PÖNIs: (4/5)
„GONE GIRL – DAS PERFEKTE OPFER“ von David Fincher (USA 2013/2014; B: Gillian Flynn, nach ihrem gleichnamigen Roman; K: Jeff Cronenweth; M: Trent Reznor, Atticus Ross; 145 Minuten; Start D: 02.10.2014); es ist einer der härtesten Anti-Ehe-Filme überhaupt, das schwedische Drama „Szenen einer Ehe“ aus dem Jahr 1973. Von Ingmar Bergman. Gedanklich wie physisch wie seelisch das pure Sezier-Massaker über die in die Jahre gekommene „wahre Partnerschaft“ von MANN und FRAU. Seit zehn Jahren verheiratet, nun nur noch verbittert. In gegenseitigem Hass verbunden.
GILLIAN FLYNN, Jahrgang 1971, geboren in Kansas City (Missouri). Nach College und Universitätsstudium in Kansas und Chicago zog es sie nach Kalifornien und anschließend nach New York. Wo sie zehn Jahre lang die leitende TV-Kritikerin beim Magazin „Entertainment Weekly“ war. 2006 erschien ihr erster Roman „Cry Baby“. 2009 folgte „Dark Places“ („Finstere Orte“). Mit ihrem dritten Roman „Gone Girl“ kam ab 2012 der große Erfolg. Das Buch stand monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste der „New York Times“ und wurde mehr als 3 Millionen Mal verkauft. Kam 2013 bei uns mit dem Zusatztitel „Das perfekte Opfer“ heraus. Und war ebenfalls geraume Zeit die Nr. 1 auf der „Spiegel“-Bestsellerliste. Ausgangspunkt: „Mörderische“ Lügen und Unehrlichkeiten innerhalb einer Ehe. Die Schriftstellerin im April 2012 in „Entertainment Weekly“ über ihre Roman-Motivation: „Die Ehe ist wie ein langer Betrug, da Du anfangs bei Deiner Werbung nur Deine besten Seiten zeigst, während doch die Person, die Du heiratest, alles an Dir lieben soll – inklusive Deiner Warzen. Aber Dein Ehepartner sieht diese Warzen nicht wirklich, ehe die Beziehung tiefer und etwas entspannter wird“.
Oder auch nicht.
Amy & Nick Dunne. Schön, attraktiv, erfolgreich. Die Tochter eines Psychologen-Ehepaares, selbst mit dem akademischen Grad eines Master in Psychologie ausgestattet, hat die perfekte wie erfolgreiche Kind-Figur „Amazing Amy“ erfunden und schreibt Persönlichkeitstests für Zeitschriften-Magazine. Nick ist als bodenständiger Journalist ordentlich tätig. Als 2007 beide die Wirtschaftskrise erreicht, sie aus ihren lukrativen Jobs entlassen werden und ihr hoher Lebensstandard einbricht, ziehen sie in „seine Kleinstadt“ nach Missouri, wo seine Mutter an Krebs erkrankt ist und Nähe wie Pflege braucht. Doch in der Enge einer überschaubaren, „offenen“ Gemeinde fühlt sich Amy mehr und mehr unwohl. Und viel zu sehr auf dem öffentlichen Präsentierteller. Ihr Geschenk zum fünfjährigen Hochzeitstag ist in Form einer brieflichen Schnitzeljagd angelegt, deren Stationen Begebenheiten aus der Zeit ihres Kennenlernens dokumentieren. Das Problem dabei – Amy ist verschwunden. Nach den Spuren im Ehe-Haus zu urteilen, keineswegs freiwillig. Möglicherweise eine Entführung. Wahrscheinlich ist aber auch die Annahme, dass Amy Dunne nicht mehr lebt. Nick gibt sich ahnungslos. Die Polizei ermittelt. Auch gegen ihn. Die Medien stürzen sich genüsslich auf spekulative Details. Während WIR aus beider Sicht mehr und mehr erfahren. Stichworte: Seine Kommentare; ihre Tagebuch-Vermerke. Und begreifen: Hier läuft ein ganz spezielles, tückisches, manipulatives „Spiel“ zwischen Mann & Frau ab. Beziehungsweise, also vor allem: umgekehrt.
