Zum 60. Geburtstag von LOUIS MALLE (“Rundschau am Morgen“/30.10.1992)
Louis Malle wird ein 30. Oktober 1932 in Thummeries in Nordfrankreich als 5. Kind einer reichen Industriellen-Familie geboren, die ihr Vermögen mit Zucker gemacht hat. Während des 2. Weltkriegs besucht er zunächst eine Jesuiten-Schule und dann ein Karmeliter-Internat in der Nähe von Fontainbleau. Dort wird er Zeuge jener Geschichte, die 1987 Grundlage für seinen Film “Auf Wiedersehen Kinder“ werden soll. Nach ersten Versuchen mit der 8mm-Kamera erklärt der 13jährige Louis seiner entsetzten Mutter, dass er Filmemacher werden möchte. “Es war“, erinnerte sich Malle später, “als hätte ich etwas Obszönes gesagt“.
Fortan verbringt er seine Freizeit in Kinos, Filmclubs und der Cinemathek Française. Nach dem Abitur studiert er zunächst für 2 ½ Jahre Politologie an der Universität von Paris, wechselt dann aber zur Filmhochschule über, deren Aufnahmeprüfung er 1951 besteht. 1953 verlässt er diese ohne Abschluss. Seine finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht es ihm frühzeitig, eigenständige und unabhängige Entscheidungen zu treffen. Malle nimmt das Angebot von Jacques Costeau an, auf dessen Forschungsschiff “Calypso“ ein Volontariat zu absolvieren. Er bleibt 3 Jahre und wird schließlich Co-Regisseur bei dessen Dokumentarfilm “Die Welt des Schweigens“, der 1956 in Cannes die “Goldene Palme“ gewinnt.
Ein Jahr darauf, Louis Malle ist 24, beginnt er mit den Dreharbeiten zu seinem ersten eigenen Spielfilm: “Fahrstuhl zum Schafott“. Ein schwarzweißer Kriminalfilm, der auf den nächtlichen Straßen von Paris spielt. Jeanne Moreau sucht ihren Liebhaber Maurice Ronet, der ihren Mann ermordet hat. “Kommissar“ Lino Ventura folgt den dunklen Spuren. Ein dramatischer Psycho-Krimi, für den kein geringerer als Miles Davis seine jazzigen Trompeten-Klänge beisteuert. Die Nacht, die Kälte, die Suche der Frau, die Neon-Lichter, die Schatten und dazu diese Musik…: “Fahrstuhl zum Schafott“ wird für Louis in Frankreich zu einem Debüt-Triumph bei Publikum und Kritik. Er bekommt den hochkarätigen Anfängerpreis Preis “Prix Deluc“.
Danach kann er bereits machen, was er will. 1958 provoziert er mit dem erotischen Bestseller “Die Liebenden“, der Jeanne Moreau endgültig zum Star macht und in der Bundesrepublik nur gekürzt zugelassen wird. Malle aber bleibt seiner Philosophie treu: Behält sich schöpferische Pausen vor, wechselt ständig Ideen und Geschichten. 1965 entsteht der Frauen-Western “Viva Maria“ mit Brigitte Bardot und Jeanne Moreau. 1966, nachdem “Der Dieb von Paris“ mit Jean-Paul Belmondo abgedreht ist, beschließt Louis Malle, sein Leben gründlich zu ändern. Er lässt sich scheiden, verkauft Hab und Gut und setzt sich nach Indien ab. Dort entstehen Dokumentarfilme. Erst 1971 ist er wieder bereit, fiktive Stoffe zu akzeptieren. Mit “Herzflimmern“ dreht er die komödiantisch gefärbte Geschichte einer Inzest-Liebe zwischen Mutter und Sohn. 1974 entsteht “Lacombe Lucien“ über einen französischen Kollaborateur im 2. Weltkrieg. “Pretty Baby“ ist 1977 sein erster Amerika-Film. Er wird in Kanada wegen des Themas der Kinder-Prostitution verboten.
Danach macht er unterschiedlich beachtete Filme wie “Atlantic City“ mit Burt Lancaster, “Crackers“ mit Donald Sutherland und amerikanisch-kritische Studien wie “Alamo Bay“ und “God’s Country“. Wieder zurück in Frankreich dreht er “Auf Wiedersehen Kinder“ sowie “Eine Komödie im Mai“. Der ist 1990 eine satirische Abrechnung mit der behäbig gewordenen 68er Generation. Louis Malle ist mit der
amerikanischen Schauspielerin Candice Bergen verheiratet und lebt und arbeitet abwechselnd in Frankreich und Amerika. Sein neuer Film ist soeben fertig geworden und heißt „Damage“.