PÖNIs: (3,5/5)
„JAMES BOND 007 – SPECTRE“ von Sam Mendes (GB/USA 2014/2015; B: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth; basierend auf der Roman-Figur von Ian Fleming (*1908 – †1964); K: Hoyte van Hoytema; M: Thomas Newman, Sam Smith/Titelsong; 148 Minuten; deutscher Kino-Start: 05.11.2015); gibt es einen inoffiziellen Film? Gibt es einen offiziellen Film? Nein. Es gibt und gilt ausschließlich: FILM. Ob von „Dem“ beziehungsweise von „Denen“ gemacht, ist wurscht.
SEAN CONNERY hatte als britischer Geheimagent insgesamt (zwischen 1962 bis 1983) sieben Auftritte; GEORGE LAZENBY 1969 einen; ROGER MOORE (von 1973 bis 1985) sieben; TIMOTHY DALTON zwei (1987-1989); PIERCE BROSNAN (1995-2002) vier sowie heuer DANIEL CRAIG (2006-2015) vier. Macht summa-summarum 25 x echtes BOND-Kino. Es gilt also, ein Jubiläum zu annoncieren.
P.S.: Es gab einige Bond-Filmparodien wie 1966 den Flower-Power-Jux „Casino Royale“, von insgesamt fünf Regisseuren (darunter John Huston) hergestellt, in dem auch u.a. WOODY ALLEN als neurotischer James Bond auftrat. DIESER legendäre Quatsch ist natürlich kein Bond-Movie, sondern eine urige Comedy-Klamotte aus dem Genre Komödie.
Apropos Sean Connery: Mit „I have always hated that damn James Bond. I’d like to kill him“, verabschiedet sich 1983 der Schotte mit „SAG NIEMALS NIE“, einer Neuverfilmung des 1965er Bond-Films „Feuerball“, endgültig von d e r Figur, die ihn weltberühmt und zum Star machte. „Sag niemals nie“ ist natürlich ein „mitzählender“ BOND-Film.
Die Nr. 24, der vorletzte Bond-Streifen, war vor drei Jahren „Skyfall“ (s. Kino-KRITIK); Kino-Start war der 1. November 2012. In der Zwischenzeit sind – sozusagen als literarische Appetitanreger vor dem jetzigen Bond-Film 25 – zwei neue Romane mit dem Geheimagenten 007 erschienen: Im Januar 2015 „SOLO“ von dem 1952 in Ghana geborenen Briten WILLIAM BOYD. James Bond, gerade 45 geworden, wird anno 1969 von „M“ in ein kleines westafrikanisches Land – Zanzarim – beordert, um dort den nach Ölfunden entstandenen Bürgerkrieg zu stoppen. Vor einigen Wochen, im September, kam der Roman „JAMES BOND: TRIGGER MORTIS – DER FINGER GOTTES“ des 59-jährigen britischen Schriftstellers ANTHONY HOROWITZ heraus, der im Jahr 1957 spielt; in dem Pussy Galore als barockes Bond-Girl wieder auftaucht (1964: Honor Blackman in „Goldfinger“) und in dem sich 007 ein dramatisches Autorennen mit einem fiesen sowjetischen Agenten auf dem Nürburgring liefert. Spaß-Kino auf Papier. Aber zurück zum Kino:
„SPECTRE“, gesprochen: SPECTER. Die ersten 17 Filmminuten werden in die Filmgeschichte eingehen. Als sensationellster, absolut perfekt choreographierter Bond-Vorspann aller Zeiten; bis zum Opener, mit dem dann einsetzenden Titelsong von Sam Smith: „Writing’s on the Wall“, der eher „unauffällig“ ist im Vergleich zum Adele-Titel-Hit „Skyfall“. Wir befinden uns auf dem Zócalo, dem Hauptplatz im historischen Zentrum der 22-Millionen-Metropole Mexiko-Stadt. Seit 700 Jahren finden hier Hauptstadt-Feierlichkeiten statt, direkt nebenan befinden sich die Reste des „Templo Mayor“, den einst die Azteken für das Zentrum des Universums hielten. Nach mexikanischem Glauben feiert man hier einmal im Jahr den „Tag der Toten“, als „Wiederbegegnung“ mit seinen Verstorbenen. Tausende Menschen sind unterwegs. Unter ihnen auch James Bond (DANIEL CRAIG). In inoffizieller Mission. Seine in „Skyfall“ umgebrachte langjährige Vorgesetzte „M“ (Judi Dench) hat ihm ein Video-Vermächtnis hinterlassen. Dies will und wird er hier erfüllen. Es gilt, einen Schurken namens Marco Sciarra (ALESSANDRO CREMONA) zu jagen, bevor DER ein ganzes Stadion in die Luft sprengt. James erfüllt seine Pflicht. Vermag den Bösewicht mit grandiosem körperlichen wie tollkühnem Hubschrauber-Einsatz zu besiegen und zerstört dabei kurz auch noch ein riesiges Gebäude vollständig. Von ironisch-wegen: Kann schon mal passieren.
