PÖNIs: (4,5/5)
„GRAN TORINO“ von und mit CLINT EASTWOOD (USA 2008/116 Minuten; B: Nick Schenk, Dave Johansson; K: Tom Stern; M: Kyle Eastwood, Michael Stevens, Jamie Cullum; deutscher Kino-Start: 05.03.2009); was soll man über IHN noch sagen – ER ist der gegenwärtig BESTE aktivste Oldie Hollywoods. Er wird am 31. Mai diesen Jahres 79 Jahre alt und dreht immer noch einen Klasse-Film nach dem anderen. Was als Cowboy-Darsteller in einer langjährigen TV-Western-Serie begann („Rawhide“/1959 – 1965/217 Folgen; deutscher Titel: „Cowboys“), mit den Sergio-Leone-Meisterwerken „Für eine Handvoll Dollar“, „Für ein paar Dollar mehr“ und „Zwei glorreiche Halunken“ kinomäßig zwischen 1964 und 1966 startete, führte ihn schließlich – über seine berühmt-berüchtigten „Dirty Harry“-Auftritte in den 70-ern („Make My Day“) – zu d e m Superstar im amerikanischen Kino. Vor wie dann auch HINTER der Kamera. CLINT EASTWOODhat bislang in 45 Spielfilmen die Hauptrolle gespielt; hat seit 1971 29 Spielfilme inszeniert (plus drei TV- und Dokumentarfilme); war seit 1982 Produzent von 23 Spielfilmen und 4 Dokumentarfilmen; war seit 1969 an 14 Filmen auch als Soundtrack-Komponist, Songwriter oder Sänger beteiligt. Seit 1968 tauchte er 21-mal auf der Liste der 10 kommerziell erfolgreichsten Schauspieler auf, die einmal jährlich von „Quigley Publications“ erstellt wird (nur John Wayne wurde dort öfters, nämlich 25-mal, erfasst). Er ist 4-facher „Oscar“-Preisträger als Regisseur und Produzent (1993: „Erbarmungslos“; 2005: „Million Dollar Baby“; jeweils sowohl für „Beste Regie“ wie auch als „Bester Film“). Am 29. Februar 1996 erhielt Clint Eastwood den „Life Achievement Award“ für „sein einmaliges Lebenswerk“ als Schauspieler, Regisseur und Produzent. 2007 wurde er in Paris „zum Ritter der Ehrenlegion“ ernannt (Staatspräsident Jacques Chirac überreichte den Orden), und kürzlich erhielt er – 3 Monate vor dem Auftakt zum Filmfestival von Cannes – die Ehren-„Goldene Palme“.
Diese besondere Auszeichnung außerhalb des Wettbewerbs ehrt „das Talent eines großen Meisters auf dem Höhepunkt seiner Kunst“, wie der Cannes-Festival-Präsident Giles Jacob am 26. Februar 2009 anlässlich der Überreichung der „Palme d`Or“ während einer privaten Feier im Pariser Restaurant „Le Fouquet“ erklärte. Nur wenige Wochen nach dem hiesigen Kinostart seines Meisterwerks „Der fremde Sohn“ (mit Angelina Jolie) kommt nun also der nächste filmische Eastwood-Hammer in die Kinos. Zugleich mit ihm – erstmals wieder seit „Million Dollar Baby“ (2004) – in der Hauptrolle. „Gran Torino“, Anfang Januar 2009 in den USA angelaufen, bescherte ihm, mit 29 Millionen Dollar Kinokassen-Einnahme, das beste Einspielergebnis seiner Regie-Karriere an einem Start-Wochenende in den USA. Mittlerweile hat sein Film über 135 Mio Dollar in den USA eingespielt.
Offensichtlich hat der 78-jährige den Nerv des amerikanischen Zeitgefühls getroffen: „Gran Torino“, der Titel, der an blühende Zitronen denken läßt, verweist auf einen Oldtimer-Auto-Klassiker, auf einen Straßenkreuzer von Ford, Baujahr 1972. DER befindet sich, dunkelgrün und blank-poliert, in der Garage von Walt Kowalski im heutigen Detroit. Walt, Veteran des Korea-Krieges und Automobilarbeiter im Ruhestand, hat gerade seine Ehefrau beerdigt. Die beiden Söhne leben ihr eigenes Leben, mit den Enkelkindern kann der störrische Alte wenig anfangen. Wie ebensowenig mit seinen „neuen Nachbarn“ im Highland Park, einem ehemals besseren Wohnviertel, in dem sich jetzt vorwiegend viele Immigrantenfamilien angesiedelt haben. Kowalskis einzige Zuneigung gilt seinem Hund Daisy und dem akribisch gepflegten Oldtimer in der Garage. Ansonsten hegt er einen rechten Groll gegen alle(s) und jeden. Insbesondere verachtet er die vietnamesische Einwandererfamilie im Nachbarhaus. Als jedoch ausgerechnet der Nachbarjunge Thao von einer Jugendgang gezwungen wird, diesen „Gran Torino“ aus der Garage zu klauen, beginnt eine entscheidende Veränderung im Leben des Walt Kowalski. Zwangsläufig kommt er mit den „verhaßten Nachbarn“ und der „fremden Kultur“ in Kontakt und Beziehung, fängt an zu begreifen, besser zu verstehen, und stößt dabei auf einen „aktuellen Krieg“, direkt vor seiner Haustür. Walt, am Ende seines Lebens angekommen, erkennt, dass diese Auseinandersetzung nicht mit Gewalt lösbar ist und lässt sich eine unerwartete, aber höchst wirkungsvolle Antwort einfallen.
Natürlich sind die aktuellen Polit-Parallelen unübersehbar/unüberhörbar: Der amerikanische Chauvinismus hat sich überlebt. Wenn man so will, ist „Gran Torino“ der erste „Obama-Film“. Der alte Macho, mit den Immer-Noch-„Dirty Harry“-Chiffren, und seine Seelen-Wandlung. „Man ist nie zu alt zum Lernen“, signalisiert Eastwood, und ist dabei ebenso mürrisch wie weise. Auch mal über den „eigenen, privaten, individuellen Tellerrand“ hinausschauen. Das Drama unterstreicht, dass die Angst vor Fremden hauptsächlich aus Unkenntnis entstanden ist/entsteht. Wenn sich aus seinem Rassisten nach und nach ein Mensch herausschält, der Verständnis und Zuneigung entwickelt, ist das weder plump noch peinlich noch unglaubwürdig, sondern ganz im Gegenteil plausibel, überzeugend, wahrhaftig. Nicht mehr länger Feindbilder aufbauen, sondern Vernunftslösungen anstreben, DAS verheißt „amerikanische Zukunft“. WIE Clint Eastwood dies mit den packenden Mitteln des Unterhaltungskinos aufregend-anregend erzählt, ist alles andere als politisch korrekt, ist bärbeißig, auch in der „Gegenüber“-Figuren-Beschreibung von Verrohung, Brutalität, Gewaltbereitschaft ungeschönt-direkt und vor allem sprachlich wüst-realistisch. „Gran Torino“ greift Vorurteile und Ressentiments auf und führt sie brillant ad absurdum. Dass ausgerechnet ein Erz-Konservativer schließlich nach einer „besseren (Moral-)Ordnung“ strebt und Gewalt als Lösung ablehnt, irritiert spannend wie angenehm. Der alte Haudegen Eastwood ist immer noch für Überraschungen gut und ein Garant für das mit zur Zeit Beste Amerikanische Sinn-Kino (= 4 1/2 PÖNIs).