La Paloma Kritik

LA PALOMA“ von Sigrid Faltin (B+R; D 2007; 86 Minuten; Start D: 26.06.2008).

“Ein Wind weht von Süd und zieht mich hinaus auf die See; mein Kind, sei nicht traurig, tut auch der Abschied weh; mein Herz geht an Bord und fort muss die Reise gehn; dein Schmerz wird vergehen und schön wird das Wiedersehen La Paloma – ohe!!“.

Es es ist das meistgespielte, meistgehörte,
meistaufgenommene und meistvervielfältigteste Musikstück überhaupt; die Rede ist von rund fünftausend verschiedenen Aufnahmen weltweit. Der Dokumentarfilm “LA PALOMA“ begibt sich auf die Entstehungs-, Verbreitungs- und vor allem auf die Wirkungsgeschichte dieses populären Schlagers, der in verschiedensten Sprachvarianten zum Welthit geworden ist. Zudem: “La Paloma“ ist eng mit der Geschichte der TONTRÄGER verbunden; es gibt Aufnahmen aus aller Welt, die älteste dürfte um 1900 entstanden sein. Interpreten waren Stars wie Hans Albers, Freddy, Elvis Presley, Julio lglesias, Mireille Mathieu. Und: Entgegen landläufiger Meinung ist “La Paloma“ kein Volkslied oder Traditional im herkömmlichen Sinn, sondern wurde vom Basken SEBASTIAN de IRADIER vermutlich um 1863 in Kuba – für eine mexikanische Freundin – komponiert. Danach trat das Lied seinen Siegeszug um die Welt an.

Davon handelt, davon erzählt dieser
abwechslungsreiche, stimmungsvolle Dokumentarfilm. Denn die Regisseurin begab sich mit ihrem Team auf eine ebenso aufwändige wie kulturell schöne Recherche, mit erstaunlichen wie SEHR unterhaltsamen, informativen Ergebnissen: Egal, wer immer sich wo auf diesem Planeten dieses Lieds annahm, jeder drückte “La Paloma“ einen ganz eigenen Stempel, eine ganz eigene Interpretation auf. Zwar blieben die Melodie und der Sinngehalt von FERNWEH, HEIMWEH, SEHNSUCHT und HOFFNUNG in allen Versionen erhalten, doch der jeweilige neue (Länder-)Text weist auch eine jeweilige andere Emotionalität auf: In Kuba selbst wird “La Paloma“ als “kubanischer Volkssong“ verstanden, wie der Musiker und Musikforscher Helio Orovio erklärt und vorspielt. Der Musiklehrer und Gitarrist Harry Koizumi weiß, wie “La Paloma“ zusammen mit der Gitarre nach Hawaii kam. Wo ELVIS dann, in den 70ern, den Song unter dem Titel “No More“ herausbrachte.

Makame Faki ist auf Sansibar ein bekannter Sänger beim “Culture Musical Club“ und besitzt einen kleinen Plattenladen. An Wochenenden singt er bei Hochzeiten “La Paloma“, denn es soll dem Brautpaar und seinen Gästen Frieden und Glück bringen. Währenddessen wird im rumänischen Banat das Lied bei Beerdigungen gespielt, und in Mexiko gibt die einheimische Star-Sängerin und engagierte Linke Eugenia León dem Lied eine große politische Dynamik: Ihre kraftvolle Paloma-Version beschwört eine Welt ohne Krieg, ohne Einmischung fremder Staaten und ist eine Mahnung, die (amerikanische) Friedens-Taube, die sich an der Landes-Grenze platziert hat, genau im Auge zu behalten.

Doch die Regisseurin Sigrid Faltin liefert nicht nur eine musikhistorisch packende Stoffsammlung, sondern fügt auch tragische wie kuriose Anekdoten zusammen: COCO SCHUMANN, der berühmte 82jährige Berliner Jazzer und einst Mitglied der “Ghettoswingers“ (“Ich bin Musiker, der im KZ gesessen hat. Kein KZ-ler, der Musik macht“), erläutert, wie die Musik ihn in Auschwitz rettete, indem er am Lagertor “La Paloma“ spielen musste, als die Kinder ins Gas marschierten. “Was kann das Lied dafür, dass es missbraucht wurde?“. Um volksnah zu sein, baute der französische Opernkomponist GEORGE BIZET (1838 – 1875) Teile von “La Paloma“ als musikalische Brücke in die Hauptarie seiner Oper “Carmen“ mit ein.

Interessante Gesprächspartner, spannende Kulturorte, unterhaltsame Anekdoten, amüsante Film-Ausschnitte, die vielen musikalischen Interpreten bzw. Interpretationen, faszinierende historische wie gesellschaftliche wie politische
Kultur-Zusammenhänge: Dies hier ist eine kompakte, informative, SEHR unterhaltsame Spurensuche-Fleißarbeit in Sachen Unser-AlIer-“LA PALOMA“ (= 4 PÖNIs).

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