SPÄTWESTERN ODER DER ABSCHIED EINES GENRES (Abhandlung anlässlich der Wiederaufführung diverser Western Mitte der 80er Jahre)
Seit es Film gibt, gibt es auch Western. Und weil Film seine Ursprungsblüte in Amerika hatte, sind Western auch immer ein Stück von Amerika und seiner Geschichte. Seit aber aus den staubigen Landstraßen Highways aus Beton und Granit wurden, hat sich auch der Western von seiner Unschuld und Kostümierung verabschiedet. Heute sind Western großstädtische Straßenkämpfe mit rasenden Blechhaufen, die das Zigfache an Geschwindigkeit und Zerstörung hergeben als die früheren Kutschen und Gäule. Und bei den Helden ist heute nicht mehr so leicht zwischen Sheriff und Outlaw zu unterscheiden wie einst (manchmal wissen es heute die Beteiligten nicht einmal selbst mehr, auf welcher Seite sie eigentlich sehen). Wie das einmal mit dem Genre Western war, führt jetzt eine Reihe im Kreuzberger “Regenbogenkino“ vor, wo zehn vorzügliche Beispiele aus diesem Bereich zur Wiederaufführung gelangen.
Es beginnt mit John Ford, neben Howard Hawks der wichtigste und intelligenteste Filmgeschichtenerzähler aus dem Wilden Westen. In „DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS“ (1966) zerstört James Stewart als Senator nach Jahrzehnten die Legende, dass er einst im entscheidenden Duell den Bösewicht Lee Marvin bezwang. John Wayne war‘s, d e r Westernheld schlechthin, wie wir wissen. Und der bekam nun im gleichen Jahr in „EL DORADO“ von Howard Hawks mächtige Schwierigkeiten, nicht nur mit angeheuerten Söldner-Cowboys, sondern auch mit seinem ständig besoffenen Hilfskraft Robert Mitchum. “El Dorado“ ist einer der schönsten, weil so ironisch klingenden Western.
Marlon Brando dagegen war in „DER BESESSENE“ (1961) als Heiland und Märtyrer von ganz anderer Kraft. Ein Intellektueller, der lyrische Stimmungsmomente in den Staub setzte und dabei 6 Millionen Dollar Herstellungskosten verpulverte. „MAN NANNTE IHN HOMBRE“ von Martin Ritt dagegen setzte 1967 die “Rothaut“ Paul Newman in Bewegung, der cleverer und tapferer war als jedes beteiligte weiße Gesindel drum herum. Ebenfalls sozialkritische Akzente setzt Robert Aldrich mit „KEINE GNADE für ULZANA“ (1972), wo “Apache“ Burt Lancaster die weiße Meute bis zur Weißglut reizt, erniedrigt und dezimiert. Poetische Töne, Außenseiter- Image, verbreitete Sydney Pollack 1972 mit Robert Redford als Jeremiah Johnson. Ein Ex-Soldat gibt sich zivilisationsmüde und naturverbunden und krepiert beinahe dabei.
Blutig bis an die Grenzen des Zumutbaren ging 1969 Sam Peckinpah in seiner Apokalypse „THE WILD BUNCH – SIE KANNTEN KEIN GESETZ„, wo er die Italo-Western-Brutalität nach Hollywood brachte und gleich um ein vielfaches steigerte. Die ganze, rohe (Straßen-)Gewalt jener Amerika-Jahre fand sich hier geballt und übersteigert wieder. Für exzentrische Töne im Westen sorgte dann 1975 nochmal Marlon Brando, der sich mit Jack Nicholson das „DUELL AM MISSOURI“ lieferte. Zwar wird Arthur Penn als Regisseur genannt, aber Brando machte im Grunde was er wollte.
Einen ganz persönlichen und ganz sanften Western schuf Sam Peckinpah 1970 mit seiner überzeugendsten Arbeit „ABGERECHNET WIRD ZUM SCHLUSS“ (“The Ballad Of Cable Hogue“), wo Jason Robards in der Wüste sein Glück findet und versehentlich von einem Auto getötet wird. Und schließlich versuchte sich auch ein Robert Altman 1970 an einer Western-Geschichte: „McCABE & MRS. MILLER“ beschreibt ein Outlaw-Pärchen (Warren Beatty, Julie Christie), das sich gegen die kapitalistischen Machenschaften zur Wehr setzt. Allerdings folgt der Film formal nur in der letzten halben Stunde den Mechanismen des Genres, vorher ist er eine feine Story über Liebe und üble Geschäfte.
10 x Western, 10 x großes, amerikanisches Nachhol-Kino.