bodenständiger, ständig alles infrage stellender kritischer Journallje-„Diener“-Begleiter. Mit zunehmendem Lern- wie Emotionspotenzial. Man ist böse-schelmisch in Sachen „neue-alte Super-Soldaten braucht das Land“ unterwegs. Trifft präzise Spott- und Sinn-Ton. Ist körpersprachlich wie charismatisch präsent. Macht sich dabei nie dumm & dämlich zum Affen, sondern reizt clever mit seinem melancholischen, arg ramponierten, verwundeten Moralfinger.
„Männer, die auf Ziegen starren“ ist grandioser, wunderbarer Un-Sinn. Als Klasse Film-Droge. „More Than A Feeling“ singt „Boston“ im Abspann (= 4 PÖNIs).

 

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