PÖNIs: (4/5)
Wieder einmal lohnt es sich total, einen Filmemacher zu entdecken, der bisher nur kinematographischen Insidern ein Begriff ist: WAYNE KRAMER. Er ist am 26. Mai 1965 im südafrikanischen Johannisburg geboren und wanderte 1986 in die USA ein. Wo er als Drehbuch-Autor und Storyboard-Zeichner anfing, bevor er sich als Produzent und Regisseur hervortat. SÄMTLICHE bisherigen Filme von Wayne Kramer sind sehenswert. Gleich mit seinem Debüt-Spielfilm aus dem Jahr 2003 fand er viel Zuspruch auf internationalen Festivals (Sundance; Karlovy Vary; Deauville) und im Arthouse-Bereich: „THE COOLER – Alles auf Liebe“, mit William H. Macy (s. Kino-KRITIK). 2005 folgte sein furioses zweites B-Movie: „RUNNING SCARED – Renn oder stirb“, mit Paul Walker (s. Kino-KRITIK) und dem Lob von Quentin Tarantino: „This is why they call it motion pictures“. 2009 ließ er sich erstmals mit „Hollywood“ in Gestalt des mächtigen Produzenten Harvey Weinstein ein, der die Struktur seines Episoden-Dramas „CROSSING OVER“, mit Harrison Ford (s. Kino-KRITIK), veränderte, „publikumsfreundlicher“ korrigierte, und beispielsweise einen kompletten Handlungsstrang mit „Oscar“-Preisträger Sean Penn herausschnitt. So dass sich Wayne Kramer von „seinem“ Film im Nachhinein distanzierte.
Dies kann ihm mit seinem neuesten Werk nicht passieren, da er sich hier wieder auf seine filmische Lieblingsspielwiese zurückzog, zum unabhängigen Trivial- beziehungsweise PULP-Film, den viele Stars schätzen und sich für wenig Gage „dafür“ gerne zur Verfügung stellen. Wie auch hier, wo die Besetzungsliste immerhin so namhafte Akteure wie BRENDAN FRASER, ELIJAH WOOD, VINCENT D’ONOFRIO, LUKAS HAAS, MATT DILLON oder den im Vorjahr tödlich verunglückten PAUL WALKER (in seinem vorletzten Film) aufweist, der sich hier auch als Mit-Produzent beteiligte. Bedauerlicherweise wurde der jetzt hierzulande gleich im Heimkino anlaufende Streifen mit einem wenig erbaulichen „deutschen“ Titel versehen:
„GANGSTER CHRONICLES“ von Wayne Kramer (USA 2013; B: Adam Minarovich; K: James Whitaker; M: The Newton Brothers; 112 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 29.08.2014).
Im Original heißt er „Pawn Shop Chronicles“, also „Leihhaus Chroniken“. Was Sinn macht, denn in einem Pfandleih-Geschäft startet und endet der wunderbar „pathologische“ Film. Der in Baton Rouge/Louisiana spielt. Tief im Süden der USA. Wo die Menschen, jedenfalls in vielen US-Filmen, als „eigenartig“, besser: eigenwillig, vorgestellt/erklärt werden. Weshalb es auch erklärt, dass in „solchen Ami-Regionen“ sich die sichersten Republikaner-Wähler befinden/aufhalten und sich eine politische Schmutz-Bande wie die „Tea Party“-Gesellschaft überhaupt gründen und entwickeln konnte. „Die haben hier alle einen Süd-Schatten“, habe ich jedenfalls während des Films amüsiert auf meinem Zettel notiert. In der Tat: Wenn ein jungscher, offensichtlich unterentwickelter Typ eben diese Pfandstätte mit einem auf den weißen Inhaber und seinen schwarzen Assistenten zielendem Gewehr betritt und dabei doch bloß sein Gewehr zu Bares machen möchte, ist dies schon gewöhnungsbedürftig. Zumal nun die ersten Beteiligten eingeführt werden: zwei rassistische Tölpel auf Speed, die einen Kumpel mit dem Auto überfahren haben und nun erst einmal ein Gewehr zu besorgen versuchen (das eine wurde ja gerade für 20 Dollar fürs Auto-Benzin verpfändet), um dann einen Raubüberfall begehen zu können. Vollpfosten on the road. Die übrigens nur deshalb Mitglied in der „weißen Nazi-Bruderschaft“ sind, weil es dort immer so leckere Hackbällchen gibt. Und jetzt interne Probleme bekommen, weil der Überfahrene lebt, von einem vorüberziehenden Cowboy-Gott eine blitzblanke Waffe geschenkt bekommt und nicht gerade „nett“ gestimmt ist, als er seine „Freunde“ wiedertrifft. Die nun mit Clowns-Maske und Pfeil & Bogen wahnwitzig hantieren.
Währenddessen zieht Ricky-ELVIS durch die Lande. Besser: seine völlig abgebrannte Karikatur (Brendan Fraser), gekleidet im jämmerlichsten Elvis-Look. Will auf dem dörflichen Jahrmarkt mit seiner „Show“ beeindrucken. Allerdings – außer seinem großen „Elvis-Schlitten“ besitzt er nichts. Ein Loser hält sich für den Größten. Und bekommt keinen Zuspruch. Auch bei zwei örtlichen Friseuren nicht. Ganz im Gegenteil. Wird öffentlich zum Spinner degradiert. Man verspottet ihn. Was natürlich den umherziehenden personifizierten Teufel auf den letzten Plan ruft. Bekannt: Erfolg für Seele, die bekannte Vereinbarungsnummer.
Der Ring. ER ist, nein er wird wichtig. Das frisch vermählte Ehepaar taucht beim Pfandleiher auf. Als Richard (Matt Dillon) ihn entdeckt, flippt er aus. Denn dieses Edelstück gehörte einst seiner Verflossenen, die vor sechs Jahren spurlos verschwand. Anstatt Hochzeitsreise, begibt er sich auf Spurensuche. Nach IHR beziehungsweise den ehemaligen Besitzern ihres Rings. Und weil DIE nicht immer gleich bereit sind, ihm ruhig mitzuteilen, woher sie das gute Schmuckstück hatten und so weiter, wird Richard schon mal handgreiflich. Sehr sogar. Bis er auf Johnny Shaw (Elijah Wood) trifft, den schlimmsten Perversen in dieser dreckigen Region. „Schund“ bekommt hier seine übelste Pulp-Bedeutung. Überhaupt. Regisseur Wayne Kramer und sein Texas-Autor Adam Minarovich setzen hier auf ganz hässliche, irre zwischenmenschliche amerikanische Land-Auswüchse.
Gitarren-Härte. In tiefstem Bass. „Gangster Chronicles“ ist ein herrlich unanständiger Rock ‘n‘ Roll-Country-Edel-Schrott. Sensible Kunstsachverständige sollten von diesem überkandidelten, frechen Genre-Movie unbedingt fern bleiben. Es schmutzt nämlich herrlich gemein wie exzentrisch-gescheit. Lange Zeit zum Dauergrinsen, in der Ring-Story allerdings mit konsequenter Schock-Starre. Alles fügt sich. Zynisch, bekloppt, mit der amerikanische Flagge am Körper, besser: an den Körpern, und weil auch – das mit diesem Zwerg. Von wegen: Steven Spielberg lässt mit seinem „Duell“-Thriller von 1971 ironisch grüßen. Es lässt sich viel denken, interpretieren und bitterböse gemein-lachen hier. Was für eine klasse Shitfilm-Entdeckung von sensationellem B-Kino ist DAS DENN hier??? (= 4 PÖNIs).
Anbieter: „Universum Film“