Dass ein Film gleich 3 Titel besitzt, kommt auch nicht alle Tage vor. Bei dem DVD-Film dieser Woche ist das aber so. Der französische Originaltitel lautet „Les Insoumis“. Auf dem DVD-Vorspann des französischen Spielfilms erscheint der (wie später festzustellen ist durchaus passende) deutsche Titel „Unter Beschuss“. Angekündigt und verkauft aber wird Streifen hierzulande in der Videothek unter dem nichtssagenden wie lauen amerikanischen Dutzend-Titel „CROSSFIRE““ von Claude-Michel Rome (B+R; Fr 2008; 91 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 3.12.2010). „Les Insoumis“, also tatsächlich „Unter Beschuss“ oder auch „Kreuzfeuer“, wurde von dem bei uns unbekannten französischen Drehbuch-Autoren und Regisseur CLAUDE-MICHEL ROME geschaffen. Dabei ließ er sich offensichtlich vom Hollywood-Western-Klassiker „Rio Bravo“ von Howard Hawks (1959; mit John Wayne/Dean Martin) ebenso inspirieren wie vom John Carpenter-Off-Movie „Assault – Anschlag bei Nacht“ (1976) und dessen Remake „Das Ende – Assault on Precinct 13“ von 2005. Denn wie dort geht es um ein baufälliges, schrottreifes, ausgedientes, dreckiges Polizeirevier. Das hier ganz im Süden Frankreichs, in Saint Merrieux, wo Gas produziert wird, angesiedelt ist, und in drei Monaten verlassen und abgerissen werden soll. „Dementsprechend“ ist die Motivation der ruppigen Polizei-Beamten, hier, in der „Provence der Industrie“: Bloß durch und dann weg. Die schwangere Revier-Chefin verwaltet den Laden denn auch mehr als dass sie „für Recht und Ordnung“ sorgt. In dieser „hitzigen“ Region. Einem sozialen Brennpunkt, wo zwar viel Kriminalität bzw. kriminelle „Prekariats“-Energie herrscht, aber kaum Klärung/Aufklärung. „In den letzten Jahren wurden nur 20% der Fälle gelöst“, konstatiert der hierher versetzte Elite-Polizist Vincent Drieu (RICHARD BERRY) aus dem Norden und ist verblüfft. Weil dies weit unter dem sonstigen Landesdurchschnitt ist. Vincent ist ein müder, traumatisierter, verschlossener „Bulle“, der ein ganzes Schuldpaket mit sich seelen-´rumschleppt. Und seine großkalibrige Waffe erst einmal im Schließfach am Bahnhof deponiert. Bevor er sich in die Arbeit stürzt. Misstrauisch beäugt vom alteingesessenen Personal, also Kollegenkreis. Doch Vincent kann „sehen“. Zusammenhänge erkennen. Spuren deuten. Zusammenfügen. Vincent „riecht“ den kriminalistischen, verbrecherischen Groß-Braten, der hier im Entstehen ist. Scheinbar unzusammenhängende, unbedeutende Klein-Fälle mutieren zu einem Großereignis. Da sich immer mehr Kollegen/Innen seinem „Jogging-Training“ neugierig anschließen, ist er auch nicht mehr ganz allein, als es gegen „das Großverbrechen“ geht. Und immer mehr Leichen den Schnüffelweg buchstäblich pflastern…; und schließlich ein verkommenes Polizeirevier verteidigt werden muss. Die Franzosen können es. Können inzwischen wieder außerordentlich starke Spannungsfilme AUF AUGENHÖHE mit den Amis drehen. Nach den innovativen 60ern/70ern mit einem Jean-Pierre Melville, José Giovanni und Alain Corneau („Wahl der Waffen“) und ihren Star-Protagonisten wie Jean Gabin, Lino Ventura, Alain Delon, Yves Montand und Jean-Paul Belmondo sind sie vor einiger Zeit „aufgewacht“ und kriegen wieder phantastische Hardcore-Thriller bestens hin; siehe „36 – Tödliche Rivalen“ von Olivier Marchal (2004; mit Daniel Auteuil + Gérard Depardieu); „Le Petit Lieutenant – Eine fatale Entscheidung“ von Xavier Beauvois (2005; mit Nathalie Baye); siehe „MR 73“ von Olivier Marchal (2007; mit D. Auteuil); „Diamond 13“ von Gilles Béhat (2008; mit Gérard Depardieu + Olivier Marchal) oder zuletzt „L´Immortel – 22 Bullets“ von Richard Berry (2009; mit Jean Reno). Einige von denen erreichen unsere Kinos, viele nicht. „Crossfire“, bei dem dämlichen Titel schaudert’s mir immer noch, ist ein erstklassiger französischer Thriller-Western. Oder umgekehrt. In dem eine Mikro-Gesellschaft die Seele eines Polizeireviers manifestiert, die in einer rechtsfreien Zone („es ist ein bisschen wie das Ende der Welt“/Claude-Michel Rome im Bonusmaterial) als graue Festung vor sich hin stinkt. Korrupt. Demoralisiert. Kaputt. Desillusioniert Sich auflösend. Wobei die Stimmung draußen genauso trübe ist wie „drinnen“. Bis jener Vincent auftaucht. Wie ein Django in der Wüste. Und aufzuräumen hilft. Für neues Selbstbewusstsein sorgt. Und schließlich nicht wieder allein in die Prärie zurück reitet, sondern – in Begleitung einer kleinen Katze – mit dem Zug ins Nirgendwo-Irgendwo fährt. (Vielleicht wieder Paris? Um doch weiterzumachen? Auch im Kino?) Der am 31. Juli 1950 in Paris geborene Schauspieler, Regisseur und Sänger RICHARD BERRY mimt den „eiskalten Engel“ von heute. Tritt in die Fußspuren eines gefürchteten Alain Delon-Killer-Sheriffs. Unbeirrt, verletzlich, packend. Mit einer faszinierenden Körpersprache argumentierend. Als kompromissloser Haudegen der Extraklasse. Risikobereit, ehrlich, couragiert. Und natürlich gnadenlos. Auch sich selbst gegenüber. Ein hervorragender französischer Thriller. Mit einem auch sagenhaft starken, 41minütigen „MAKING OF“-Bonusmaterial. Das nicht die sonstigen platten Lobhudeleien der Beteiligten wiederkaut, sondern erzählerisch wie visuell eigene originelle, kreative Reiz-Wege entwickelt. Was gedanklich außerordentlich spannend wie insgesamt höchst unterhaltsam ´rüberkommt. Und eine Prima-Ergänzung zum Gesamtwerk bedeutet. Anbieter: „Koch Media“. |
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