FORREST GUMP

Zum Film der Woche, des Monats, dieses Herbstes, und wahrscheinlich zum lange Zeit besten Kinofilm überhaupt: Zu „FORREST GUMP“ von Robert Zemeckis (USA 1993; B: Eric Roth, K: Don Burgess; M: Alan Silvestri; 142 Minuten; Start D: 13.10.1994).

Der Titel ist ein Name, es ist der Name des Helden bzw. Anti-Helden-hier. Doch dazu gleich, zuvor noch der Hinweis auf den Regisseur. Der heißt Robert Zemeckis.

Der 45-jährige Zemeckis, der im Süden von Chicago aufwuchs, zählt heute zu den “Paradepferden“ der Film-Metropole Hollywood. Er stammt aus dem Umfeld von Steven Spielberg, war Drehbuch-Autor und hatte mit dem hierzulande nur auf Video herausgekommenen Debütfilm “I Wanna Hold Your Hand“ eine glückliche erste Regie-Hand. Das war 1978. Inzwischen hat er sich mit der “Zurück in die Zukunft“-Trilogie und der hinreißenden Real-Trick-Krimi Komödie‘ “Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ zum Spaß- und Hit-Macher katapultiert. Weitere Zemeckis-Filme sind: “Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“ und “Der Tod steht ihr gut“. Nun also “Forrest Gump“, der in den Staaten vorab nicht als Sommerkino-Favorit gehandelt wurde und dann innerhalb weniger Wochen in den USA und Kanada rund 250 Millionen Dollar einspielte. Mit den Kids, die zu Scharren kamen, hatte die Produktion eigentlich nicht gerechnet. Denn: “Forrest Gump“ erzählt 40 Jahre der gerade vergangenen amerikanischen Geschichte. Eingebunden in die private Lebensgeschichte, in das persönliche Schicksal eines Kindes, Jugendlichen und Mannes mit Namen Forrest Gump.

Der erblickte als Titelfigur von Winston Grooms gleichnamigen Roman das Licht der Welt: Einer überdrehten Satire, die diese Welt in Gumps eigener, mit hausbackenen Weisheiten gespickter ‘Idiomatik‘ schildert. Der Film bedient sich entsprechend. Sein Motto: Diese verrückte Welt ist nur noch zu ertragen und zu überstehen, wenn man ein Idiot ist. Dem uneigennützigen Einsatz der Mutter (SALLY FIELD) verdankt Forrest (TOM HANKS), dass er doch auf eine “normale“ Schule gehen darf. Weil sein Rückgrat stark verkrümmt ist, werden seine Beine in ein Schienenkorsett gezwungen. Das und sein Verhalten überhaupt lässt ihn zum Außenseiter werden, den seine Mitschüler gerne hänseln. Einzig Jenny, eine Klassenkameradin, hält zu ihm. Sie ist es auch, die ihm den guten Rat gibt, schnell wegzurennen, wenn es brenzlig wird. Die Folge: Forrest wird zum schnellsten Läufer der Region. Was ihn wiederum auf das College und in das dortige Football-Team bringt. Vorher jedoch, kurz bevor er sich seines Bein-Korsetts entledigt, lernt er einen unbekannten Sänger kennen und bringt ihm das Hüftwackeln bei. Später wird der damit ein Weltstar, und alle nennen ihn nur “The King“.

