EMMA

PÖNIs: (3,5/5)

„EMMA“ von Autumn de Wilde (USA 2019; B: Eleanor Catton; nach dem gleichn. Roman von Jane Austen/1815; K: Christopher Blauvelt; M: Isobel Waller-Bridge, David Schweitzer; 125 Minuten; deutscher Kino-Start: 05.03.2020).

Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug

Die 50-jährige New Yorker Regiedebütantin AUTUMN DE WILDE fiel in der Vergangenheit vor allem durch ihre kreative Arbeit im Musik- und Werbebusiness auf. Zu ihren Kunden zählten u.a. Künstler wie „Noah and the Whale“ (Life is Life; 2011), „The White Stripes“ (The White Stripes: Under Great White Northern Lights; 2010) oder „Neon Trees“ (Picture Show; 2012). Damit trat sie selbstbewusst in die Fußstapfen ihres berühmten Fotografen-Vaters JERRY DE WILDE (82), der bisher noch etwas prominenter und mit größeren Namen wie „Chrysler“, „Coca Cola“ oder „Ridley Scott“ (ko-)operierte. Nun aber: Kino. Präziser: eine JANE AUSTEN (*16.12.1775 – †18.07.1817) Verfilmung. Ganz im Sinne des aktuellen UK-Roman-Cinema-Reinkarnationstrends, der mit dem „Oscar“-nominierten Glanzstück „Little Women“ von Greta Gerwig (nach Louisa May Alcott/1868; s. Kino-KRITIK) neulich so exzellent in Schwung kam.

Nun also: EMMA, ein Frauenstück aus England, das 1815 erschien und nicht ohne Grund bislang siebenfach adaptiert wurde. Fürs TV: „Emma“ (1948; von Michael Barry mit Judy Campbell; in Schwarzweiß; BBC); „Emma“ (1960; von Campbell Logan mit Diana Fairfax; ebenfalls in Schwarzweiß; BBC); „Emma“ (1972; abermals: BBC; von John Glenister mit Doran Godwin; in Farbe); dann 1996 moderner für A&E Television Networks und mit zwei Emmys, den Fernseh-„Oscars“, ausgezeichnet: „Emma“ mit Kate Beckinsale („Pearl Harbour“) von Diarmuid Lawrence; sowie zuletzt 2009: (erneut) „Emma“ von Jim O’Hanlon mit Romola Garai, auch mit einem Emmy belobigt und allein die vierte Umsetzung für die BBC. Bei weitem bekannter sind dagegen die beiden Kintopp-Produktionen: „CLUELESS – WAS SONST!“ (USA 1995; von Amy Heckerling) mit Teenie-Star Alicia Silverstone, als deutlich entstaubte und ins moderne Amerika verlagerte Version. Und außerdem: die im Vergleich dazu traditionell herkömmliche „EMMA“ von 1996 (R: Douglas McGrath), mit der zarten GWYNETH PALTROW („Shakespeare in Love“) als „Leading Lady“.

Da drängt sich die berechtigte Frage auf: Sollte es sich damit nicht mal „ausgeemmat“ haben? Offensichtlich nicht, denn 2020 ist sie jetzt schon wieder da: die Tragikomödie über die Lovestory zwischen der reichen Ungezähmten, Emma Woodhouse (ANYA TAYLOR-JOY), und George Knightley (JOHNNY FLYNN), in dessen Namen natürlich das englische Wort für Ritter (= „Knight“) charmant verwurstet ist. Ein Omen? Auf jeden Fall…

Für diejenigen, die es bisher tatsächlich (noch) geschafft haben (sollten), dem Lese- beziehungsweise Sehgenuss zu entfliehen: eine knappe Inhaltsangabe. Wir befinden uns im britischen Inselkönigreich im frühen 19. Jahrhundert. Dort lebt Emma an einem sehr idyllischen Ort. Als Teil der gehobenen Gesellschaft. Inmitten dieser ist sie zudem bekannt wie ein bunter Hund: für ihr Stilbewusstsein, ihre Aura, ihre elegante Art der Konversation sowie ihr brillantes Können am Piano. Eine weibliche Ausnahmeerscheinung von Schönheit, Intellekt und Talent, der einfach kein Mann das Wasser reichen kann. Genug ist. Zum Ehelichen. Ihrer Meinung nach. Statt also selbst zu heiraten, verkuppelt sie lieber die Anderen. Voller Enthusiasmus und Hingabe. Ihr gegenwärtiges Lieblingsprojekt ist ihre beste Freundin Harriet (MIA GOTH). Doch – wie könnte es anders sein – geht dieser geplante Schuss völlig nach hinten los. Und dann … ja dann ist da ja auch noch der gewitzte Wortakrobat Mr. Knightley, der in Emmas Kopf die manipulativen Zahnräder auf einmal anders rattern lässt… Der Widerspenstigen Zähmung: beginnt.

