KILL YOUR FRIENDS

Es gilt, eine Würdigung auszusprechen. Auf das inzwischen zu einem renommierten Genre-Filmfestival angewachsene alljährliche FANTASY FILMFEST. Anfangs als filmische Schrotthalde für Filme verschrien, deren Qualität minderwertig seien, hat sich das 1987 in Hamburg gegründete und alljährlich „antretende“ Filmfest zu einem imposanten wie vielbeachteten (und vielbesuchten) Filmfestival gemausert. „Das Fantasy Filmfest zählt zu den wichtigsten Genrefestivals weltweit“, heißt es bei ‚Wikipedia‘. Und: Dieses Festival „vermehrt“ sich auch hin und wieder. Mit Sonderveranstaltungen. Wie in diesem April, wo es in München, Nürnberg, Berlin, Köln, Stuttgart, Frankfurt und Hamburg heißt: „Fantasy Film Fest Nights“. Und auch: Viele der Filme, die im Programm des Festivals laufen, sind später „bestes Futter“ für unser Heimkino. So wie meine jetzige Empfehlung, die im Vorjahr der Eröffnungsfilm beim 29. FANTASY FILMFEST war:

KILL YOUR FRIENDS“ von Owen Harris (GB 2014; B: John Niven; nach seinem gleichn. Roman/2005; Co-Produzent: Nicholas Hoult; K: Gustav Danielsson; M: Junkie XL; 100 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 18.03.2016).

Der 1968 im schottischen Irvine, North Ayrshire, geborene Autor JOHN NIVEN besuchte die Universität in Glasgow und arbeitete dann zunächst bei verschiedenen Plattenfirmen im Marketing-Bereich und als A&R-Manager. Als „Artist and Repertoire“-Mitarbeiter hatte er sich um den Neueinkauf von Talenten und die Betreuung des Künstlernachwuchses zu kümmern. 1997 lehnte er (bei „London Records“) die Band „Coldplay“ mit der Begründung ab, sie wären „Radiohead“ für Trottel. Anfang des neuen Jahrtausends verließ John Niven die Platten-Industrie und fing mit dem Schreiben an. In seinem 2005 veröffentlichten Roman „Kill Your Friends“ verarbeitete er seine Erfahrungen als A&R-Manager in der Musik-Industrie; das Buch wurde sowohl in Großbritannien wie auch hierzulande ein Erfolg.

Steven Stelfox (NICHOLAS HOULT) lebt 1997 auf der Überholspur des Lebens. Als A&R-Manager beim Musik-Label „Unigram Records“. Dabei erklärt er uns zynisch aus dem Off die Richtung. Dass also im letzten Jahr die britische Musikindustrie über eine Milliarde Pfund eingefahren hat. Die Hitze nach Gewinn mächtig sei. Und er, Steven, ein maßgeblicher Entscheider in diesem profitablen Business sei und zu erkennen vermag, wer eine reelle Chance auf kommenden Erfolg hat und wer nicht. Nach dem Sinn seines Lebens wird er einmal von seinem Assi gefragt: „Feinde vor sich hertreiben und lauschen, wie ihre Weiber jammern“.

Eine Parallelwelt, in der Drugs & Sex & Saufen – beziehungsweise umgekehrt – an der Tages- und vor allem Nachtordnung ist. Dabei kann es passieren, dass du aus der Spur gerätst. Und in Sachen Regel-Salat, eben bestehend aus Drogen, Alkohol, Zielgruppen-Paranoia und panischer Angst, zu falschen Gabel greifst. Ein Irgendwie-noch-bekiffterer-Kumpel-Talent-Kollege das Beförderungsrennen macht. Und du „sauer“ wirst. Weil das doch irgendwie ungerecht ist. Also greifst du zu „unlauteren“, sprich „härteren“ Methoden. Was einen mörderischen Kreislauf in Gang setzt, bei dem der schmale Grat zwischen Noch-Etwas-Anstand & Bösartigkeit und den eigenen Dämonen-Rauslassen kippt. Steven mutiert zum Paranoia-Typ. Mit hippem-Arschloch-Charme. Der schließlich einen abartigen wie manipulativen Amoklauf zelebriert.

Das furchtbare Musik-Business. Von – nur – damals? Als die Geschäfte ausrasteten? Und aus business-liken Kreativ-Furien skrupellose, unmoralische Raubtiere in Menschengestalt wurden? Der Film „KILL YOUR FRIENDS“ hängt bisweilen durch, wenn es „allzu genüsslich“ und zu lang darum geht, uns diese Macher-Schweine vorzuführen. Sozusagen: Der Mist in der Wiederholungsschleife. Wir haben’s längst kapiert. Dann aber kommt die Show in finsteren Schwung: „Stell dir vor, du stehst auf papierdünnem Eis. Unter deinen Füßen siehst du Haie kreisen, schreckliche Haie mit Zähnen aus Injektionsnadeln. Das sind deine Kollegen, deine Freunde“. Doch wer steigt schon gerne aus, wenn er an der unbändigen Lust dieses Systems lange profitabel mit-geschnuppert hat? Und auch der ermittelnde Polizist ist, anstatt vernünftig zu ermitteln, mehr an seinen eigenen Demo-Bändern interessiert als an einer korrekten Aufklärung. „Verbündet“ sich lieber mit „Satan“ Steven.

Eine schwarz-böse Satire. Kontrovers? Allemal. Spannend, aber ja doch. Wie NICHOLAS HOULT, der 2002 den aufdringlichen kleinen Jungen an der Seite von Hugh Grant in „Ablout A Boy oder „Der Tag der toten Ente“ spielte und zuletzt in „Mad Max: Fury Road“ als fanatischer Warboy Nux auftrat, hier den bissig-listigen Business-Haifisch vorführt, ist faszinierende Schurken-Klasse. Abscheulich imponierend. In einem Nebenpart fällt auch unser MORITZ BLEIBTREU auf, mit einer phantastisch-flippigen Performance als „Glücklich-Macher“ und Psycho-Rudi. Absolute Macken-Spitze!

Mit „Kampf-Musik“ von Oasis, Blur, Radiohead, The Prodigy & The Chemical Brothers sowie von Royal Blood. Neulich ist der SOUNDTRACK herausgekommen, bei dem der Indie-Sound der 1990er Jahre um weitere neue Songs ergänzt wurde.

„Fantasy“ mit realem Geschmack: „Kill Your Friends“ ist ein atmosphärischer Trip in die Unterhaltungstonne (= 3 PÖNIs).

Anbieter: „Ascot Elite Home Entertainment“

 

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