DIE PERFEKTE KANDIDATIN

PÖNIs: (4,5/5)

„DIE PERFEKTE KANDIDATIN“ von Haifaa Al-Mansour (Co-B; Co-Produzentin + R; Saudi-Arabien/D 2018; Co-B: Brad Niemann; K: Patrick Orth; M: Volker Bertelmann; 101 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.03.2020); als am 5. September 2013 der Film „Das Mädchen Wadjda“ in die Kinos gelangte, kam dies einer kinematografischen Sensation gleich – es war der erste komplett in Saudi-Arabien gedrehte Spielfilm. HAIFAA AL-MANSOUR, Jahrgang 1974, entpuppte sich als couragierte Filmemacherin, die sich nicht scheute, Tabu-Themen ihres Landes in einem süffisanten Spielfilm anzugehen (s. Kino-KRITIK). 2016 folgte ihr hintergründiges Gesellschaftsdrama „Mary Shelley“ (s. Kino-KRITIK). Bei ihrem 3. Kinospielfilm ist der Titel Programm:

Für Maryam (MILA AL ZAHRANI), Ärztin in einem saudi-arabischen Provinzkrankenhaus, ist vor allem ein Problem dringend, die malade Auffahrt vor dem Hospital. Sie wurmt es, dass der Weg zum Krankenhaus-Eingang aus Matsch besteht, so dass die Sanitätswagen oft im Schlamm steckenbleiben und auch Patienten erhebliche Mühe haben, zu Fuß in das Gebäude zu gelangen. Dadurch geht oftmals wertvolle Behandlungszeit verloren. Ihre diesbezüglichen Einwände und Eingaben von wegen dringender Asphaltierung werden von ihren – männlichen – Vorgesetzten abschlägig beschieden. Motto: Was Frauen sich so alles ausdenken. Aber auch in ihrem Beruf als Ärztin gilt es, erzkonservative männliche Vorurteile zu ertragen. Und entgegenzutreten. Irgendwann entschließt sie sich für eine Stellenbewerbung in Riad. Weil sie aber am Flughafen, auf dem Weg zu einer Konferenz, nicht die Genehmigung ihres Vormundes, in diesem Fall ihres Vaters, vorweisen kann, darf sie nicht fliegen. Ihr Wut-Fass ist voll. Doch dass sie sich danach als Kandidatin für die anstehende Wahl des Stadtrats aufstellen lässt, entspricht mehr Zufällen denn Absicht. Doch einmal „angetreten“, kommt die engagierte Ärztin nicht mehr heraus aus „der Fügung“. Zumal sie aus einer liberalen Familie stammt, die diese Idee der Kandidatur durchaus mit-unterstützt. Wobei der Witwer-Vater selbst gerade die „Modernität“ als Ensemble-Musiker zu genießen beginnt. Auf Tournee ist und dabei viel mit sich und den allgemeinen (islamischen) Anfeindungen zu tun bekommt. So dass seine Tochter zunächst ohne ihn „auskommen“ muss. Doch mehr und mehr „versteht“ Maryam ihr Engagement auf- und auszubauen. Erkennt die Spielregeln des Systems und beginnt entsprechend engagiert „mitzumischen“. Während ihre Schwestern für sie eine Social-Media-Kampagne entwerfen. Und sich „empörte“ Traditionalisten laut melden: Von wegen – irgendwann wird es zu viel mit dieser Selbständigkeit von Frauen. Die ja, bekanntermaßen, inzwischen auch sogar „selbst“ – und „alleine“ – Auto fahren dürfen. (Seit Juli 2018.)

Kein Hollywood-Film. Im Hurra-Stil. Nach der Maßgabe: Eine „arme“ Frau boxt sich durch. Ganz im Gegenteil. Die Aufregungen sind nicht in Aktionen, sondern in den Bewegungen, Blicken und Äußerungen zu entdecken. Zwischen den spannenden bildlichen Mitteilungen zu empfinden. Die Mit-Autorin und Regisseurin (und Co-Produzentin) Haifaa Al-Mansour erzählt diese Emanzipationsgeschichte aus einem Land, wo überwiegend Männer das bzw. die Geschehen diktieren. Und clevere „Frauen“ inzwischen mit List und Humor sich offensichtlich daranmachen, aufmachen, die System-Schwachstellen auszuloten, um sie für sich unauffällig-vorteilhaft in Beschlag zu nehmen. Anzuwenden.

„Die perfekte Kandidatin“ ist ein wunderbarer Film. Haifaa Al-Mansour versteht es erneut, mit viel Weitsicht und Feingefühl davon zu erzählen, wie an diesem Ort der Welt plötzlich ganz neue, beeindruckende gesellschaftliche wie individuelle Lebensplanungen entstehen. Ihr Film ist eine sympathische, mutige Hymne über die Unbezähmbarkeit weiblicher Souveränität. In einer für Frauen „schwierigen“ Region. Wo das Patriarchat mittenmal „bröckelt“. „Abgeben“ muss. Dabei ist es letztlich egal, ob Maryam „Stadtrat“ wird oder nicht. Durch sie und ihre Aktionen ist genügend in Bewegung gekommen, um die starren Krusten und Restriktionen aufzubrechen.

Und sei es auch durch dieses Ereignis von klugem, tollem Unterhaltungskino. Mit einer faszinierenden saudi-arabischen Power-Lady an der Rampe: MILA AL ZAHRANI. Und ihrem engagierten Motto: Es gibt noch viele Matschwege für Frauen zum Wegräumen; und sicherlich nicht nur in Saudi-Arabien (= 4 1/2 PÖNIs).

 

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