DER VERLORENE SOHN

„DER VERLORENE SOHN“ von Joel Edgerton (B + Co-Produktion, R + D; USA 2017; nach dem Buch „Boy Erased: A Memoir“ von Garrard Conley/2016; K: Eduard Grau; M: Danny Bensi, Saunder Jurriaans; 115 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.02.2019); der australische Schauspieler, Autor, Produzent und Regisseur JOEL EDGERTON, Jahrgang 1974, ist ein geschätzter, vielseitiger Künstler; wurde mit seinem Auftritt in „Loving“ (s. Kino-KRITIK) von der Presse 2016 gefeiert und hatte mit „The Gift“ 2015 ein vielversprechendes Regie-Debüt im Kino. Sein zweiter Film erzählt von einer moralischen Ungeheuerlichkeit im überhaupt nicht liberalen Glaubens-Amerika.

Wo sich in der Provinz „Glauben“ zu einer (Überlebens-)Bedingung fügt. Bist Du gläubig, also „normal“, bist Du einer von UNS. Bist Du es nicht, „weichst“ Du von der Norm ab, wirst zum Problemfall. Dessen „Problem“ einer dringenden „Lösung“ bedarf. Damit wieder Normalität herrscht. Bei beziehungsweise unter UNS. Anständigen. Recht-Schaffenden.

Tatsächlich: Wir erfahren, dass in einigen Provinz-Gegenden im Amiland tatsächlich immer noch die so genannte „Reparativ-Therapie“ angewandt wird. Ein selbsternannter Heiler, Victor Sykes (JOEL EDGERTON himself), verspricht großmäulig, Homosexualität „heilen“ zu können. Marshall Eamons (RUSSELL CROWE) ist Autoverkäufer und im zweiten Beruf radikaler Baptisten-Prediger. Ehefrau Nancy (NICOLE KIDMAN) liebt die Familie, in der sich der 19-jährige Sohn Jared eines Tages als homosexuell offenbart (LUCAS HEDGES/noch in bester Erinnerung mit seinem sagenhaften Auftritt kürzlich in „Ben is Back“; auch neben Nicole Kidman). Der Vater ist von der „Sünde des Sohnes“ entsetzt, besteht auf „Regulierung“. Durch das von dem Heilsbringer Sykes versprochene „Love in Action“-Therapie-Programm. Entscheidet sich für die „Umerziehung“ seines Sohnes im Heim von Sykes; die Einwände der Mutter ignorierend. Im Büßer-Zentrum aber ist der Junge nicht bereit wie so viele andere neben ihm, die sich der Gehirnwäsche mehr oder weniger freiwillig unterziehen, sich mit den rabiaten Methoden abzufinden. Beginnt zu rebellieren.

Religion ist eine humane „Sache“. Religion ist keine humane Sache. Wieso übt Religion – einst wie jetzt – immer noch so viel Macht, Ungeist und Gewalt aus? Wieso unterwerfen sich so viele freie Menschen einem Glauben, der sie in ungewollte oder schlimme oder abnorme menschliche Positionen, Schwächen und Abhängigkeiten bringt? Versetzt? Der sie in eine Art Gedankennotstand drängt? Wo Unterjochung herrscht? Ausbeutung? Bevormundung? Der Film stellt viele – diskrete – Fragen und geht dabei letzten Endes einen humanen Problem-Filmweg. Dennoch: Aufklärung im 21. Jahrhundert ist mehr denn je angesagt, lautet hier die beklemmende und immer noch schockierende Unterhaltungsvermittlung (= 3 1/2 PÖNIs).

 

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