DAS KONZERT

DAS KONZERT“ von Radu Mihaileanu (Co-B + R; Fr/Italien/Belgien/Russland 2009; Co-B: Matthew Robbins; Alain-Michel Blanc; K: Laurent Dailland; M: Armand Amar; Pjotr IljitschTschaikowski; 122 Minuten; dtsch. Kino-Start: 29.7.2010); der am 23. April 1958 in Bukarest als Sohn jüdischer Eltern geborene Filmemacher floh 1980 aus Rumänien, lebte einige Jahre in Israel, bevor er sich in Frankreich niederließ. In Paris absolvierte er ein Filmstudium in den Fächern Schnitt + Regie. Ab 1985 arbeitete er als Regie-Assistent (so z.B. bei John Glen = „James Bond 007 – Im Angesicht des Todes“ und bei Jean-Pierre Mocky = “Ein turbulentes Wochenende“). Sein Erstling war 1993 der in Rumänien realisierte Spielfilm „Trahir“. Gleich mit seinem zweiten Spielfilm gelang Radu Mihaileanu 1998 der internationale Durchbruch: „ZUG DES LEBENS“ („Train de Vie“) erzählte von einer Gruppe jüdischer Dorfbewohner, die während des Zweiten Weltkriegs einen Deportationszug zusammenstellen, sich als Nazis verkleiden, um so fliehen und überleben zu können. 2005 stellte er bei der Berlinale, innerhalb der Reihe „Panorama“, mit „Geh und lebe“ („Va, vis et deviens“) sein 3. langes Kino-Werk vor. Ein äthiopischer Junge wird von seiner Mutter mit gefälschter jüdischer Identität ausgestattet, damit er in die Zukunft nach Israel fliehen kann.

„Le Concert“, in Frankreich mit über 2 Millionen Kinobesucher ein Publikumshit und dort auch mit zwei „Cesars“, den französischen „Oscars“ (für Musik/Armand Amar + Ton), bedacht, handelt auch von Degradierung, verkehrter Identität, vom Nicht-Runterkriegenlassen. Sowie von einer „schönen Rache“. Zugleich ist der Film eine Hymne an den Seelen-Wert von Musik. Vor allem – Tschaikowsky-Musik schließlich. Andrei Filipov (ALEXEI GUSKOV) war einst Dirigent des legendären Bolschoi-Theaters in Moskau, galt als musikalisches Genie. Weil er aber jüdische Musiker in dem Orchester duldete („Zionisten sind Volksfeinde“, lautete die offizielle Parole) wurde er in der Breschnew-Ära der Anfang Achtziger Jahre entlassen. Heute ist der 50jährige immer noch am Bolschoi-Theater, allerdings als Putzmann. Demütigungen sind weiterhin an der Tagesordnung. Als er im Büro seines Chefs, eines bornierten Apparatschiks, auf ein FAX stößt, sieht er SEINE CHANCE gekommen: Das Orchester wird händeringend für einen („Ersatz“-)Auftritt in Paris benötigt. Kurzerhand nimmt Andrei das FAX an sich und bemüht sich fortan, das damalige Orchester wieder „zusammenzuholen“. Was sich natürlich als extrem schwierig herausstellt, denn die einstigen Mitstreiter schlagen sich mittlerweile als Möbelpacker, Handy-Verkäufer oder Taxifahrer durch. Dennoch – Filipov ist von seiner fixen Idee nicht mehr abzubringen. Und „verhandelt“ eifrig mit Paris. Und besteht auf einen Konzert-Mitauftritt der jungen Pianisten Anne-Marie Jacquet. (MÉLANIE LAURENT/“Keine Sorge, mir geht´s gut“; neulich „Inglorious Basterds“) Für die Auflösung dieses emotionalen Familienrätsels wird schließlich die diskrete Taschentuchbenutzung von Nöten.

Eine Art Schwejk-Schwank. Eine absurde Tragikomödie. Eine mit subversivem Humor ausgestattete Tiefgang-Geschichte. Eine mit illustrem Personal versehene subtile Figuren-Posse. Eine fein-melancholische Kitscherei. Was immer Sie wollen, es funkt hier immens. Mit exotischen Figuren, mit exzentrischen Gestrandeten. Ein Urig-Ensemble, vereint in einem Wildwuchs von Sprachgemisch und gesellschaftskritischer Stoff-Kommentierung. Ob der menschenverachtende Kommunismus, diese spitzzüngigen Klischees von saufenden Russen und von diesen überkultivierten französischen Kulturschnöseln, ob das grandiose Karacho von Hochzeitsgelage neureicher Russen oder dieser gestelzte internationale Kulturbetrieb überhaupt, bei dem der Profit weit mehr zählt als die veranstaltete Kunst, das augenzwinkernde Spott-Fett spritzt aus allen ironischen situationskomischen Motiven. Am Schluss verbindet Tschaikowsky und das Konzert für Violine und Orchester alle und alles. Beifall.

Für einen gutmütigen Schwindel. Für einen Spaß über das pfiffige Individuum und die flotte Gemeinschaft. Auf das „interkulturelle Leben“ überhaupt! Mit viel Frohsinn und rabiatem Lächel-Stress. Auf die weltweite (russischstämmige) kulturelle Harmonie-Seele. Bizarr wie human: „Das Konzert“ oder – wenn Poesie tief-wehmütig herumalbert (= 4 PÖNIs).

 

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