Vor allem die junge, oder besser: neue, Generation bekommt mit dieser Fassung eines Urgesteins der romantischen Weltliteratur die Möglichkeit, sich dieser zauberhaften Epoche mitsamt ihrem positiven Kitsch und Flair zu nähern. Die, zu Austens Lebzeiten, letzte veröffentliche Geschichte, erhält indem aber erstaunlicherweise keine feministische Note, sondern zeigt sich als ein behutsamer Umgang mit der Grundidee. Dahinter. Mit dem Gedankengut aller „Romantic Comedies“ (umgangssprachlich: Rom-Coms), das sich durch ein „liebevolles“ Anzicken der beiden Protagonisten auszeichnet. Getreu dem Motto: Was sich liebt das neckt sich … und findet am Ende dennoch rührselig zusammen.

EMMA Nr. 8 enthält somit lediglich eine leicht verdauliche Modernisierung, innerhalb derer das Ensemble, traumhaft dekoriert in Kostümen und Kulissen, hübsch mitspielt. Dabei geraten die streckenweise vor Klischees triefenden, aber routiniert vorgetragenen Dialoge gegenüber den köstlich übertriebenen High Society-Gebärden in den Hintergrund. Das Ergebnis: Skurrile Szenen, die fast in eine Parodie abgleiten würden, wenn dem gegenüber nicht eine geerdete, inszenatorische Formstrenge stände. Die sich stark an archaische Vorbilder klammert. Glücklicherweise nutzt Autumn de Wilde diese aber nicht, um die emotionale Quintessenz des Films heraus zu pellen. Keine einzelne (Titel-)Figur steht im Fokus, sondern vielmehr die Freundschaft zweier Mädchen im Taumel eines hormonellen Frühlingserwachens.

Die 23-jährige ANYA TAYLOR-JOY („The Witch“) tritt an der Rampe kühl und hochnäsig in Erscheinung. Zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein changierend, ist sie die Schwachstelle im Cast. Es fällt schwer ihre Figur ins Herz zu schließen. „Ich werde eine Heldin („Emma“) schaffen, die keiner außer mir besonders mag“, sagte Jane Austen damals. Stimmt. Leider. Als emotionaler Gegenpol dazu funktioniert allerdings MIA GOTH („A Cure for Wellness“) als Mauerblümchen-Side-Kick Harriet prächtig. Was für eine süße Entdeckung! Herzhaft natürlich beansprucht sie spielerisch alle Sympathiepunkte für sich. JOHNNY FLYNN als junger Lord auf Freiersfüßen heizt währenddessen ganz nett und moralisch entrüstet die Tonalität an. Zwischen Schäkern und Motzen ständig wechselnd. Während BILL NIGHY („Tatsächlich… Liebe“) als von der Pubertät genervter Papa „not amused“ ist und dies mimisch Herr-lich minimalistisch kundtut. Ein 70-jähriger „British“-Prachtkerl und Humor-Kracher par excellence!

Das Fazit: Selbst 100 Jahre später bleibt diese im positiven Sinne „Schmonzette“ zeitlos und Gefühls-toll. Komisch. Unterhaltsam. Jedem schmunzelnd situationsbekannt. Eingepackt in Bon-Bon-Bilder, die eine heile Welt zeigen, in der das Werben, das Flirten, noch ohne Smartphone, langsam und kultiviert von Statten ging. Heute, in der Realität, bräuchte es viel mehr solcher „Mr. Darcys“ oder „Mr. Knightleys“, die, einer mutigen Schriftstellerin, ihrer Zeit weit voraus, einst so klug aus der Schreibfeder sprangen. Alleine deshalb ist EMMA nicht nur ein Frauen-, sondern primär auch ein Männerfilm, aus dem man(n) viel lernen kann. Wenn man(n) möchte. Denn auch, wenn die 2020-Verfilmung streckenweise etwas lahmt, ist und bleibt DIE LIEBE eben doch das einzige MUST HAVE, das niemals … n i e m a l s … NIE … aus der Mode kommt… Wie schön… (= 3 ½ „Carrie“-PÖNIs).

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