„GRÜNER WIRD’S NICHT, SAGTE DER GÄRTNER UND FLOG DAVON“ von Florian Gallenberger (C-B + R; D 2017; Co-B: Gernot Gricksch; nach dem gleichn. Roman von Jockel Tschiersch/2015; K: Daniela Knapp; M: Enis Rotthoff; 116 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.08.2018); dieser Film hat mir wirklich gefehlt. Ganz ehrlich und in POSITIVEM Sinne! Ich habe gerade von all dem Chemnitzer Scheiß mit Nazi-Demos und Populisten-Geschreie die brachiale-mediale Schnauze total voll. Da kommt „Der 100jährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ in der deutschen Version mit einem Ü 65er gerade so was von recht. Gute Unterhaltung wird aktuell immens gebraucht.
FLORIAN GALLENBERGER, geboren 1972 in München; zwei Jahre später kam Reinhard Mey mit seinem Hit und Bald-Klassiker „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“ heraus. Diese Ballade stand Pate für diesen Film (ohne dass sie hier musikalisch auftaucht). Florian Gallenberger ist „Oscar“-Preisträger, bekam die begehrte Trophäe 2001 für seinen Studenten-Kurzfilm „Quiero ser“. Danach schuf er Spielfilme wie „John Rabe“ in China (2009/s. Kino-KRITIK) sowie „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ in Chile (2015/s. Kino-KRITIK). Mit seinem neuen Film trifft er vortrefflich Herz (= Gefühl) und Sinn (= Märchen-Verstand).
ELMAR WEPPER, geboren am 16. April 1944 in Augsburg, weniger bekannt als sein älterer Bruder Fritz Wepper. Elmar Wepper hat sich immer viel zu sehr in TV-Serien und in Synchronstudios aufgehalten, „zurückgezogen“, wo er u.a. Mel Gibson, Gene Wilder oder die Figur Chekov in der TV-„Star Trek“-Serie und in den „Star Trek“-Kinofilmen sprach. Doris Dörrie hat ihn 2007 in ihrem Film „Kirschblüten – Hanami“ einmal als großartigen Charakterdarsteller präsentiert; wie jetzt endlich auch mal wieder: Florian Gallenberger. In dessen Film Elmar Wepper einen grantelnden bayerischen Gärtner namens Schorsch Kemptner vom Tegernsee mimt. Der Betrieb steht vor der Insolvenz, die Ehe mit Monika (MONIKA BAUMGARTNER) ist längst „ausgelaufen“; die mündige Tochter würde lieber Kunst studieren als den abgewirtschafteten Familienladen zu übernehmen. Als der Gerichtsvollzieher auftaucht und ihm sein „allerliebstes Spielzeug“, sein rotes Propeller-Flugzeug, wegzunehmen beabsichtigt, kriegt Schorsch „den Koller“. Haut einfach fliegend ab. „Über den Wolken“ fühlt er sich bedeutend wohler als eben-erdig, und zum Nordkap wollte er schon immer mal. Doch es gibt „Unterbrechungen“, erst landet er in Schwaben, bei ganz vornehmen Leuten (köstlich: SUNNYI MELLES & ULRICH TUKUR), die sogar eine Therapie wegen ihrer „renitenten“ Tochter Philomena (hinreißend: EMMA BADING) gemacht haben, die sich nun aber dem Oldie Schorsch („…das ist doch kein Name, sondern ein Geräusch“) anschließt, um endlich einmal aus diesem Adels-Muff herauszukommen. Die weitere Zwischenstation ist Sylt, mit der herrlich quirligen Lesben-Oma von Philomena, um sich dann in weitere Höhen aufzuschwingen, was notgedrungen zu einem Fliegerhorst ins brandenburgische Oderbruch führt. Wo Hanna (DAGMAR MANZEL) die resolute Regentin ist.
„Grüner wird’s nicht…“ triumphiert mit einem saustarken, prima fein-mundigen Klasse-Ensemble; zerkitscht sich in keiner – märchenhaften – Episoden-Phase, sondern weiß klug und clever mit viel pointiertem Schwung zu erzählen. Auch ohne viele Worte, denn über die Gesichter und die zurückhaltende Körpersprache wird ungemein viel schmunzelnd „berichtet“. Es menschelt unverkrampft und völlig unangestrengt, ohne doof herumzualbern, ganz im Gegenteil: Wie ELMAR WEPPER seinen „Flüchtigen“ anlegt, ist angenehm sparsam angelegt und höchst unterhaltsam. Langeweile ist bei diesem lebendigen Film ein Fremdwort, es bedeutet ein außerordentliches emotionales Vergnügen, sich mit diesem Humor-sanften Lebens-Flieger und seinen Abenteuern einzulassen. „Du schaust anders aus“, meint die Tochter nach seiner Rückkehr.
Dazu, unbedingt auffallend: Wunderschöne Cinemascope-Bilder vom Landschafts-beeindruckenden, Augen-intensiven DeutschLAND von Oben.
Eigentlich müsste dieser humane, spaßige, charmante Überraschungsstreifen aus Frankreich stammen, denn „solche Themen“ zählen ja vorrangig zum atmosphärischen französischen Wohlfühl-Kino. Dass ein deutscher Film auf „französisches Niveau“ zu steigen vermag, ist hier die eigentliche Verblüffung und Groß-Freude (= 4 1/2 PÖNIs).