ICH FÜHL MICH DISCO

PÖNIs: (4/5)

„ICH FÜHL MICH DISCO“ von Axel Ranisch (B + R; D 2012; K: Dennis Pauls; M: Andreas Schulz; Gesang: Christian Steiffen; 95 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.10.2013); nerven Sie auch nicht oft (und immer öfter) diese ewig glatten, schönen, also „schön-gebauten“, also „hergerichteten“ Personen im Kommerzkino? Wie im Fernsehen? Auch in der Werbung? Diese ständige Repräsentanz einer unsäglichen, „jugendlich-dynamischen“ FRATZENKULTUR? Da ist es doch eine Wonne, mal etwas andere „Heros“ sehen, erleben, genießen zu dürfen. In einem Klasse-Film. Von einem pummligen Autoren und Regisseur, über DEN es im Presseheft gleich oben heißt: „AXEL RANISCH, geboren 1983 in Berlin als dickes Kind zweier Leistungssportler“. Schon ist man ebenso neugierig-hellwach wie amüsiert-interessiert. Dabei ist der 30-jährige keineswegs ein Unbekannter; im November 2012 hatte er mit seinem Debütfilm „Dicke Mädchen“ einen originellen Kino-Erfolg (s. Kino-KRITIK). Was damals witzig als Home-Movie begann, wird nun „gesteigert“.

Mit diesem ebenfalls außerordentlich kessen, humorvollen und stimmungsvollen Sensibel-Movie um zwei flockige übergewichtige Typen. Hanno & Florian. Vater & Sohn. Es sind Ferien und der pubertäre „Flori“ wird von Mutter Monika in der Wohnung fein-„ausgeputzt“ in Laune versetzt. Mit den Songs des geschätzten Schlagerfuzzis CHRISTIAN STEIFFEN. Der musikalisch eingangs gleich die schräge Stimmungsrichtung vorgibt: „Ich wünschte, ich fiel in ein Sommerloch / Schliefe in der Höhle eines Bären / Ja, ich sehne mich so sehr: nach SEXUALVERKEHR“. Da geht aber so etwas von die „Tanzpost“ ab. Im Wohnzimmer. Bis Papa von der Arbeit kommt. Er, der Turmspringertrainer, möchte seinen Sohn lieber als Motorroller-Fahrer-Kerl sehen, denn als verkleideter Weichling. Florian, in dessen Kinderzimmer der Wandslogan „Dicke Kinder sind schwerer zu kidnappen“ neben einem Poster von Christian Steiffen hängt, ist gekränkt. Zieht sich in seine Tagträume und zu seiner verständigen Mama zurück. Doch DIE kann eines schlimmen Morgens nicht mehr zwischen ihren beiden Männern vermitteln. Erleidet einen Schlaganfall. Liegt im Krankenhaus im Koma. Fortan muss Hanno mit Florian auskommen. Und umgekehrt. Was sich zunächst als gar nicht so einfach erweist. Zumal es Florian zu einem seiner Meisterschüler, Radu, emotional hinzieht. Auch das noch? Nö. Papa Hanno will tolerant sein. Was aber alles noch mehr verkompliziert. Aber da hängt ja immer noch diese Disco-Kugel an der Decke, und Christian Steiffen, der John Travolta aus Osnabrück, das Arbeiterkind mit österreichisch-ungarischen Temperamentswurzeln, ist für „tönende Ratschläge“ immer präsent: „Das Leben ist nicht immer nur / Pommes und Disco / Das sage ich dir / Manchmal ist das Leben einfach nur: eine Flasche Bier“. Na also. Beziehungsweise: Warum denn auch nicht: Locker ist immer besser als verkrampft.

Schämen ist nicht: Ein deutscher Film, der Spaß macht. Ohne Schenkelklopfer. Oder Körpernässe. Oder Furzgeräusche. Seinen stillen Humor amüsant verbreitet. Mit urigen Typen. Die nicht dusslig herum zu grölen brauchen, um sich mitzuteilen. Deren „Empfindlichkeiten“ lächelnd wie super-verständig ankommen. In ihrer ironischen Doppelbödigkeit urkomisch wie wahrhaftig überzeugen. HEIKO PINKOWSKI, schon in „Dicke Mädchen“ der gutmütige Füllige, besitzt auch hier wieder eine vergnügliche Körpersprache, um sich behutsam mitzuteilen. Als Papa verunsichert zu positionieren. Wirkt hinter seiner ultragroßen Brille mit den extrem großen Gläsern wie ein knuffiger Teddybär mit späterem Durchblick. FRITHJOF GAWENDA als Sohn Florian, der sich charmant „zu orientieren“ versucht in seinen ersten Erwachsenenübungen, hält unverkrampft gut mit. Beide sind köstlich in ihren Verletzungen. Wirken überzeugend in ihrem leisen Seelen-Stress. Für die ohrwürmige Extremlaune sorgt dann dieser CHRISTIAN STEIFFEN, der seit 2008 tatsächlich öffentlich unterwegs ist, mit seinen herrlichen Proll-Schlagern. Wie „Arbeiter der Liebe“. Oder eben „Ich fühl mich Disco“. Vorsicht: Songs wie Film besitzen eine enorme Ansteckungsgefahr. In Sachen Unterhaltungssog. Axel Ranisch hat’s wirklich schon wieder dufte Film-drauf (= 4 PÖNIs).

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