JACKIE BROWN

PÖNIs: (4/5)

Man muss sich das in etwa “so“ vorstellen: Ein Schriftsteller hat in jungen Jahren bereits d e n Roman seines Lebens veröffentlicht. Oder: Ein Maler malt gleich zu Anfang seiner vielversprechenden Karriere d a s Erfolgs-Bild überhaupt. Der 1963 in Knoxville/Tennessee geborene und in Los Angeles aufgewachsene QUENTIN TARANTINO schuf im Alter von 31 Jahren mit seinem Film “PULP FICTION“ (s. Kino-KRITIK) d a s Werk, mit dem er nicht nur berühmt wurde, sondern das fortan auch mit all seinen weiteren Filmen verglichen wird. Glaubte man bis 1994 tatsächlich, im Kino wirklich alles schon einmal gesehen und gehört zu haben, so musste man diese Meinung nach “Pulp Fiction“ revidieren: Der Autor und Regisseur Tarantino bereicherte das Genre-Kino um vielfache und originelle Neu-Einfälle. Seine Zutaten dabei: keine erzählerische Chronologie, keine Psychologie, keine schnelle Moral. Die phantasievolle Methode hatte Erfolg: Aus 8 Mio. Dollar Produktionskosten wurden schnell über 250 Mio. Dollar Einnahmen – weltweit.

Nach “Pulp Fiction“ war Quentin Tarantino bald der einflussreichste Regisseur in Hollywood. Und natürlich waren alle mächtig neugierig und gespannt, was Tarantino als Nächstes drehen würde. Aber er ließ sich Zeit. Werkelte ein bisschen als Autor, Schauspieler und TV-Serienregisseur herum und ließ sich in Talk-Shows sehen, bevor er endlich an die Arbeit zu seinem nächsten Kinofilm ging. Der nun heißt:

„JACKIE BROWN“ von Quentin Tarantino (B + R; nach dem gleichn. Roman von Elmore Leonard/1992; USA 1997; K: Guillermo Navarro; M: schwarzer, populärer Pop/Blues/Soul; 154 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.04.1998). Er vertrat die USA u.a. beim diesjährigen Berlinale-Wettbewerb im Februar.

Und: Wer ein Remake von “Pulp Fiction“ oder eine Art Fortsetzung erwartete, wird enttäuscht: “Jackie Brown“ ist “ganz anders“ und doch wieder so ein “typischer Tarantino-Film“ geworden.

Jackie Brown, so heißt eine in die Jahre gekommene, schwarze Stewardess in Los Angeles. Jackie Brown ist 44, vorbestraft, ohne Anhang. Um das karge Gehalt bei einem mexikanischen Shuttle-Dienst aufzufrischen, führt sie ab und an Schwarzgeld für einen schurkischen Waffenhändler mit und ein. Als aber die Bundespolizei dahinter kommt, lässt sie sich “umdrehen“.

Fortan läuft ein raffinierter Tanz auf dem Vulkan. Motto: jeder mit jedem bzw. jeder gegen jeden. Ganz wie es die Situation verlangt. Obenauf aber immer: Jackie Brown. Die sich ihr Altersgeld “verdienen“ möchte. Drumherum: der böse schwarze Mann und seine zumeist weißen und nicht sehr cleveren Adlaten. Zu denen übrigens auch der Ganove Louis Gara gehört. Ein von ROBERT DE NIRO mit stoischer Gelassenheit interpretierter Schmalspur-Knacki.

Der Film “Jackie Brown“ basiert auf dem Roman “Rum Punch“ von Elmore Leonard. Deutscher Roman-Titel = Film-Titel. Leonard, nach dessen Western- und Krimi-Romanen schon zahlreiche Hollywoodfilme entstanden – z.B. “Man nannte ihn Hombre“ mit Paul Newman oder neulich “Get Shorty“ mit John Travolta -‚ zählt zu den Lieblings-Schriftstellern von Tarantino. Hier aber übernahm er nur die Bausteine des Romans und fügte als Drehbuch-Autor eigene, neue Reiz-Elemente ein. Die da lauten: diesmal keine großen Action-Bewegungen, diesmal nicht das stilisierte Blutbad, diesmal nicht die verbalen Auswüchse, sondern: volle Konzentration auf die Personen/die Charaktere/die Typen.

“Jackie Brown“ ist ein popartiger Schauspieler-Film. Mit PAM GRIER in der Haupt- und Titelrolle: einer Ikone aus schwarzen Action- und Billigstreifen der 70er Jahre. Die hier als weibliches Kraftbündel ein glanzvolles Comeback feiert. Ihre bemerkenswerten Stichwortgeber heißen immerhin Samuel L. Jackson, Michael Keaton, natürlich De Niro und auch Bridget Fonda sowie ROBERT FORSTER, ebenfalls ein bis dato längst in Vergessenheit geratener Kino- und TV-Serienheld aus früheren Jahrzehnten. Ähnlich wie einst hierzulande Rainer Werner Fassbinder verbeugt sich Tarantino offensichtlich “damit“ vor seinen Idolen aus den Jugend-Filmjahren.

“Jackie Brown“, das ist eine unterhaltsame Pop-Symphonie in Moll, das ist ein cooler, schwarzer Krimi mit viel stimmungsvollem, traumatischem Erinnerungsschmalz. Von QUENTIN TARANTINO (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: