„IS‘ WAS, DOC?“ von Peter Bogdanovich (Co-B + Produktion + R; USA 1971; Co-B: David Newman; Robert Benton; Buck Henry; K: László Kovács; M: Artie Butler; 94 Minuten; 94 Minuten; Start D: 21.09.1972).
„Diesen Film zu machen, war eine verrückte Sache. Wir hatten zwei Superstars unter Vertrag und kein Drehbuch. Und wir mussten innerhalb von zwei Monaten mit den Dreharbeiten beginnen. Es war verrückt und es ging ganz prima. Wir hatten gute Autoren, Glück mit der Besetzung der Rollen, und nun glaube ich, das ist ein lustiger Film geworden.“
In der Tat, was da Regisseur Peter Bogdanovich behauptet, ist auch so, es ist ein lustiger, ein sogar sehr lustiger Film geworden. Und Filme, die lustig sind, wo man unverkrampft lachen, herzhaft nur so lachen kann, sind Seltenheit. Und wer lacht nicht gerne? Dabei ist die Verwechslung mit gleich aussehenden Koffern nichts Neues, jedenfalls auf der Kino-Leinwand. Unzählige Male sind schon Koffer oder andere Gegenstände verwechselt worden und bildeten Ausgangspunkt für einen heiteren Spaß. Hier ist es ebenfalls ein Koffer, nein, es sind ja drei. Oder waren es gar vier? Auf jeden Fall sind die Inhaber höchst verschieden: Pentagon-Geheimpapiere, geklaute Juwelen, geologische Steine. Und um den Besitzer des letztgenannten Koffers, dem hübschen, aber so weltfremden Musikologen Howard Bannister (RYAN O’NEAL) geht es. Er selbst versteht von allem alles und nichts, er sitzt am Tisch und sagt höflich und bescheiden nach College-Art: “Hilfe!“ – “HILFE“!
Bogdanovich hat die Figur der BARBRA STREISAND (als Judy Maxwell) mit der schönsten Begabung ausgezeichnet, nämlich in jeder Lebenslage die schlimmsten Situationen zu provozieren, Katastrophe auszulösen.
Bsp. 1= Ziellos schlendert da dies Mädchen durch die Straßen von San Francisco und bleibt vor einem Restaurant stehen, in dem Pizzas direkt im Schaufenster gebacken werden. Bewundernd sieht sie dem Koch zu, der den Teig geschickt mit der Pfanne in die Höhe schleudert, sie wendet und dann wieder auffängt. Dreißig Sekunden folgt sie dem Weg der Pizzas in die Luft und zurück in die Pfanne mit ihrem Blick. Da wird der Koch erst aufmerksam, schließlich nervös. Die nächste Pizza fliegt hoch und jawohl, genau wie Sie jetzt vermuten — bleibt weg. Irgendwo oben in der Luft, an der Decke oder sonst wo. Bedauernd zuckt Barbra die Schultern, überquert die Straße. Ein Wagen bremst, zwei andere fahren auf, sie hat nichts gemerkt.
Bsp. 2= Sie nimmt im Zimmer des zerstreuten Musikologen ein – zugegeben – unerlaubtes Bad, Was entwickelt sich daraus? Bannisters Verlobte tobt vor der Tür. Bannister stellt den Fernseher an, um sie von seinem weiblichen Besuch abzulenken. Ein Portier wird gerufen, Barbra muss vors Fenster auf ein schmales Sims, die Türe wird aufgebrochen. Die Verlobte, ein Drachen, tobt weiter, während draußen ein Kofferdieb (oder ist es der Detektiv?) auf dem schmalen Sims mit Barbra zusammenprallt. Die Verlobte tobt. Barbra rutscht ab und hängt nur noch mit einer Hand am Sims. Der Dieb verliert die Balance und stürzt durchs Glasfenster in Zimmer. Bannister reißt das TV-Kabel ab, der Apparat explodiert, der Vorhang brennt. Die Verlobte schreit. Ein Kellner öffnet Sektflaschen. Feuerwehrleute schlagen die falschen Zimmertüren ein und dann alles kurz und klein, Die Verlobte schreit. Bannister sieht bestürzt in die Gegend und denkt “Hilfe“.
Bsp.3= Verfolgungsjagd dreier Autos durch enge Straßen. In einer ruhigen Straßenecke steht ein Monteur auf einer sechs Meter hohen Leiter und bringt da oben ein Spruchband an. Er steht mitten auf der Fahrbahn. Unter ihm tragen zwei Männer eine Glasscheibe von beachtlichen Dimensionen über die Straße. Da kommen die Wagen in halsbrecherischem Tempo an. Dem ersten entgehen die Männer mit der Glasscheibe erschrocken durch einen kleinen Schritt. Der zweite verfehlt sie knapp und streift die Leiter, ohne dass irgendetwas passiert. Für den dritten gibt es keinen Weg mehr, der noch frei wäre. Da braust der Fahrer genau unter der Leiter durch ohne sie auch nur zu berühren. Die Glasscheibe scheint gerettet. Der Schreck freilich bringt den Mann auf der Leiter in eine langsame Schaukelbewegung, von der die Männer mit der Glasscheibe nichts bemerken. Er schaukelt mehr und mehr, kippt, die Leiter bleibt stehen, der Mann donnert mitten ins Glas, Und ins Gras.
Vielleicht sind Sie jetzt enttäuscht. Sie meinen, das ist nicht meine Art von Humor. Dann möchte ich Ihnen sagen, dass Sie gar keinen Humor mehr besitzen. Humor ist eine menschliche Regung, eine Gestik der inneren Befreiung vom Zwang so zu sein, wie man nicht ist, aber sein muss. Deshalb legt Humor ein bisschen auch Seelen-Persönliches frei.
Dieser Film hat diesen menschlichen, befreienden Humor. Er ist in keiner Szene Klamotte oder Dumm-Quatsch, er besitzt und strahlt dieses herrliche Gefühl aus, Humor. Haben Sie Humor ?(= 5 PÖNIs)?