EMPÖRT EUCH!

Der Coup glückte, DAS hat die Welt überrascht – dass ein französischer Grand-Senior SIE mit seinen Gedanken, Worten, Sätzen dermaßen beeindruckt. Und beeinflusst: Im Oktober 2010 passierte etwas ganz Wunderbar-Besonderes, zunächst in Frankreich: Eine Broschüre von gerade einmal 32 Seiten entwickelte sich zum wahren Bestseller. In diesem kleinen, aber „feinen“, offensichtlich so „ankommenden“ Werk geht es um einen Aufruf: „INDIGNEZ-VOUS!“ Also „EMPÖRT EUCH!“ Der Autor ist der am 20. Oktober 1917 in Berlin geborene STÉPHANE FRÉDÉRIC HESSEL. Seine Eltern waren der deutsche Schriftsteller Franz Hessel und die deutsche Journalistin Helen Grund. Seine Lebensgeschichte notiert – französischer Résistance-Kämpfer, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, Diplomat, Lyriker, Essayist und politischer Aktivist. Nach seiner KZ-Haft wurde Stéphane Hessel 1946 Büroleiter des UN-Vize-Generalsekretärs Henri Laugier. In dieser Funktion war er bei Sitzungen der neu ins Leben gerufenen UN-Menschenrechtskommission dabei und an der Erstellung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN redaktionell beteiligt. Hessel blieb bis 1951 bei der UNO, danach arbeitete er im französischen Außenministerium in Paris. Im Auftrage seines Arbeitgebers und der UNO reiste er um die Welt, trieb die Entkolonialisierung voran und vermittelte in Konflikten. Entwicklungshilfe, Demokratie und Menschenrechte waren seine beruflichen wie bevorzugten privaten Dauerthemen. 1962 gründete er in Frankreich die „Vereinigung für die Ausbildung von afrikanischen und madagassischen Arbeitnehmern“, die sich für die Rechte von Afrikanern einsetzt. Zudem war er Mitglied der französischen Sektion der Nationalen Menschenrechtskommission. In Frankreich erhielt der den Titel „Ambassadeur de France“.

Um STÉPHANE HESSEL gibt es auch eine charmante wie mystische Lebens-Pointe: Seine Eltern und ihr französischer Freund dienten als Vorbilder für die Beteiligten in dem Roman „Jules und Jim“ von Henri-Pierre Roché aus dem Jahr 1953, den Francois Truffaut 1961/62 für das Kino adaptierte und DER zu einem Klassiker des französischen Films wurde und als cineastisches Meisterwerk gilt.

In seinem Buch „Empört Euch!“, das bis zum Januar 2011 bereits mehr als 900.000mal gedruckt wurde, spricht sich Stéphane Hessel für die Wiederbelebung der Werte der Résistance aus. Indirekt erklärt er damit unsere Zeit, die Epoche nach dem weltweiten Finanz-Crash im ersten Jahrzehnt des Neuen Jahrhunderts zu einer „Nachkriegszeit“. Hessel kritisiert den Finanzkapitalismus als „neuen Welt-Diktator“, prangert die Behandlung von Minderheiten wie den Roma oder den sogenannten illegalen Einwanderern an. Plädiert für eine totale Muss-Gewaltlosigkeit und sieht vor allem eine politische Lösung des Konflikts im Nahen Osten als Voraussetzung für eine „Befriedung unserer Welt“. 2011 wurde Stéphane Hessel in Berlin mit dem „Prix de l’Académie de Berlin“ geehrt.

Der aus Algerien stammende 64jährige Regisseur, Schauspieler, Drehbuch-Autor, Komponist und Filmproduzent TONY GATLIF, sein Film „Exils“ gewann 2004 auf den Festspielen von Cannes den „Regie-Preis“, hat im Vorjahr über Stéphane Hessel und seine Streitschrift einen Film gedreht, der hierzulande – nach einer Aufführung im TV-Sender ARTE – nun für das Heimkino als DVD zur Verfügung steht. Motto: „AN ALLE EMPÖRTEN“:

EMPÖRT EUCH!“ von Tony Gatlif (Fr 2012; M: Delphine Mantoulet, Valentin Dahmani; nach dem gleichnamigen Buch von Stéphane Hessel; 72 Minuten; DVD-VÖ: Januar 2013).

Am Anfang – die schrecklichen Bilder. Kriegserinnerungen. Zerstörung, Feuer, Leid. Das Leiden von Menschen. Der Zweite Weltkrieg. Seine Folgen. Die Auflehnung. Der Résistance. Mit Stéphane Hessel. Gegen Faschismus. Rassismus. Gegen derartig entsetzliches, unzivilisiertes, grausames, verwerfliches, unmenschliches Nazi-Handeln. Stéphane Hessel ist 93 Jahre alt und SEHR wütend. Allerdings – „aufrecht“ wütend. Klar denkend. Vortrefflich formulierend. Deutlich argumentierend. Der Film begibt sich auf eine „Wirkungsreise“ seiner Worte, Gedanken, Ideen. Sucht weltweite Spuren. Findet natürlich überall auf unserem Planeten inzwischen genügend laute wie lautstarke „Motive“. „NEUES SCHAFFEN HEISST WIDERSTAND LEISTEN. WIDERSTAND LEISTEN HEISST NEUES SCHAFFEN“: Denn: „Gleichgültigkeit tötet“. Diese unstimmige neue Wertigkeit: Das Geld hat inzwischen die Politik abgelöst. Die Politiker „unterworfen“. Dieser Finanzkapitalismus bedroht die Werte der Zivilisation. Diktiert zunehmend den Lauf der Welt. UNSERES Lebens. Unseres existenziellen Da-Seins. „Wenn aber – heute wie ehedem – eine aktive Minderheit sich erhebt, wird der Sauerteig seine Wirkung tun“. Also beginnen Menschen dagegen aufzubegehren. Weltweit. Wollen nicht mehr „gefügige Bürger“ sein. Beziehungsweise nur als solche „Sklaven“ wahrgenommen werden. „Von Oben“. Es geht um die Zuteilung. Die Verteilung. Die Aufteilung. Zwischen Besitzenden und Bekommenden. Derzeit eine einzige Linie von Unrecht. In der Realität. Die Unterschiede zwischen Vielhabenden und Wenighabenden sind gigantisch geworden. Deshalb ist aktives Denken, Empfinden, Handeln angesagt. Die „Fähigkeit zur Empörung“ muss aktiviert werden. „Es ist höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit nachhaltiges Gleichgewicht unserer Anliegen werden; denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch ein Ende setzen könnten auf einem für uns unbewohnbar werdenden Planeten“ (Stéphane Hessel).

Der Film „EMPÖRT EUCH!“ ist natürlich ein Film für den Kopf. Klaren Kopf. Ein alter Mann gibt die gedankliche aktuelle Richtung vor. Und wir können kritisch folgen. Folgern. Was für ein aufrechter, grandioser, faszinierender klarer Wut-Bürger, dieser STÉPHANE HESSEL. Der am 27. Februar 2013 in Paris gestorben ist. Ein anerkannter moderner Rebell. Dieser Film ist – wie schon sein großer kleiner Band (und wie auch seine 2011 herausgekommene Interview-Folgeschrift „Engagiert Euch!“ (auch bei „Ullstein“) – sein Vermächtnis.
VIELE sollten DAS jetzt sehen. Lesen. Aufnehmen. Anerkennen. Würdigen.
Und Handeln: „EMPÖRT EUCH!“, verdammt nochmal (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „absolut Medien“

 

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