Man muss über diese einzigartige, kinematographisch geniale Eröffnungssequenz noch berichten: Der 66-jährige kanadische Produktions-Designer und „Oscar“-Preisträger DENNIS GASSNER („Bestes Szenenbild“ für „Bugsy“/1992) beschrieb im Frühjahr im Magazin „TV Digital“ seine Idee für diese Bond-Ouvertüre: „Ich will etwas schaffen wie Beethovens Fünfte. Der Tag der Toten ist das Da-da-da-da! Und der Film mit seinen kleinen Stückchen an Information ist dann das Da-da-da-da – – – da-da-da-da…“. Und genau SO funktioniert dieser „Spectre“-Start auch: brillant! Phantastisch! D e r Augen-Wahnsinn!
„M“ (RALPH FIENNES) in London ist „amtlich“ stinkesauer. Über die mexikanische Eigenmächtigkeit von 007. „M“ hat derzeit sowieso viel Stress am Berufs-Hals. Ein neues, listiges, hinterhältiges Bürokraten-Arschloch hat sich in seinem Dienst „ausgebreitet“. Max Denbigh (ANDREW SCOTT; in der populären britischen TV-Serie „Sherlock“ als Professor Moriarty schon so wunderbar fies). Mr. Max, Codename „C“, hält die 00-Agenten für überholt, setzt viel lieber auf den totalen Überwachungsmechanismus. Der Auslandsgeheimdienst MI6 soll mit dem Inlandsdienst MI5 zusammengetan werden, „M“ winkt der Ruhestand. Da die technischen Mittel perfektioniert sind, kann man doch gleich vom Schreibtisch aus „handeln“, lautet seine George Orwell-„1984“-Maxime. In Zusammenarbeit mit 9 weiteren internationalen Geheimdienst-Hochkarätern. Wozu dann noch diese Doppel-Nullen? Im teuren Außeneinsatz?
Derweil ist Bond natürlich schon wieder unterwegs. Trifft in Rom die Witwe des von ihm beseitigten Marco Sciarra, erlebt einen One-Night-Stand mit der appetitlichen Lucia Sciarra (MONICA BELLUCCI), bevor er sich ganz auf seinen neuen Helden-Weg konzentriert. Es gilt, seinen uralten Erzfeind Ernst Stavro Blofeld aufzuspüren, der offensichtlich an dieser Vernetzung im Sinne von Welt-Kontrolle „ganz vorne“ mitmischt und die totale Überwachungsarie für seine kriminellen Machenschaften und Weltführer-Ambitionen zu (be-)nutzen gedenkt. Dabei stößt Bond auf dessen geheime Terror-Organisation „Spectre“, die mit dem Oktopus-Logo, die bekanntlich seit 1959 in vier Romanen von Ian Fleming vorhanden ist und in nunmehr acht Bond-Filmen auftaucht. Doch wer ist eigentlich dieser schelmisch-fiese Franz Oberhauser (CHRISTOPH WALTZ), der mehr und mehr auftaucht und übel mitmischt?
Etwas beruhigend für 007 ist, dass – trotz eigentlichem Wider-Willen – der junge, pfiffige MI6-Quartiermeister Q (BEN WHISHAW) und die loyale „M“-Assistentin Eve Moneypenny (NAOMI HARRIS) ihn unterstützen. Obwohl auch sie von „C“ abgehört und traktiert werden. Der Trubel kann beginnen. An mondänen Welt-Stätten wie – nach Mexiko-City – Rom, London, in den österreichischen Alpen und in Marokko. Die Show endet schließlich auf, über und an der (phantastisch ausgeleuchteten) Themse.
Der 25. BOND-Film ist gut, aber keineswegs überragend. Wie etwa „Skyfall“. Er erwähnt den damaligen Anfang mit „Casino Royale“, die Beziehung von James mit Vesper Lynd (Eva Green), die sich das Leben nahm; bezieht sich auf den exzellent-exzentrischen Fall „Ein Quantum Trost“ und setzt schließlich „Skyfall“ fort, um die schurkischen wie privaten James-Dinge zu klären. Es ist nicht unbedingt nötig, aber wenn man die drei Craig-007-Filme davor kennt, ist es einen Tick verständlicher.
