DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT

PÖNIs: (4/5)

„DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT“ von Caroline Link (D 2017; B: Ruth Toma; nach dem gleichn. Buch von Hape Kerkeling/2014; K: Judith Kaufmann; M: Niki Reiser; 99 Minuten; deutscher Kino-Start: 25.12.2018); „Was um Himmels Willen, hat mich bloß ins gleißende Scheinwerferlicht getrieben, mitten unter die Showwölfe? Eigentlich bin ich doch mehr der gemütliche, tapsige Typ und überhaupt keine Rampensau. Warum wollte ich also bereits im zarten Kindesalter mit aller Macht ‚berühmt werden‘? Nun, vielleicht einfach deshalb, weil ich es meiner Oma als sechsjähriger Knirps genau so versprechen musste…“ (Vorwort von Hape Kerkeling, geboren am 9. Dezember 1964 in Recklinghausen, in seinem 311-seitigen gleichnamigen Buch).

Stichwort-Notizen des Kritikers im zarten Licht des Kugelschreibers nach den ersten Filmminuten der Pressevorführung: Viertelstunde vorbei – und kein bedrückendes Problemkeine stänkernden Probleme in Themen-Sicht; und auch der sonst so gerne im deutschen Komödien-Kino bemühte Gehirntumor = Fehlanzeige; stattdessen Menschen einer Ruhrpott-Sippe, die sich tatsächlich mögen; die sich anpflaumen; zärtlich-lustig miteinander/untereinander umgehen; und mittendrin ein kleiner niedlich-pummeliger Bengel, der es sichtlich genießt, von Eltern und Großeltern gemocht zu werden. In was für ein schönes deutsches Nichtgruselfilmkabinett bin ich hier geraten? Was für ein schönes, stimmiges, stimmungsvolles westdeutsches Sitten- und Stimmungsbild der 1970er Jahre.

Wenn man seinen Namen hört, muss man unweigerlich schmunzeln. Lächeln. Innerlich schwelgen: Hans-Peter Wilhelm, genannt HAPE, Kerkeling. Dieser vielseitige Komiker und Schauspieler, aber auch Liedgut-Stimmungsverbreiter („Gisela“), Autor und Moderator und mit weiteren 45, bestimmt als Berufsgruppen zugelassenen Beschäftigungstitel (wie: Synchronsprecher) ausgestattet, hat ja bedauerlicherweise 2015 seine öffentliche Karriere für beendet erklärt. Und seitdem zwei Bücher veröffentlicht, die beide verfilmt wurden. „Ich bin dann mal weg“ (s. Kino-KRITIK) kam am 24. Dezember 2015 in die Kinos und wurde von rund 2 Millionen Interessenten gesehen; jetzt folgt die Adaption seines 2014 veröffentlichten Buchs „DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT“. Erzählt wird darin von Hapes Kindheit inmitten seiner Ruhrpott-Familie. „Oscar“-Preisträgerin CAROLINE LINK – „Nirgendwo in Afrika“ (2003) – hat sich des Bestsellers angenommen und beeindruckend für die große Leinwand adaptiert.

Ruhrpott 1972. In Omma Ännes Krämerladen schaut der kleine Hape genau zu, wie sich die Kundschaft bewegt, „benimmt“. Was sie wie (aus-)spricht. Und „äfft“ DAS und DIE schon mal gerne nach. Zuhause. Im Kreis und in der Geborgenheit einer fröhlichen, feierwütigen Verwandtschaft. Wo oft viele „Späßgen“ auf der Tagesordnung stehen. Neugierig beobachtet der Junge sein „komisches“ Umfeld. Und „trainiert“ eifrig für sich in Sachen „Nachmachen“. Und: Hape möchte vor allem seine – nach einer fehl gelaufenen Operation stimmungsmäßig „wankelmütig“ gewordene Mutter Margret (großartig: LUISE HEYER) – „bei Laune“ halten. Sie ist sozusagen der Ansporn für Hans-Peter, sein offensichtliches komödiantisches Talent immer mehr zu entwickeln. Sein späteres Motto deutet sich jetzt schon an – das Leben = „ein großes Fest“, in dem bewusst Frohsinn und Lachen „für die Fülle“ sorgen sollen. Dabei leitet uns der junge Hape mit seinen sympathisch-altklugen Voiceover-Zusatzbemerkungen durch diese prächtig lichtdurchflutete familiäre Szenerie; Kamera: JUDITH KAUFMANN („Sein letztes Rennen“, mit Dieter Hallervorden). Auf die dann ein Schatten fällt, als die geliebte Mutter stirbt.

In der überzeugenden Kombination aus Unbeschwertheit und Melancholie erzählt Caroline Link von einem „besonderen“ Jungen, in dem schon früh das begnadete Talent eines ebensolchen Entertainers zum Vorschein kommt. Dabei kriegt ihr Licht-Spiel diese schrullige Herzenswärme, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Mittelstandsfamilie der deutschen 70er Jahre, prima hin: Wo jeder auf seine originelle (= originale) Art und Weise herzlich „spinnt“. Vor allem aber auch deshalb, weil in der Hauptrolle ein kleiner „frischer“ Bengel tatsächlich so spielt, mimt, auftritt, als wäre ER wirklich Hape-Junior. JULIUS WECKAUF heißt er und zeigt sich sagenhaft aufgeweckt. Laut wie leise. In einer phänomenalen Körpersprache. Julius Weckauf, geboren am 27. Dezember 2007 in 41363 Jüchen, verblüfft wundervoll. Dieser kleine kesse, charmante Rotzlöffel schmeißt hier tatsächlich diese ganze feine, ulkige, atmosphärische 95-minütige Film-Chose mit Schluss-Pointe à la Kerkeling.

„DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT“ zählt zu den besten deutschen Kinofilmen 2018 (= 4 PÖNIs).

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