Aber Forrest macht auf seine Weise eine ähnliche Karriere: Das Laufwunder wird Mitglied im „All American Team“. Und im Weißen Haus empfängt ihn sogar Präsident Kennedy. Danach trennen sich die College-Wege von Forrest und Jenny (ROBIN WRIGHT-PENN). Sie hofft auf eine Karriere als Folk-Sängerin, er verpflichtet sich zum Militärdienst und kommt nach Vietnam. Dort “gefällt“ es ihm ganz gut. Auch hier kann er seine Schnelligkeit einsetzen und damit überleben. Zurück, im Lazarett, beweist er große Geschicklichkeit beim Ping-Pong-Spiel. Prompt darf er als erster Amerikaner nach Rot-China reisen, um dort seine Künste vorzuführen. Er hat natürlich Erfolg und muss wieder in Weißen Haus antreten. Diesmal begrüßt ihn Präsident Johnson. Dann ist es natürlich auch Forrest Gump, der den Watergate-Skandal aufdeckt; außerdem trifft er in einer Dick-Cavett-Talkshow John Lennon. Forrest Gump wird zu einem Nationalhelden. Sein ehemaliger Militär-Vorgesetzter, Lieutenant Dan Taylor (GARY SINISE), dem Forrest das Leben rettete und der jetzt, ohne Beine, an den Rollstuhl gefesselt ist, mag es nicht fassen. Beide steigen ins Krabbengeschäft ein und werden, natürlich, Millionäre. Aber: Forrest kann und will Jenny nicht vergessen. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege und immer trennen sie sich auch. Wieder allein, beginnt Forrest zu laufen. Erst ein paar Meilen, dann mehr und schließlich noch immer mehr 2 ½ Jahre läuft er durch das Land, und die Medien sind begeistert. Viele folgen ihm. Doch dann hat er genug und kehrt nach Hause zurück.

Natürlich: Ein amerikanisches Märchen. Aber: Was für eines! Für jedes Gefühl ist viel dabei: “Forrest Gump“ – der Film ist zum Lachen, zum Weinen, zum Denken und Schmunzeln, zum Staunen und Freuen. Ein unglaublich schöner, trickreicher, tiefsinniger Film. Thema: Ein Narr und diese Welt. “Diese Welt“, sie heißt Amerika und verliert zunehmend ihre Unschuld. Warum und wieso, das sagt und zeigt der Film der mit einigen verblüffenden Tricks hantiert. Ähnlich wie einst schon Woody Allen in und als “Zelig“ wird Haupt- und Titeldarsteller Tom Hanks in die historischen Bilder der Kennedy-, Johnson- und Nixon-Ära hinein montiert. Das Ergebnis: Ein Effekt, der verblüfft. Aber “Forrest Gump“ ist beileibe nicht auf ständige Tricks aus, sie bilden hier nur unglaubliche Fußnoten. Für einen Film, der zwischen Romanze und Geschichte weise und komisch hin- und herpendelt. Der mit unzähligen Gags ebenso aufwartet wie mit der stillen Pointen-Erkenntnis, dass erst ein solch wunderbarer “Idiot“ kommen muss, um uns auf die Beklopptheit dieser Welt aufmerksam zu machen.

Tom Hanks, der neulich für seine Leistung in “Philadelphia“ mit dem “Oscar“ ausgezeichnet wurde, spielt diesen dünnen Jüngling mit sympathischer Naivität. Er trifft genau den Ton “dazwischen“; ist herrlich trottelig, ohne dumm zu wirken; vermag jede Albernheit überzeugend auszudrücken, ohne plump zu sein. Eine erneut feine Leistung dieses aus seinen früheren Kasperle-Rollen längst entwichenen hervorragenden Schauspielers, der seinen “Durchbruch“ im Vorjahr mit der neuzeitlichen “Casablanca“-Romanze “Schlaflos in Seattle“ hatte. Tom Hanks ist Forrest Gump. Und Forrest Gump ist der mit den ausgesprochen klugen Sprüchen von seiner Mutter. Zum Beispiel: “Das Leben ist wie eine Schachtel Konfekt. Man weiß nie, was drin steckt“. Und so ist auch der Film: Man weiß nie, was im nächsten Moment alles passiert: „Forrest Gump“ sorgt für allerbeste Stimmung. Im Parkett und auch hinterher: Es ist ein Film, an den man sich IMMER gerne erinnern wird: Ein Bald-Klassiker halt  (= 5 PÖNIs)!

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