DIESES SOMMERGEFÜHL

DIESES SOMMERGEFÜHL“ von Mikhael Hers (Co-B + R; Fr/D 2015; K: Sébastien Buchmann; M: David Sztanke; 106 Minuten; Start D: 03.11.2016); es gibt Filme, denen näherzukommen ein ausgesprochenes Vergnügen ist. Dieser hier, „Ce sentiment de l’été, wie er im Original heißt, ist solch einer. Merkmal: Völlig unspektakulär. Dafür auf eine Weise intim und bildhaft schön, dass er wie ein Fluss im Sonnengebilde still rauscht. Kitsch? Nein. Nur einfach-einfach. Wunderschön innen. Vom Leben erzählend. Am Leben-fühlend. Dabei im Titel ebenso täuschend wie stimmend.

Zur Einstimmung: „Ich wollte die bewegte und rätselhafte Realität darstellen, die uns durch die Finger rennt: Diese Fetzen der Wirklichkeit, mit denen wir – auf komische oder traurige Weise – jederzeit konfrontiert sind. Die Fragmente der Realität, diese Bruchstücke von Leben, erreichen uns, ohne dass wir ihren Sinn erfassen können. Von ihnen bleiben nur ein paar Erinnerungen, ein paar Spuren. Es geht also nicht um die Trauer, sondern um das Leben, das trotz seiner Widersprüchlichkeit und Komplexität selbst in den dunkelsten Momenten auch leichtende Momente hat“ (Co-Drehbuch-Autor und Regisseur Mikhael Hers im Presseheft).

Sasha und Lawrence (ANDERS DANIELSEN LIE; an den jungen Lambert Wilson erinnernd). Ein junges verliebtes Paar im urbanen Berlin. Als sie vom Nachhauseweg von ihrem Atelier im Künstlerhaus Bethanien im Park umfällt. Ein paar Tage später stirbt sie im Krankenhaus. Der Beginn des Verlustes. Der Trost-Suche. Die Mechanismen. Familie, Freunde, Bekannte kommen zusammen. Um das Unerklärliche „zu meistern“. Von wegen: die einher mitlaufende Bürokratie. Von wegen: Die Gefühle. Der seelische Knoten der Fassungslosigkeit. Der Film beobachtet, hält fest, registriert die Bewegungen und die mühsame Sprache der Beteiligten. Ihre schematische Mimik. Dazu „lacht“ Berlin. In diesen Sommertagen. Sprüht geradezu mit einnehmenden Sonnen-Motiven. Kaum Wolken.

Ein Jahr darauf. In Paris. Lawrence trifft die Sasha-Schwester Zoé (JUDITH CHEMLA). Sie hat sich mittlerweile von ihrem Mann zurückgezogen, lebt alleine mit ihrem Kind, arbeitet nachts an der Rezeption in einem Hotel. Man schlendert durch Paris, fühlt weiterhin die Trauer des Verlustes von Sasha, ohne dass dies thematisiert wird. Die Anwesenheit des Anderen beruhigt. Wieder vergnügen die überraschend schönen Stadt- und Straßen- und deren beeindruckende Blick-Motive.

Einen Sommer später in New York. Für den Schriftsteller und Übersetzer Lawrence das Zurück zu guten Freunden und Bekannten. Zoé besucht ihn. Sie hat sich endgültig von ihrem Ehemann getrennt. Will einen ehemaligen Kommilitonen in Tennessee besuchen. Macht bei Lawrence in Brooklyn Station. Gemeinsam besucht man Partys und Konzerte. Bummelt durch die lichtdurchflutete Stadt. Erlebt = nimmt ein New York mit völlig verblüffenden wie wunderschönen Motiven auf. Lawrence verabschiedet sich endgültig von seiner Schwermut und beginnt, sich gefühlsmäßig wieder zu öffnen.

Die Ton-Art der Montage berührt. Als wenn Zeit nur nebenbei stattfindet. Diese angenehme Unbekümmertheit. Gelassenheit. Ruhe. In der Beschreibung von spannenden Menschen. Die man begleitet. Denen zu begegnen gut tut. Drei Sommer lang. Man gerät in eine stille private/individuelle Faszination, die ich derart sog-haft das letzte Mal bei Eric Rohmer und seinen Werken empfunden habe. Die Empathie ist enorm.

Der zweite Spielfilm des 41jährigen Franzosen MIKHAEL HERS (nach „Memory Lane – Auf dem Pfad der Erinnerung“ von 2010, der hierzulande nicht lief) ist ein Liebhaber-Kino-Genuss (= 4 PÖNIs).

 

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