Jack und das Kuckucksuhrherz Kritik

JACK UND DAS KUCKUCKSUHRHERZ“ von Mathias Malzieu & Stéphane Berla (Fr/Belgien 2013; B: Mathias Malzieu, nach seinem Roman „Die Mechanik des Herzens“; Original Grafik-Design: Nicoletta Ceccoli; M: Dionysios; 94 Minuten; Start D: 03.07.2014); ich darf es freudig wiederholen – auch WIR in Europa vermögen großartige, phantasievolle Animationsfilme herzustellen. Erst kürzlich galt es, aus Belgien „Das magische Haus“ gründlich zu loben (s. Kino-KRITIK), jetzt stellt sich wieder ein prächtiger und gegenüber PIXAR & Co. aus den USA absolut konkurrenzfähiger, weil sehr berührender neuer Kino-Streich vor. Nach einem schon begeisternden Roman, der am 22. Oktober 2007 in Frankreich herauskam und dort dann mehr als 20 Wochen in den Bestsellerlisten zu finden war. Im Juni 2012 erschien er unter dem Titel „Die Mechanik des Herzens“ bei uns.

Es war das dritte Buch des am 16. April 1974 in Montpellier geborenen Musikers, Sängers und Schriftstellers MATHIAS MALZIEU. Er ist Sänger in der von ihm 1993 mitgegründeten Rock-Gruppe Dionysos, die auch für die wirkungsvolle Musikalität hier verantwortlich ist, und fungiert zugleich als Debüt-Regisseur. Gemeinsam mit dem Musikvideo- und Werbefilmregisseur Stéphane Berla.
Und: Filmisch geht bekanntlich in Frankreich seit langem nichts ohne den kreativen Luc Besson. Dem Tausendsassa des einheimischen wie auch internationalen Kinos. Hier hat er seiner Frau, VIRGINIE BESSON-SILLA, die sorgfältige Produktion überlassen.

Es ist der 16. April 1874. Im schottischen Edinburgh ist es dermaßen kalt, dass sogar Vögel im Flug erfrieren und vom Himmel fallen. Ausgerechnet an einem solchen extremen Kälte-Tag schleppt sich eine junge Frau hochschwanger in Richtung Haus auf einer Bergspitze. Findet Rettung von Madeleine, in Persona Hausbesitzerin und Hebamme. Jack kommt auf die Welt. Mit einem gefrorenen Herz. Kurzentschlossen ersetzt die Wirtin den herzigen Eisklumpen durch eine Kuckucksuhr. Und, weil die Mutter verschwunden ist, kümmert sie sich fortan, gemeinsam mit ihren liebenswürdigen Schwestern und einem Faktotum namens Joe, um den Jungen.

DER wächst auf und muss für sein Überleben vor allem drei Regeln kapieren wie akzeptieren: die Finger von den Uhrzeigern lassen; niemals die Beherrschung verlieren und vor allem – sich nie zu verlieben. Dann würde die Uhr außer Rand und Band geraten und ihn töten. Wie aber soll das „für immer“ gehen? An seinem 10. Geburtstag erfüllt sich endlich Jacks sehnlichster Wunsch, er darf in die Stadt. Dort hört er und trifft dann die bezaubernde wie singende wie kurzsichtige Drehorgelspielerin Acacia. Sein Herz rast. Als er wieder zu sich kommt, ist sie verschwunden. In der Schule, in die Jack sich nun freiwillig begibt, hofft er sie wiederzufinden. Vergeblich. Stattdessen wird er von einem eifersüchtigen Acacia-Rivalen ständig malträtiert. Als nichts mehr hilft, Jack sich wehrt und dabei den Klassen-Rabauken verletzt, muss er, mit Unterstützung durch seine Ersatzfamilie, fliehen. Vor der anrückenden Polizei.

Das Abenteuer Leben beginnt. Für Jack. Den kleinen Großen. Der seine Acacia „überall“ suchen will. Um sie zu finden, wird er ganz Europa durchqueren, dabei dem eigenwilligen Illusionisten (und baldigen Filmpionier) George Méliès begegnen, der ihn begleitet und berät, um schließlich nach Jahren auf einem Jahrmarkt in Andalusien zu gelangen, wo er in einer Geisterbahn landet und IHRE Stimme draußen vernimmt.

Was für ungewöhnliche Bilder- und Motiv-Welten tun sich hier hin- wie mitreißend auf. In bisweilen außergewöhnlich faszinierenden 360 Grad-Kamerafahrten um diese spindeldürren Figuren mit ihren überragenden Köpfen herum. Mal ganz konventionell durchleuchtet, mal surreal umwoben. Erinnernd an die Animationskunst eines Henry Selick („Nightmare Before Christmas“) oder an die phantastische Stop-Motion-Trickkunst von Tim Burton („Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“). Mit cineastischen Magie-Verweisen, die vom lustvollen Federico Fellini bis zum kargen Jim Jarmusch reichen. Begleitet von stimmungsprächtigen Klängen, mit den morbiden Songs der Regisseurs-Band Dionysos.

„Jack und das Kuckucksuhrherz“ ist ein wunderbarer, hochemotionaler Poesie-Streich. Als Motiv-Arie. Und Liebes-Krimi. Und nicht zuletzt ist dieser Animationsfilm auch eine faszinierende Hommage an den KIN0-Entdecker George Méliès. Motto: Diese herrlichen laufenden Bilder. Bestehend aus diesen vielen liebevoll animierten Details. Inmitten einer (alp-)traumhaft düsteren Märchen-Atmosphäre.

„Jack et la mécanique du coeur“ ist kein reines Kinder-Vergnügen, sondern ein trickreiches wie begeisterndes Gaukler-Spiel für erwachsene Kinder (= 4 PÖNIs).

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