Joan Lui Kritik

JOAN LUI“ von und mit Adriano Celentano (B, D + R; It/D 1985; 163 Minuten; Start D: 12.06.1986)

Der Ruf des italienischen Sängers und Schauspielers Adriano Celentano ist schlecht. Im Kino gilt er als müde Parodie auf den einstigen französischen Faxenmacher Fernandel (Don Camiilo“). Natürlich besitzt er Talent, aber wirklich Gebrauch gemacht hat er davon im Kino bislang nur einmal. Das war 1974, als er in Eigenproduktion und in Personalunion Autor, Regisseur und Schauspieler seine chaotische “Yuppi Du“-Spektakelei losließ, die irritierte und reichlich cineastischen Zündstoff hinterließ, jedoch seit Jahren schon nicht mehr zu sahen war. Die Kritik war damals über diesen phantasievollen Ausbruch des
Schlagerfuzzis ebenso entsetzt wie seine Anhänger, und so zog sich Celentano nach diesem Flop schnell wieder auf die gängige Klamottenspielereien zurück, um im Geschäft zu bleiben. 1985 aber probierte er den zweiten filmischen Ausbruch.

Dieser in deutsch-italienischer Co-Produktion hergestellte Streifen sieht sich als eine Art Fortsetzung von “Yuppi Du“ an, ohne diesen etwa zu erwähnen. Celentano, wieder als Autor, Hauptdarsteller, Regisseur und Musik-Sänger-Komponist verantwortlich, erzählt mit einem unsicheren, bombastischen Spektakel vom lieben Gott, der in Gestalt eines zornigen Intellektuellen wieder auf die Erde kommt und vor Wut über die zunehmende Zerstörung derselben ausrastet.

Die Suche nach dem “wirklichen“ Italien wird zugleich zu einer Suche nach dem kaputten, verschollen gegangen Paradies und der lauten, überdeutlichen und rockig vorgetragenen Anklageformulierung gegen die Religion und seine irdischen Vertreter. Gegen die Russen und die Amis, gegen üble Geschäftemacher, Umweltzerstörer und die ganze, dumme, blinde Menschheit, die gerade dabei ist, alles zu beseitigen und zu zerstören, was überhaupt menschlich und lebenswert war.

“Joan Lui“ ist ein wilder Rundumschlag gegen die einstürzende Zivilisation, ist aber zugleich ein Warnschrei in Rock. Diesen teilweise hervorragenden Songs und Texten kommt hier also eine besondere Bedeutung zu, deshalb ist es besonders fahrlässig, sie nicht untertitelt zu haben. Wie man überhaupt den Eindruck haben kann, dass in der deutschen Fassung durch einige unglückliche Schnitte und sprachliche Eingriffe diese Alarmstimmung, dieses italienische „The Day Tomorrow“-Signal, bisweilen entschärft wurde. Dennoch sollten in diesen Tagen an diesem akzeptablen Aufschrei eines offensichtlich Verzweifelten nicht vorübergesehen werden. Celentano’s Werk ist ebenso unterhaltsam wie spannend und kopflastig, ist in seiner Mixtur “Jesus Christ Superstar“ und „Pink Panther“, aus „Phantom im Paradies“ und „Sein oder Nichtsein“ (= 3 PÖNIs).

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