PÖNIs: (4/5)
PAUL SCHRADER, geboren am 22. Juli 1946 im US-Staat Michigan als Sohn streng calvinistischer Eltern, zählt zu den bedeutendsten und zugleich eigenwilligsten Filmkünstlern Amerikas. Verfasste die Drehbücher zu Klassikern wie „Yakuza“ (1974), „Schwarzer Engel“ (1976), natürlich „TAXI DRIVER“ und „WIE EIN WILDER STIER“, den beiden Meisterwerken des Teams Martin Scorsese & Robert De Niro (1976/1980). Seit 1978 ist er auch als Regisseur tätig und schuf hervorragende Filmwerke wie „Blue Collar“, „Ein Mann für gewisse Stunden“ (der Richard Gere-Klassiker von 1980), „Katzenmenschen“ (1982), „Light Sleeper“ (1992) und „The Walker“ (2007). Schraders Film-Weg ist gekennzeichnet von zensurhaften „Einschnitten“ durch Produzenten, die mit der Endfertigung seiner Filme nicht einverstanden waren und diese – weil Paul Schrader nicht das Recht auf den „Final Cut“ besaß – rabiat umschnitten; wie zuletzt bei seinem Film „Dying of the Light – Jede Minute zählt“ von 2014, mit Nicolas Cage, der dann auch prompt von der Kritik verrissen wurde und zum Total-Flop mutierte. “Oscar“-Preisträger Nicolas Cage („Leaving Las Vegas“/1996) und Paul Schrader beschlossen daraufhin, gemeinsam einen weiteren Film „in/mit Eigenverantwortung“ herzustellen. Dieser wurde im Vorjahr bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt und ist soeben hierzulande gleich für das Heimkino veröffentlicht worden:
„DOG EAT DOG“ von Paul Schrader (USA 2015; B: Matthew Wilder; nach dem gleichn. Roman von Edward Bunker/1995; 2002 bei uns unter dem Titel „Der letzte Coup“ erschienen; K: Alexander Dynan; M: Deantoni Parks; 93 Minuten; deutsche Heimkino-Veröffentlichung: 20.02.2017).
Die von Paul Schrader bevorzugten Themen sind bekanntlich Porträts von „leidenden Außenseitern“. Typen, die einen selbstzerstörerischen Weg mit sehr vielen Gewalthandlungen eingeschlagen haben, sich also mit ihrem Handeln und Tun auch selber viel Schaden zufügen und sich am Ende oft nach „Erlösung“ sehnen. Kriminelle auf Sinn-Suche, die zur Selbstopferung führt. Wie auch hier. Drei Kerle, Troy Cameron (NICOLAS CAGE), Mad Dog Cain (WILLEM DAFOE) und Diesel Carson (CHRISTOPHER MATTHEW COOK), haben lange Zeit(en) im Knast verbracht und sinnieren nun darüber, wie es „draußen“ weitergehen soll. Eigentlich sollen/müssen sie sich fortan „beherrschen“ dürfen sich keine „Ausraster“ mehr leisten, um halbwegs „im System“ bleiben zu können. Doch auf Normalität, gar herkömmliche „Anständigkeit“, haben die drei Kumpels keinen Bock. Wohlwissend, dass diese Einstellung lebensgefährlich für sie ist. Beziehungsweise künftig sein wird. Zunächst aber müssen sie sich erst einmal in einer Welt „aufhalten“, in der es „Facebook“ gibt und Taylor Swift als Star hofiert wird. Was und wer ist das???
Es folgen: Kleinere Einnahme-„Besorgungen“, mit denen man erst einmal „etwas“ über die ersten neuen Runden kommt. Doch das kann es doch auf Dauer nicht etwa sein, oder?
Paul Schrader stellt, ungewöhnlich lange, eindringlich und auch etwas mühsam, diese drei Outlaws vor. Schenkt ihnen breiten Vorstellungsraum. Präsentiert sie als: „der Hasser“ (Cage), „der Dauerwütende“ (Dafoe) und „der besonnene bullige Bastard“ (Cook). Sie wollen, sie kriegen ihre letzte Chance: die Entführung. Eines Babys. Eigentlich leicht verdiente Viel-Kohle, die dann für einige gute Ruhe-Zeiten sorgen soll. Natürlich geht gründlich „was“ schief.
Milieu-Gestalten, die ihren Gesellschafts-Platz suchen, besser: Ihn rabiat, grotesk und gewohnt über viel gemeine Gewalt einfordern. Motto: „Gerechtigkeit. Ich wollte Gerechtigkeit. Dann habe ich nachgedacht: Ich wollte keine Gerechtigkeit. Ich wollte, was ich wollte. So wie jeder. Alles andere ist nur Gelaber“, verkündet der ständig unter Dampf und Koks stehende „Mad Dog Cain“. Paul Schrader hat eine typische Paul Schrader-Performance in Bewegung gesetzt: Unzeitgemäße Farben kommentieren die Schräglage (anfangs: Pink); Surf-Rock die Retro-Stimmung und Überbleibsel-Figuren von gestern; ohne dass die drei Gangster-Musketiere „unter Wert“ erscheinen. Nicht als irgendwelche Dumpfbacken von üblen Schießbudenfiguren zu identifizieren sind, sondern als düstere Komiker mit philosophischen Masterfragen herum-prollen.
„Dog Eat Dog“ ist, wenn man erst einmal drin ist, was einige Unterhaltungsüberwindung kostet, ein faszinierender Trash-Thriller mit viel Seelen- und Gedanken-Potenzial. Ein extremer = außergewöhnlicher Genre-Film, der in „The Hollywood News“ folgendermaßen eingetütet wird: „Brillant verrückt. Tarantino trifft Ritchie“. Da ist was Gutes dran (= 4 PÖNIs).
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