Hasta la Vista Kritik

HASTA LA VISTA“ von Geoffrey Enthoven (Belgien 2011; 120 Minuten; Start D: 12.07.2012); also „PFLÜCKE DAS LEBEN“ – dem Erfolg des französischen Films „ZIEMLICH BESTE FREUNDE“ (mit rd. 8 ½ Millionen Kinobesuchern allein bei uns bis heute) ist es zu verdanken, dass jetzt vermehrt neue europäische Filme unsere Kinos erreichen, die es „ansonsten“ sehr viel schwerer hätten, hierzulande Beachtung zu bekommen. Aufmerksamkeit zu finden. Solch ein weiteres exquisites Beispiel ist diese belgische Produktion, die sogar themenverwandt mit dem französischen Großerfolg ist. Und ebenso wie DER auf wahren Begebenheiten beruht.

Sein Name: Asta Anthony Philpot. 1982 in Miami/Florida geboren, seit Jahren in Leeds in Großbritannien lebend. Asta Philpot ist seit seiner Geburt behindert. Leidet an einer angeborenen Form der Gelenksteife. Philpot plädiert für das Recht auf ein aktives Sexualleben von Behinderten und machte sich 2006 mit zwei weiteren Behinderten-Kumpels auf in das Bordell „El cielo“ im spanischen Punta del Mar, das auf die Bedürfnisse von Behinderten ein-/ausgerichtet ist. Begleitet wurde er von einem Kamerateam der BBC, das „daraus“ dann den Dokumentarfilm „For One Night Only“ schuf.

Der 37jährige flämische Regisseur Geoffrey Enthoven, der in seinem vorletzten (vierten) Spielfilm „Meisjes“ 2009 von drei Omas erzählte, die unter dem Damoklesschwert ihrer Alzheimer-Krankheit Rhythm & Blues „veranstalten“ wollen, verbindet hier – nach einem gescheiten Drehbuch von Pierre De Clerq – Sentiment mit Humor. Wut mit Hoffnung. Tabu mit Würde. Sie sind Freunde: Philip (ROBRECHT VANDEN THOREN), Lars (GILLES DE SCHRYVER) und Jozef (TOM AUDENAERT). Philip ist vom Hals ab gelähmt, Lars ist krebskrank und sitzt im Rollstuhl, Jozef ist fast komplett blind. „Wir möchten nur ein einziges Mal auf eigenen Beinen stehen“, lautet ihr dringlichster Wunsch. Und allein eine gemeinsame Reise antreten. Offiziell getarnt als Gourmet-Tour entlang der französischen Weinstraße, insgeheim aber nach Punta del Mar. Wo sie ihre Jungfräulichkeit endlich „ablegen“ wollen. „Sex ist gut gegen Krebs“, behauptet Lars. „Muss denn alles immer bleiben wie es ist“, motiviert sich Jozef. Der agile Blinde. Anfangs sind ihre pflegenden Familien auch einverstanden. Dann aber erleidet Lars einen Rückfall. Auf keinen Fall, lautet nun das Votum Zuhause. Dennoch machen sich die Drei auf den Weg. Heimlich. Gemeinsam mit Claude, keinem, wie eigentlich vermutet, Pflege-Fahrer, sondern einer, wie sich bald herausstellt, ausgebufften und anfangs (verständlicherweise) ziemlich mürrischen Telebusfahrerin (ISABELLE DE HERTOGH). DIE besonders vom rotzigen Auftreten und den drastischen verbalen Beleidigungen von Philip viel „abbekommt“. Bis untereinander endlich „Klar Schiff“ herrscht, sind eine ganze Menge (An-)Spannungen mit wechselhaften Stimmungen und praktischen „Ausfälle“ zu überwinden. Abzuarbeiten.

Kein Schönwetter-Film. Vielmehr eine mit vielen wichtigen, betroffen machenden (realistischen) Beiläufigkeiten versehene wunderbare Menschen-Geschichte. Über „die Härte“ vom Miteinander. Von Hoffnung und Anerkennung. Auf Selbstbestimmung. Auf das volle „Setzen“ von Freundschaft. Solidarität. Mitgefühl. Vom allgemeinen wie individuellen „ES“ zulassen: Wir sind so, also sind wir. So.
„Hasta la Vista“ besitzt tragikomische Herzwärme. Und viel rüpelhaftem Charme. Kommt völlig ohne doofe Derbheiten, Klischees und Schmuddelwitzen aus. „Gelingt“, weil die drei „normalen“ Schauspieler in ihren Behinderten-Rollen „erschreckend“ überzeugen. Ohne Übertreibungen „sensationell“ auftrumpfen. Laut wie leise. In ihrer schwierigen, engen Körpersprache. So dass nie über sie, sondern stets mit ihnen geschmunzelt, gelacht werden kann. Ein begeisterndes Darsteller-Trio. Die ihren Film zu einem beeindruckend unverkrampften, hochemotionalen Denk-Spaß werden lassen (= 4 PÖNIs).

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