KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE

PÖNIs: (4,5/5)

TUT RICHTIG LISTIG GUT. Titel = „KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE“ von Thea Sharrock (GB 2022; B: Johnny Sweet; basierend auf einer wahren Begebenheit; die „Littlehampton Letters“ erregten im Jahr 1920 die Öffentlichkeit und waren Gegenstand einer Debatte im britischen Unterhaus; K: Ben Davis; M: Isobel Waller-Bridge; 101 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.03.2024). Der Vorspann warnt: „Diese Geschichte ist wahrer, als man meinen würde“.

Wenn ein Film so nachhallt wie dieser, darf man sich freuen. Und gerne öfters erinnern. Dem Produzenten Graham Broadbent (von Blueprint) erging es ähnlich. Broadbent begegnete dem Drehbuch offensiv, als es sagte, dass bei der Suche nach wahren Geschichten für Filme „die Wahrheit stets seltsamer ist als Fiktion“. Um fortzufahren: „Wenn jemand in einen Raum käme und sagte, ich habe eine tolle Idee für einen Film über zwei Frauen, sie sind Nachbarinnen , die sich bekriegen, aber sie waren einmal beste Freundinnen, und es geht außerdem um garstige Schmähbriefe und es spielt alles in einer kleinen Gemeinde‘, dann würde man wohl eher mit Achselzucken reagieren. Aber wenn man weiß, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt und sich ein bisschen mit der Angelegenheit beschäftigt und entdeckt, wie extrem die Geschehnisse sind und wie verrückt sich alles entwickelt hat, dann hat man eine Grundlage für die Geschichte, die sich authentisch anfühlt  – oder kurz gesagt: tolle Unterhaltung“. 

Die lebhafte Rose Gooding (JESSIE BUCKLEY) hat wenig mit der frommen Edith Swan (OLIVIA COLMAN) gemeinsam außer dass sie Nachbarinnen in der englischen Küstenstadt Littlehampton in den 1920er Jahren sind. Doch eines Tages erhalten Edith und andere in der Stadt anstößige Briefe, gespickt mit mit gemeinen Beschuldigungen in unflätig-ekliger Sprache, und der Verdacht fällt sofort auf Rose. Die Polizei ermittelt, und Rose droht sogar, das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren. Während die skandalösen, säuischen Briefe weiterhin in der Stadt auftauchen, ahnt nur die junge Polizistin Gladys Moss (ANJANA VASAN), dass etwas nicht stimmt. Zusammen mit einer Gruppe einfallsreicher Frauen versucht Gladys, das Geheimnis zu lüften. Und kriegt es mit der herrschsüchtigen regionalen Männerdomäne zu tun, die auf ihr Vorrecht bestehen, dass Männer alles besser wüssten, was zu tun ist.

Die Hauptrollen „an der Rampe“ werden durch zwei überragende Frauen dargeboten: „Oscar“-Preisträgerin OLIVIA COLMAN („The Favourite – Intrigen und Irrsinn“) und JESSIE BUCKLEY („Oscar-nominiert /2022/“Frau im Dunkeln“). Während als biestiger, ständig ausrastender Edith-Vater Edward der wunderbare TIMOTHY SPALL („Mr. Turner – Meister des Lichts“) kaum seine (Rollen-)Kontrolle als Familien-Chef zu beherrschen weiß. Wunderbar.

„Kleine schmutzige Briefe“ ist ein unerhört faszinierender, mit dann kriminalistischem Wut-Charme ausgestatteter Luxus-Streifen, bei dem es vor allem auch auf die – siehe Titel – tatsächlich schmutzigen „Drecks“-Worte ankommt. Was JESSIE BUCKLEY angemessen zu werten weiß: „Die Sprache funktioniert tatsächlich wie eine eigene Figur. Die Leidenschaft hinter dem, was und wie man es sagt, kann eine ungebundene, losgelöste Qualität haben. Beim Dreh hatten wir viel Spaß mit den vielen unflätigen Sprüchen. ES GIBT NICHTS BESSERES ALS EINEN GUTEN FLUCH: Man wusste immer, dass man einen Volltreffer gelandet hatte, wenn sich die ganze Crew nach einem Spruch den Bauch vor Lachen halten musste“. 

Als dann  – Höflichkeit wird bekanntlich überbewertet;  ein ebenso großes Vergnügen … wünsche ich den Herrschaften … im Kino und dann auch zünftig außerhalb (= 4 1/2 PÖNIs).

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