„ELLING“ von Petter Naess (Norwegen 2001; B: Axel Hellstenius, Larry Stuckey; nach der gleichnamigen Roman-Folge von Ingvar Ambjornsen; K: Svein Krovel; M: Lars Lillo-Stenberg; 85 Minuten; Start D: 02.05.2002).
Wir befinden uns in Norwegen. Dort lebt Elling. Ein mikriger Mit-Vierziger. Der sich wie eine zickige Jungfer benimmt. Und der von neurotischen Ängsten geplagt wird. 40 Jahre lang lebte er als Einzelkind mit und bei seiner Mutter. Die ihn von der Außenwelt abschirmte. Als sie stirbt, ist Elling d i e Hilflosigkeit in Person. Und ein Nervenbündel. Also landet er in der Psychiatrie. Wo er Kjell Bjarne kennenlernt. Einen stämmigen Depardieu-Typ um die Vierzig. Der nur an Essen und Sex denkt Das Problem: Zu essen hatte dieser bullige, tumbe Sohn einer Alkoholikerin immer genug. Nur mit ‚den Frauen‘, da hat es bei ihm nie geklappt.
Elling und Kjell, zwei Außenseiter, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Man freundet sich an. 2 Jahre danach dürfen beide zusammen ‚raus. Der norwegische Sozialstaat spendiert eine neue eingerichtete Wohnung. In der Innenstadt von Oslo. Sozialarbeiter Frank ist als ihr Aufpasser und Wegbegleiter bestellt. Als erstes schieben sie ihre Betten zusammen. Wie im Heim. Dann aber beginnt er, der Alltag. Dieses schrecklich Unbekannte/Ungewisse. “Expeditionen“ nach draußen: Elling will nicht. Viel zu viel Angst. Vor allem und jedem. Was könnte nicht alles passieren?! Aber: Auch im neuen Zuhause ist das mit dem freien, selbstbestimmten Leben gar nicht so einfach. Telefonieren zum Beispiel. Als sie es dann doch probieren, das mit dem selbständigen Telefonieren nämlich, ist es Amtsbruder Frank auch nicht recht. Also: Was nun? Und vor allem: WIE???
„Elling“ Ein neuer Kinofilm aus Norwegen. Vorlage des Films ist der Roman „Blutsbrüder“ des in Hamburg lebenden norwegischen Schriftstellers Ingvar Ambjörnsen. Der hat selbst einmal als Pfleger in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet. Weiß also, wovon er schreibt. Der Regisseur Petter Naess inszenierte diesen Stoff erfolgreich in Oslo auf der Bühne. Danach adaptierte er ihn für die große Leinwand. Mit den beiden Bühnen-Hauptdarstellern PER CHRISTIAN ELLEFSEN als Elling und SVEN NORDIN als Kjell Bjarne. Ein weiterer Erfolgslauf. Allein in Norwegen haben 800.000 Zuschauer, bei 4,2 Millionen Einwohnern, also jeder 5., den Film gesehen. Damit ist „Elling“ dort der erfolgreichste Film aller Zeiten.
Nach Lobeshymnen anlässlich der Vorführungen auf zahlreichen internationalen Festivals wurde „Elling“ in diesem Jahr auch für den Auslands-„Oscar“ nominiert. Konkurriert dabei zum Beispiel mit „Amelie“ aus Frankreich. Und “Amelie“ ist ein gutes Stichwort: „Elling“ ist cineastischer Freund im Geiste. Motto: Eigenwillige Geh-Versuche im Leben. “Anders“ gesehen, „am Rande“ betrachtet. Dabei konzentriert sich die Geschichte dieser beiden Kauze nicht auf Motive wie “Krankheit“ oder “Anstalt“. Sondern betont Seelen-Verwandtschaft in Sachen “Freundschaft“ und “Kuckucksnest“. Zwei Außenseiter, die sich gerade durch ihre Gegensätzlichkeit perfekt ergänzen. Deren Probleme nicht mit Wucht thematisiert werden, sondern ganz unprätentiös: Mit Charme, mit leisem Humor und mit viel Fingerspitzengefühl. Die Balance aus lakonischem Witz und, sensibler Ernsthaftigkeit gelingt. Der Film bietet zugleich Lächeln und Mitfühlen. Keine Denunzierung möglich.
Von weitem winken hier Jack Lemmon und Walter Matthau.
“Elling“ ist in bestem Sinne ein norwegischer Billy-Wilder-Stoff und er ist liebenswert, fein-ironisch und voller überraschender Wendungen und Pointen. Und, ganz klar: Auch nachvollziehbar. Denn irgendwo steckt in uns allen ein Stück von „Elling“.
Fazit also: Ein wunderbares HURRA für diese Kino-Entdeckung aus Norwegen (4 ½ PÖNIs)!
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