Auf die Frage, warum er denn seinen neuen Kinofilm nicht in seiner Heimat, sondern in Frankreich spielen lässt, antwortete der finnische Autoren-Regisseur Aki Kaurismäki anlässlich der Premiere von „Le Havre“ im Frühjahr beim Cannes-Festival: „Niemand ist so verzweifelt, dass er nach Finnland kommen will“ (aus SPIEGEL 36/2011; Kritik von Martin Wolf). Ein neuer, geradezu sensationeller Dokumentarfilm hat es dennoch „gewagt“, sich auf den Weg nach Finnland zu begeben. Dort, „Position: 61 Grad 14’O6,54 Nord, 21 Grad 28’55,39 Ost“, auf der Insel Olkiluoto, entsteht ONKALO. Übersetzt: Das Versteck. Ein gigantisches Bauwerk. Als weltweit erstes und bislang auch einziges ENDLAGER für ATOMMÜLL. Der dänische Klangkünstler und Regisseur MICHAEL MADSEN hat sich mit einem Team aufgemacht, dies vor Ort filmisch „festzuhalten“. In einer stilistischen Art und Weise, die etwa einem Meisterwerk von Stanley Kubrick („2001“; „Shining“) faszinierend wie spannend wie gedanklich dauerpackend nahekommt. Sozusagen – als ein MUSS-Movie von einzigartiger Dokumentarfilm-Qualität: „INTO ETERNITY – Wohin mit unserem Atommüll“ von Michael Madsen (B+R; Dänemark/Finnland/Schweden 2010; K: Heikki Färm; M: u.a. von „Kraftwerk“,“Radio…-Aktivität“ 75 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 26.8.2011); „ein Film für die Zukunft“. „Into Eternity“, also: „Für die Ewigkeit“. „Du musst dich fernhalten, dann bist du sicher“, sagt die Stimme (von Michael Madsen) eingangs. Und: „Wenn wir Erfolg haben, wird Onkalo das am längsten haltende Überbleibsel unserer Zivilisation sein“. Das Thema brennt. Buchstäblich. Tatsächlich. Wahrhaftig. Erst hat der Mensch das Feuer entdeckt und für sich genutzt. Dann fand er ein neues Feuer. Für den immer größeren Energiebedarf. Aber: Dieses geht nun nicht mehr auszulöschen. Einfach SO. Zudem: Dieses neue Feuer ist immens gefährlich. Denn es vermag auch zu zerstören. Alles zu zerstören. Menschen, Pflanzen, Tiere. Die ganze Erde. Zwischenlager wurden errichtet. Um „die Reste“ dieses Feuers namens Atom „erst einmal“ halbwegs gesichert unterzubringen. Aufzubewahren. Für Endlösungen in der Zukunft. Zwischen 200.000 und 300.000 Tonnen Atom-Müll existiert heute. Weltweit. In Finnland haben sie angefangen, sich heute für ENDGÜLTIGE Lösungen KONKRET zu interessieren. Im 20. Jahrhundert haben sie deshalb begonnen, Onkalo zu entwickeln. Zu bauen. Im 22. Jahrhundert wird es voraussichtlich fertig sein: Dieses riesige, tief in die Erde, tief in den Fels gehauene ellenlange Tunnelsystem. In dem der finnische Atommüll endgelagert werden soll. Für mindestens 100.000 Jahre!!! Denn so lange „dauert“ diese lebensgefährliche Strahlung dieses radioaktiven Abfalls: 100.000 Jahre! Weil es oberirdisch keine stabilen Bedingungen gibt, weil dieser Atommüll auch nicht ewig im Wasserbecken aufbewahrt werden kann (wie bisher), haben sich Forscher, Wissenschaftler, Experten, Politiker und Manager zusammengetan, um eine Art moderne Pyramide zu bauen. Hier in Nordeuropa. Pyramiden wurden bekanntlich vor 5000 Jahren errichtet und sind heute noch stabil, Onkalo wird also für mindestens 100.000 Jahre geplant. Aber – wie plant man „die Zukunft“??? Wie „informiert“ man „DIE Zukunft“, wenn das Bauwerk fertiggestellt ist? Hält