„DIE KINDER VON PARIS“ von Rose Bosch (B+R; Fr 2009; 120 Minuten; Start D: 10.02.2011); ist (nach „Animal“ von 2005/unbekannt) die zweite Regiearbeit der Autorin und heißt im Original „La Rafle“, „Die Razzia“. Und beleuchtet eines der dunkelsten Kapitel in der französischen Geschichte, das in Frankreich jahrzehntelang „übergangen“, verschwiegen wurde. Am 16. Juli 1942 begannen die französischen Behörden im Großraum Paris mit einer gigantischen Massenrazzia. Im Auftrag der Vichy-Regierung (unter Marschall Pétain), die wiederum in enger Absprache mit der deutschen Besatzungsmacht handelte. Einheimische Polizisten verhafteten – eigenen Unterlagen zufolge – 13.152 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Und brachten sie zum Beispiel in das verlassene Radrennstadion „Vélodrome d´hiver (Winter-Velodrom). Wo tausende Juden bei riesiger Hitze ohne Nahrung, Trinkwasser und sanitären Anlagen ausharren mussten. Zwei Tage dauerte diese Aktion „Operation Frühlingswind“, geleitet von Pierre Laval, einem ranghohen Regierungsmitglied. Von den verhafteten Menschen kehrten nach Kriegsende 25 Erwachsene aus Auschwitz zurück. Alle 4051 verhafteten Kinder starben. Ihnen ist dieser Film gewidmet. Der sich auf einen aufgeweckten kleinen Bengel, auf den 11jährigen Joseph Weismann, konzentriert. Und auf seine Blick- und Aufnahmeweise. Joseph freut sich auf die bevorstehenden Sommerferien Und wundert sich, warum er mittenmal keinen Zutritt mehr zu Kinos, Jahrmärkten und öffentlichen Parks haben darf. Dort, wo jetzt überall „Für Juden verboten“ steht. Der schleichende, aber noch nicht als „bedrohlich“ empfundene Antisemitismus. Was soll so ein kleiner Junge davon ahnen. Wissen. Also genießen Familie und Freunde lieber die bescheidene Idylle im Viertel Butte Montmartre, im Schatten des Sacré Coeur. Die zunehmenden Warnungen über eine bevorstehende Deportation werden in der Familie Weismann nicht ernst genommen („Was können sie uns antun? Wir sind doch zu viele“). Parallel wird von der „Schande“ erzählt. Von den Beratungen der grausamen Politiker. Wie sie in vorauseilendem Gehorsam den Nazis „behilflich“ sein können. Diese „verlangen“ nach Juden, die politische Vichy-Elite will sie ihnen ausliefern. Das Grauen nimmt seinen „amtlichen Lauf“. Das Unfassbare geschieht. Mit übereifrigen Polizisten und plündernden Schlägern. Der widerliche Menschen-Mob. „Die Kinder von Paris“ basiert auf den Erinnerungen von Joseph Weismann, dem es gelang, rechtzeitig zu fliehen und zu überleben. Ist nicht so sehr auf das detaillierte Vorzeigen von Gewalt, Menschenverachtung und Grausamkeiten angelegt, sondern auf Emotionen. Auf die Empörung. In Frankreich. Über die vielen Mitmacher-Landsleute. Über die Schergen. Die Helfershelfer. Über den verborgenen Antisemitismus, der zum Vorschein, zum „Blühen“ kommt. Aber auch: Dass es Helfende gab. Viele. Die beherzt eingriffen. Eine Krankenschwester, ein jüdischer Arzt. Die sich aufopferten bis zum Geht-Nicht-Mehr. Nachbarn, die ihre Nachbarn warnten. Versteckten. In Sicherheit brachten. Oder wenn Polizisten wegschauten. Und Handwerker mit Blanko-Ausweisen „hantierten“. So dass viele entkommen konnten. Der Film ist voll und ganz für ein „Familienpublikum“ ein-/angerichtet. Sowie für eine junge Generation, die „so“ (emotional) besser an das Thema herangeführt werden kann, werden soll, werden muss. Eine differenziertere Offenlegung mag „wertvoller“ sein, hier aber keineswegs nützlicher. Denn das aktuelle Entsetzen über die Historie für VIELE sichtbar, erfahrbar, aufnehmbar zu machen, mit einer Art von „Unterhaltungswert“, war für die Filmemacherin wichtiger als die pure Fakten-, Wut- und Schmerzbestimmung. Dadurch ist „La Rafle“ lange Zeit ein bedrohlich-„leichter“ Film. Auch durch das feine Spiel der Kinder. Um schließlich bildlich umzuschlagen. Barbarisch. Leise schreiend. Entsetzlich. Über die Emotionen Zuschauer „an dieses Thema zu bekommen“; in Frankreich hat das mit über 3 Millionen Kinobesuchern „funktioniert“. Erst das Herz, dann der Kopf, lautet das Motto dieses aufwühlenden Stoffes und dieses ergreifenden Kinofilms. In dem namhafte Ensemble-Akteure wie Jean Reno, Mélanie Laurent, Gad Elmaleh und Catherine Allegret sich dem Anliegen besonnen unterordnen. „Die Kinder von Paris“ ist bedeutsames Kino. Auch für das hiesige Schulprogramm (= 4 PÖNIs). |
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