David Andrew Leo Fincher, genannt DAVID FINCHER. Geboren am 28. August 1962 in Denver/Colorado. Zählt seit den Neunzigern zu den bedeutendsten Hollywood-Regisseuren. Schuf Thriller-Meilensteine wie „Sieben“ (1995), „Fight Club“ (1999) und „Panic Room“ (2002). Begeisterte mit dem großartigen Emotions-Drama „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ (2008). Danach folgten „The Social Network“ (2010), die Story um die Facebook-Gründung, sowie „Verblendung“, 2011, das US-Remake des ersten Teils der Millennium-Trilogie nach Stieg Larsson. Mit seinem 10. Kinofilm „Gone Girl“ setzt er seine raffinierten, verstörenden, psychologischen „Spannungsarien“ fort. Mit folgenden – ironisierten – Kritik-Ergebnissen:
1.) Heiraten ist ein höchst zweifelhafter Zustand.
2.) Die Ehe ist ein ständiges kriegerisches Duell um Macht und Verlieren.
3.) Lebst du nicht anonym, sondern „bekannt“, zum Beispiel innerhalb einer „sauberen“, überschaubaren Gemeinde, ist der Einfluss der völlig unehrlichen, quoten-gierigen, heuchelnden Boulevard-Meinungs-Medien enorm. Geradezu eklig wichtig wie widerlich.
4.) Sau-Kerl Mann. Eine schwanz-gesteuerte Type. Simpel von Luder-Seite manipulierbar.
5.) Die Frau die Lust-Hyäne. Ist sie durch 4.) herausgefordert, vermag sie einfallsreich wie „pointiert“ und listig, „Schrecken“ zu inszenieren. Und WIE!
6.) Die Doppel-Story hier steuert gegen jede Gängigkeit und Norm.
7.) Trumpft mit wendungsreichen Entwicklungen und verblüffendem schwarzen Ausrufungszeichen-Humor auf.
8.) Weshalb die Personen mit ihren verbalen wie äußerlich-amüsanten Präzisionsschüben (Polizistin + Assistent; ihre Eltern; sein kauziger Anwalt) wie psychologisch faszinierende Dornenvögel agieren: immer irgendwie auch bedrohlich.
9.) Merke: DU, Mann, bist für dein Gefühls-Chaos und seine Folgen allein verantwortlich. Schließlich:
10.) Hast du dich mal wieder NICHT vor „vielversprechenden“ Blondinen mit verlockendem Zahnpasta-Charme geschützt. Hast deine versprochene Ehe nicht ernst genommen. Nun, DAS HIER SIND DIE „gläserner Käfig“-FOLGEN. Du armer Idiot.
11.) Der zweifache „Oscar“-Preisträger BEN AFFLECK, 40 („Good Will Hunting“; „Argo“), der kommende neue „Batman“-Darsteller, gibt sich Mühe. Wirkt aber mitunter wie paralysiert. Angetäubt. Mimt Nick uneinheitlich pendelnd zwischen verhuscht und clever-irre. Und strahlt dabei längst nicht so viel lakonischen Reiz aus wie…
12.) ROSAMUND PIKE, 35. Die 2002 als Bond-Girl Miranda Frost in dem 007-Film „Stirb an einem anderen Tag“ bekannt gewordene attraktive Tochter aus gutem britischen Opernsänger-Hause, die 2005 in „Stolz und Vorurteil“ als die ältere Schwester von Keira Knightley auftrat und kürzlich die Liebste in „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ war, räumt hier prächtig auf. Und ab. Als feministische Grusel-Schwester vom Feinsten. Und swingenden Rache-Engel Amy. Mit schließlich eleganter, tödlicher Präzision. ROSAMUND PIKE brilliert. Sorgt für ein heißkaltes Thrill-Vergnügen. Präsentiert eine stimmungsvolle Performance!
13.) Aber auch: Solch exzellente Stichwortgeber wie TYLER PERRY, als „aufgeweckter“, aufgedonnerter schwarzer Winkel-Anwalt Bolt, NEIL PATRICK HARRIS als diabolischer Ex von Amy (mit Luxus-Behausung par exzellence) und MISSI PYLE als (wohl bekannte) TV-Promi-Hexe und einflussreiche Klatsch-Verbreiterin Ellen Abbott bedürfen der unbedingten, darsteller-köstlichen Erwähnung.
14.) „GONE GIRL – DAS PERFEKTE OPFER“: David Fincher erzählt gewohnt akribisch. Tief-schürfend. Situations- wie Seelen-auslotend. Emotional aufreizend. Mit gepfefferten Ideen-Fallen. Gutem Hitchcock-Gefühl. Und – Atem.
Fincher vermag fast zweieinhalb Stunden- kurz für exzellente Psycho-Thriller-Kopf-Suspense zu sorgen. ER ist und bleibt ein Regisseur für MUST-SEE-Filme (= 4 PÖNIs).