„DER LANDARZT VON CHAUSSY“ von Thomas Lilti (Co-B + R; Fr 2015; Co-B: Baya Kasmi; K: Nicolaus Gaurin; M: Alexandre Lier, Sylvain Ohrel, Nicolas Weil; 102 Minuten; Start D: 08.09.2016); THOMAS LILTI hat am 30. Mai Geburtstag, ist 40 Jahre alt, hat Medizin studiert und abgeschlossen, schuf bereits während seines Studium Kurzfilme. Parallel zu seiner Tätigkeit als praktizierender Arzt realisierte er weitere TV- und Kino-Projekte. Sein Langfilm-Debüt hieß 2008 „Les Yeux Bandés“. 2014 folgte mit „Hippocrate“ sein zweiter Kinofilm, der ihm mehrere „César“-Nominierungen einbrachte: Basierend auf seinen eigenen Erlebnissen als Arzt, erzählt Thomas Lilti darin von den Lehrjahren eines jungen Mediziners. In Kinolangfilm 3, Originaltitel: „Médicin de Campagne“, lautet sein Erzähl-Motto: „Landarzt zu sein, ist kein Beruf, sondern eine Berufung“. Dafür konnte er den französischen Star FRANCOIS CLUZET („Ziemlich beste Freunde“) als Titelhelden und filmisches Zugpferd verpflichten. Cluzet wechselte sozusagen die Seiten: vom Patienten zum Doktor. Spielt Dr. Jean-Pierre Werner, der seit über drei Jahrzehnten mit Leib und Seele in der nordfranzösischen Land-Region Ìl der France als Arzt und Vertrauter tätig ist. Doch dann erreicht ihn selbst die Diagnose: ein inoperabler Hirn-Tumor. Weil sein behandelnder Kollege und Freund weiß, dass Jean-Pierre „trotzdem“ so kräftezehrend weitermachen wird wie bisher, schickt er ihm einfach eine Entlastung ins Haus: Dr. Nathalie Delezia (MARIANNE DENICOURT). Die Mittvierzigerin, davor lange Jahre als Krankenschwester arbeitend, ist natürlich nicht unbedingt erwünscht, erweist sich aber bald als tüchtige Helferin. Für den bockigen Dr. Werner. Und für die Einheimischen, wenngleich die ländliche Patienten-Gesellschaft sich auch zunächst „skeptisch“ über diese personelle Neuerung zeigt. Mit über 1,5 Millionen Besucher war die Hommage an eine aussterbende Berufsklasse im französischen Kino ein Überraschungserfolg. Obwohl Co-Drehbuch-Autor und Regisseur Thomas Lilti weniger auf spektakuläre und mehr auf einfühlsame, nachvollziehbare Motive setzt, wirkt seine Geschichte wirklichkeits- und lebensnah. Sowohl in den „Handgriffen“ wie auch in der real-atmosphärischen Schilderung der Geschehnisse. Benötigt keine dramaturgischen Übertreibungen, um Neugier, Reiz und schließlich Respekt zu erreichen. Ob es aber bedurfte, das präzise Stimmungsbild eines gestressten, aber nie genervten Landarztes um dessen eigene Erkrankung spielerisch „zu erweitern“, sei dahingestellt. Für mich wäre der Film als kompetente wie würdevolle wie unterhaltsame Reverenz an engagierte Human-Menschen in der heutigen Zeit ausreichend genug gewesen. „So“ kommt also zusätzliche Spannung ins dennoch unaufdringlich bleibende Geschehen, und auch in der zunehmenden „Beziehung“ der beiden sensiblen Protagonisten beginnt es langsam zu knistern. „Ich habe eine Art Innenschau betrieben“, sagt Francois Cluzet im Presseheft. Die enorme Einfühlsamkeit der beiden Rampen-Schauspieler und im Übrigen die Glaubwürdigkeit des gesamten Ensembles imponieren ebenso wie der angemessene, behutsame Umgang mit der Musik. „Der Landarzt von Chaussy“ ist, erstaunlich, ein Wohlfühl-Film (= 3 ½ PÖNIs). |
|||