CONTRA

PÖNIs: (4,5/5)

„CONTRA“ von Sönke Wortmann (D 2019; nach dem französischen Spielfilm „Die brillante Mademoiselle Neila“ von Yvan Attal/2018; B: Doron Wisotzky; K: Holly Fink; M: Martin Todsharow; 104 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.10.2021);

KLASSE-DEBATTE. Titel = „CONTRA“ von SÖNKE WORTMANN (D 2019; B: Doron Wisotzky; nach der französischen Dramödie „Le Brio“ von Yvan Attal (= „Brillanz“/hierzulande unter dem Titel „Die brillante Mademoiselle Neila“ am 14.6.2018 im Kino gestartet/s. Kino-KRITIK / 3 1/2 PÖNIs). 104 Minuten. Ich mag SÖNKE WORTMANN. Passend geboren – am 25. August 1959 – in Marl. Als Sohn eines Bergmanns. Nach dem Abitur wollte er zunächst Fußballprofi werden. Spielte, unter anderem, in der dritthöchsten Spielklasse bei Westfalia Herne und bei der Spielvereinigung Erkenschwick. Für Erkenschwick erzielte er 1980 den ersten Treffer beim 3:0-Sieg über den Bünder SV (= aus dem Kreis Herford) zum Aufstieg in die 2. Bundesliga. Für eine „namhafte“ Laufbahn fehlte Sönke Wortmann nach eigener Aussage der Ehrgeiz, weshalb er seine Karriere zu Gunsten eines Studiums beendete. SCHNITT. Hin zum späteren Filmemacher. Der anfangs mit Spielfilmen wie „Kleine Haie“ (1992) und vor allem natürlich mit „Der bewegte Mann“ (1994/fast 7 Millionen Zuschauer) „auffiel“. Mit dem exzellenten Fußballstreich „Das Wunder von Bern“ (2003) bleibt Sönke Wortmann spielerisch unvergessen. Zuletzt imponierte er mit „Frau Müller muss weg“ (2015 /s. Kino-KRITIK / 4 1/2 PÖNIs) und „Der Vorname“ (2018/s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Warum diese Einstiegsausführlichkeit?: „CONTRA“ ist ein deutscher Filmmeilenstein in diesem Kinojahr. Die Sätze „stimmen“, die Bewegungen erzeugen Neugier und Interesse, während der Pro-Kontra-Stil pikant anmacht. Man fühlt sich bestens, also intelligent-pfiffig, berührt. Eben – angemacht. Eben – mitgenommen.

ER ist ein ziemlich arroganter Stinkstiefel. Professor Richard Pohl (CHRISTOPH MARIA HERBST), ein zuversichtlicher Pessimist, präsentiert sich im übervollen Frankfurt/Main-Uni-Hörsaal stark aufplusternd. Dabei sollte doch die erste Vorlesung für die Jurastudentin Naima Hamid (NILAM FAROOQ) ein besonderer Tag sein. Schließlich will die Erstsemestlerin mit marokkanischen Wurzeln Anwältin werden und so auch ihrer Mutter und den jüngeren  Brüdern zu einer besseren Zukunft in Deutschland zu verhelfen, wo sie allesamt nur Bleiberecht genießen. Dass sie zu spät die Uni erreicht, hat mit der Unzuverlässigkeit ihres Bruders Junis zu tun. Was natürlich Professor Pohl nicht interessieren würde, auch wenn Naima ihm dies sagen würde. Sie ist bedient, denn der „sehr deutsche“ Prof lässt diese Störung SEINER Vorlesung  – „In meinem Kulturkreis bedeutet Pünktlichkeit noch etwas“ – nicht ungesühnt. Er stellt Naima bloß und spart auch nicht mit Vorwürfen gegen ihren Kulturkreis, sprich: von wegen SIE und überhaupt allgemein = Migrationshintergrund. Doch dies war eine fremdenfeindliche Bemerkung zu viel. Als das Video „dieses Vorkommnisses“ viral geht, gibt Universitätspräsident Alexander Lambrecht (ERNST STÖTZNER) dem alten Weggefährten eine letzte Verwarnung mit Chance. Wenn es dem rhetorisch begnadeten „Kameraden“ Pohl gelingt, Naima für einen bundesweiten Debattier-Wettbewerb einzustimmen = fitzumachen, wären seine Chancen vor dem Disziplinarausschuss DAMIT wesentlich besser.

Also „My Fair Lady“ 2021? Keineswegs. Vielmehr müssen sich – gedanklich, sprachlich, tatsächlich und vor allem empathisch – zwei höchst unterschiedliche menschliche Pole nähern. Was gelingt, weil CHRISTOPH MARIA HERBST und NILAM FARCOOQ zu temporaler Charakter-Hochform auflaufen. WIE sie pfeffrig argumentieren, ist erste, listige Unterhaltungssahne. Bedeutet zugleich – viel reizvolles Eintauchen in atmosphärische Seelen-Tiefen. Ohne dabei in peinlichen Gefühlskitsch abzurutschen. Ohne dabei brüllenden Schaum zu erzeugen. Kurzum: Debattieren verbindet souveränes Austeilen, scheinbar-empörendes Einfangen. Von zwei Multi-Kulti-Typen von verschiedenen intellektuellen Kulturplaneten. UND: Für „Contra“ hat die deutsche „Queen of Soul“ JOY DENALANE den Bill Withers-Klassiker „USE ME“ (von 1972) in einer fantastischen Nachspann-Version eingebracht.

Dies hier ist: Ein konsequent doppelbödiger Wohlfühlfilm nach der Nelson Mandela-Vorlage: „BILDUNG IST DIE MÄCHTIGSTE WAFFE, UM DIE WELT ZU VERÄNDERN  (= 4 1/2 PÖNIs).

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