Ansonsten aber halten sich (kleine) Einwände und Genuss die kritische Waage:
1.) „Spectre“, eine mutmaßliche 300 Millionen-Dollar-Produktion, wurde von der hiesigen Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) „ab 12 Jahren“ freigegeben. Was offensichtliche Auswirkungen hat. Wir sehen zwar immerhin 148 Minuten Bond-Kino (einschließlich rund 10-minütigem Nachspann), aber das ist mit Sicherheit längst nicht komplett-alles. Beispiel: Die als „ältestes Bond-Girl“ bezeichnete, attraktive 51-jährige MONICA BELLUCCI hat einen eher harmlos-züchtigen 6 Minuten-Intim-Auftritt mit James; was die „umfangreichen“ erotischen Ankündigungen vorher ad absurdum führen; da muss man wohl auf das wahrscheinlich ergänzende „intime“ DVD-Blu ray-Bonusmaterial demnächst setzen.
2.) „Ab 12“ bedeutet auch – kaum viel Blut, keine „Folgespuren“ (im Gesicht) bei James nach knallharten Action-Szenen, zum Beispiel im Zug oder nach der „Behandlung“ von Blofeld, man will „Jugend“ nicht verschrecken; auch hier kann und wird höchstwahrscheinlich „Bonus“ einige Wunden „nachliefern“.
3.) Bin zwiegespalten beim Diesmal-Ober-Bösewicht Christoph Waltz; der hat bisweilen den Charme eines (zu) viel quatschenden intellektuellen Kobolds, wirkt mitunter affektiert als kultivierter Narzist; übertreibt sein Overacting (= immer noch eins draufsetzen auf seinen Part); erreicht nicht die „drastischen“ Qualitäten eines „Goldfinger“ Gert Fröbes oder eines dämonischen „Blofeld“-Donald Pleasence in „Man lebt nur zweimal“/1966. Erinnert aber als stilvoller Folterer auch an den „liebevollen Zahnarzt“ Laurence Olivier, der 1976 Dustin Hoffman in „Der Marathon Mann“ unvergessen malträtierte, besser: quälte.
4.) Die Mädels – nachdem die dunkelhaarige Monica Bellucci bedauerlicherweise schnell filmisch „abgehakt“ ist, wird das Zuseh-Leiden bei der blonden LÉA SEYDOUX („Blau ist eine warme Farbe“) enorm. Dermaßen blass, farblos, un-sinnlich, also wenig sexy-überzeugend, war eine Bond-Partnerin selten. Oder noch nie. Als Dr. Madeleine Swann ist sie nur eine hübsche öde Kleiderstange. Dabei: „Spectre“ ist möglicherweise der Abschied vom Daniel Craig-Bond, und dass er nun mit ihr schlussendlich in den Liebes-Ruhestand abtauchen soll … nee = definitiv unakzeptabel.
5.) ABER – natürlich ist die Choreographie der Action-Szenen furios; sind die Bilder-Motive in den jeweiligen Landschaften grandios; bekommt das Geschehen einen aktuellen Ansatz beziehungsweise eine hochinteressante Denk-Bilanz von wegen kompletter Weltweit-Daten-Erfassung. Motto: Digital heißt/bedeutet = die Waffe der Zukunft.
6.) …ist DANIEL CRAIG einmal mehr ein Typ BOND, der bestens in diese Unruhe-Zeit passt: Abgeklärt, jederzeit bereit mit konsequenter kämpferischer Brutalo-Härte „zu argumentieren“; weit weg von Untertanen-Chemie; ausgestattet mit einer Kälte-Ironie, die besticht; aber, mit 47, nun auch bereit(er), genüsslich (noch) mehr zu trinken und sich auch emotional durchaus „auszupowern“, wenn sich Gelegenheiten und Zwischen-Zeiten ergeben.
7.) Bekommt der eigentliche Bürohengst und neue „M“ – Ralph Fiennes – endlich auch mal die Gelegenheit, sich handfest zu betätigen; mit sichtbaren Schrammen im Gesicht.
8.) Wird die familiäre Bond-Herkunft, nach „Skyfall“, noch mehr intensiviert, also ausgebreitet, weiter zurück erzählt; mit einer durchaus dann knackigen familiären Spitzen-Pointe.
9.) Überwiegt beim 25. BOND der Spannungs-Spaß um ein vieles gegenüber den genannten Schwächen.
Fazit: „SPECTRE“, ein unterhaltsames neues BOND-Spektakel ist kino-like zu annoncieren (= 3 1/2 PÖNIs).
P.S. II: Derzeit ist der britische Geheimdienst auf der Suche nach neuen Rekruten. Der Zeitpunkt dafür ist nicht zufällig gewählt. Man glaubt, dass der Kino-Start von „Spectre“ dem MI6 eine Flut von neuen Interessenten beschert. Was für eine wahre Schluss-Pointe!
Allerdings – „Bonds“ werden nicht gesucht.