dieses überhaupt allen von Menschenhand oder Naturkräften verursachten kommenden Katastrophen stand? Wie zum Beispiel einer Eiszeit? Wie schützt man die Zukunft vor einem eventuellen Heran-/Hereingehen in diese „bedrohliche“ Stätte? Kann, wird „die Zukunft“ überhaupt unsere Sprachen und Zeichen verstehen? Begreifen? Geht DAS überhaupt, dass man heutzutage ein Bauwerk für eine solch lange „Überlebenszeit“ plant? Planen kann? Seriös? Verantwortungsbewußt? Als „Rundum-Szenario“? Nachdem der Vorschlag, den Müll einfach in eine Rakete zu verladen, die dann in die Lüfte hochgejagt wird, um sie von der Sonne verglühen, also verbrennen/vernichten zu lassen, doch als „abwegig“ erkannt wurde??? Der Film arbeitet sich gedanklich in 6 Kapiteln durch: Atommüll; Zwischenlager; Die Dauerlösung (+ Zeitleiste); Menschliches Eindringen, Warnung an die Zukunft sowie Das Gesetz. Dabei werden bestimmte Experten ruhig wie eingehend und vor allem Laien-VERSTÄNDLICH befragt, und antworten auch „so“, während „nebenan“ die Bilder Thriller-Charakter ausstrahlen. Ausatmen. Wenn diese gigantischen Rohre, dieser gespenstische Maschinenpark, diese riesigen Schläuche und einzelne „Handwerker“/Arbeiter bei der „merkwürdigen“ Verrichtung auftauchen. Währenddessen alle möglichen wie unmöglichen Ideen, Berechnungen, Vorstellungen, Vermutungen, Wagnisse, Zweifel, Erkenntnisse, Visionen vorgestellt, angesprochen werden. Zwischen Hoffnung und Ratlosigkeit. Michael Madsen ist, wie er im Bonusmaterial-Gespräch erklärt, Filmliebhaber. Fühlte sich hier „inspiriert“ durch Filme von Michelangelo Antonioni („Liebe 1962“) oder Jean-Pierre Melville („Der eiskalte Engel“). Und zwar in der Form, wie bei denen „visuelle Präzision“ und „der architektonische Raum“ genutzt wurde. Und genauSO geht auch ER vor: Wie in einem düsteren Neon-Krimi. Mit langen, neugierigen Blicken. Auf diese „unheimlichen“ Maschinen. Und den „Aktionen“. Als käme in jedem Moment etwas „ganz Bedrohliches“ aus dem Dunkel und würde „Schlimmes“ veranstalten. Zeitlupenhaft schleicht sich die suchende, auflösende Kamera (von HEIKKI FÄRM) „stimmungsvoll“ in diese unterirdische Grabstätte. Durch dieses finstere, unheimliche Labyrinth. Das Ganze wirkt bisweilen wie eine „große, mächtige Zivilisations-Oper“, ebenso tiefgründig wie hochemotional, in der sich eine Art „mystisches Endspiel der Menschheit“ abzuspielen scheint. Mit heroischen Bewegungen und passendem Klang. Motto: Wenn „dies Hier“ nicht klappen, funktionieren sollte, wenn wir keine halbwegs „brauchbaren“, praktischen Lösungen für den Umgang mit diesen gewaltigen Mengen von Atommüll zustandebringen, wird der Planet Erde früher oder später sterben. Ausgelöscht. Weil total radioaktiv verseucht. Verwüstet. Signalisiert der Film. Stellt aber auch lapidar fest: „Wollen wir, dass die Chinesen und Inder in den nächsten 20 Jahren unseren Lebensstandard erreichen, dann brauchen wir jeden Tag drei neue Kernreaktoren“ (Michael Madsen). Einem spannenderen DENK-THRILLER habe ich lange nicht mehr dermaßen fasziniert, „angemacht“ zugesehen. Zugehört. „Into Eternity“ ist – nach „kürzlich“ Fukushima und „neulich“ Tschernobyl – ein brandaktueller cooler Info-„Schocker“. Aufwühlend, informativ, spannend. Anbieter: „Pierrot Le Fou“ |
|||