Leben gehört uns Kritik

DAS LEBEN GEHÖRT UNS“ von Valérie Donzelli (Co-B, D+R; Fr 2010; 100 Minuten; Start D: 26.04.2012); das französische Kino befindet sich derzeit auf spannende Hochtouren. Wie auch dieser neue Film bei uns beweist. Der schon mit seinem Originaltitel „La guerre est déclarée“ irritiert: „Der Krieg ist erklärt“. Wir befinden uns im Jahr 2003, als die USA in den Irak einmarschieren. Eine Radiomeldung informiert das Ehepaar Juliette + Roméo Benaim darüber. Gerade als sie die Krebs-Diagnose für ihren kleinen Sohn Adam bekommen haben. Auch sie erklären umgehend den Krieg. Und zwar dem Gehirntumor ihres anderthalb Jahre alten Sohnes. Shakespeares Tragödie „Romeo und Julia“ steht nicht Pate für unser „Ereignis“, erklären sie, denn – WIR werden siegen. Besiegen. Die Krankheit. Das Schicksal. Abgemacht. Und der Kampf beginnt. Umgehend. Sofort.

Dabei fing alles so einzigartig an. Romeo + Julia. Nennen wir sie jetzt so. Begegnen sich in einer Pariser Diskothek. Es ist Liebe. Tolles Verstehen. Als Adam geboren wird, ist das Glück perfekt. Zunächst. Denn bald steht fest, irgendwas „stimmt“ mit dem kleinen Kerl nicht. Eine schlimme Wirklichkeit zeigt sich. Beide sind sich einig. Die gemeinsame Konzentration auf Adam. Auf seine Behandlung. Seine vielen Behandlungen. Die Heilungschancen sind da. Erst gut, später vielleicht. Dann 10 Prozent. Heißt es. Romeo und Julia gehen „offen“ „damit“ um. Informieren die Familien. Die Freunde. Zerstreuen damit die Dauer-Panik. Und beschließen, „dabei“ auch ihr Leben nicht „ausfallen“ zu lassen. Dieser Gesundheitskrieg ist zwar permanent „anwesend“, soll sie aber nicht (auch) zerstören. Also leben sie mit und in ihm „weiter“. Zwischen Panik, Auflehnung, Hoffnung. An der Seite von Adam. Im Krankenhaus. Wo er die nächsten fünf Jahre verbringt. Verbringen muss.

Happy Ende? Ja. Aber auch nein. Der deutsche Titel signalisiert die Richtung. Ein Film als Befreiung. Außergewöhnlich ungewöhnlich. Nicht als tränenreiches Depri-Drama, sondern „offen“. Mitunter kess. Frech. Ja schwungvoll. Ohne Scham-Kitsch. Mehr bewusst. Kraftvoll. Im Schmerz wie in der Auflehnung. Emotions-wahr. Und klar. Mit warmherzigem Blick. Als überzeugender „Wir können es schaffen“-Wille. Mit und gegen die Angst, gegen die Verzweiflung. Für Adam.

Das muss man sehen. Fühlen. Mitdenken. Erleben. Dieses erschreckungslose „Wohlfühlen“ inmitten täglicher „ewiger“ Tiefe. Wie kommt DAS zueinander? Zusammen? Geht doch gar nicht. Geht doch. „Das Leben gehört uns“ ist eine grandiose, überwältigende Liebesgeschichte innerhalb eines kleinen Kosmos von Familie. Die 39jährige Regisseurin, Co-Autorin und Hauptdarstellerin VALÉRIE DONZELLI, bei uns weitgehend unbekannt, erzählt mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten JÉRÉMIE ELKAIM, der als Co-Autor und Romeo-Darsteller mitwirkt, diese ebenso berührende wie authentische Geschichte. Denn DAS, worüber sie hier unangestrengt wie bildhaft reizvoll erzählen, haben Sie-Beide selbst erlebt. Mit ihrem Kind. Als „Prüfung/Überprüfung des Lebens“, wie es Valérie Donzelli im Presseheft beschreibt. Ihr damaliges Tagebuch bildet die Grundlage und Motivation für ihren ergreifenden, klugen Unterhaltungsfilm: „Ich habe traurige Ereignisse meines Lebens genutzt, um etwas Positives hervorzubringen“. Wie wahr.

Mit diesmal „passender“, sanft-stimmungsvoller Off-Kommentar-Begleitung von einem Mann und zwei Frauen. Wie es ein Francois Truffaut auch getan hätte. An dessen Humanität und Lebensfreude musste ich oft hier denken. Dieser im Vorjahr bei den Cannes-Festspielen erstaufgeführte Film, von Frankreich dann auch im Auslands-„Oscar“-Verfahren angeboten, tritt auf so wunderbar feinfühlige Leicht-Weise der „eigentlichen“ thematischen Schwermut „poppig“ entgegen und wirkt – auch musikalisch, über einen passenden SOUNDTRACK, mit Charme-Chansons, anspruchsvollen Tönen von Laurie Anderson bis zur Vivaldi-Klassik – als herzhafte Hymne auf das Sein. Das Da-Sein. Das es zu schätzen und „zu verteidigen“ gilt. „Sie waren zerstört, doch solider“, heißt es vital am Ende (= 4 PÖNIs).

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