ONLINE FÜR ANFÄNGER

PÖNIs: (2,5/5)

„ONLINE FÜR ANFÄNGER“ von Benoit Delépine und Gustave Kervern (B + R; Fr/Belgien 2019; K: Hugues Poulain; 110 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.10.2021);

DIGITALE-BISSIGKEIT. Titel = „ONLINE FÜR ANFÄNGER“. Von BENOIT DELÉPINE und GUSTAVE KERVERN (B + R ; Fr/Belgien 2019; 110 Minuten). Mit zwei Spielfilmen konnte das Autoren-Regie-Duo auch im deutschen Kino punkten: „Louise Hires a Contract Killer“ (2008/s. Kino-KRITIK /5 Pönis) und mit der Gerard Dépardieu-Delikatesse „Mammuth“ (2017/s. Kino-KRITIK /4 PÖNIs). Hier nun begleiten und attackieren die mit sehr viel bösartig-zweideutigem Humor ausgestatteten Anarcho-Filmemacher das aktuelle Gesellschaftsthema: Was, besser WIE, besser WER BIST DU eigentlich, wenn die Technik dich einwickelt. Dich auffrisst. Radiert. Wenn dieses NETZ mit seinen Versprechungen dich unbemerkt einlullt; dich einfängt; dich besitzt. Motto: Was können die Fallstricke des modernen Daseins erreichen.  Beziehungsweise: Wenn Schönfärberei die Realität, DEINE REALITÄT, ausknockt. So dass DU nur noch wie ein Niemand herumschleuderst. In physischer und psychischer Gefangenschaft verkommst.

Drei Nachbarn. In der Provinz. Ehemalige Gelbwesten. Solistin Marie (BLANCHE GARDIN) sucht (k)einen Job; hat noch nie gearbeitet, verkauft ihr Mobiliar im Internet, trinkt Whiskey-Cola und wird gerade erpresst, weil sie in einem Sex-Video auftaucht. Ihr Kind lebt beim Vater.  Bertrand dagegen (DENIS PODALYDÉS) ist immens verschuldet; hat zu viel „eingekauft“; hat sich zu viel Geld geliehen; ist Opfer von Cyber-Mobbing, während er sich in die Stimme  einer Callcenter-Agentin am anderen Ende der Welt so verliebt hat, dass er ihr kein noch so bescheuertes Angebot abzulehnen vermag. Und zu den Absurditäten der überdrehten Digitalität zählt auch Christine (CORINNE MASIERO), die TV-Serien-süchtig ist und die – trotz vieler Anstrengungen – sich, als schlecht gelaunte Uber-Fahrerin mit Kleinwagen, über die permanent schlechten Internet-Stern-Bewertungen aufregt. So dass erneute Arbeitslosigkeit droht. Alle Drei vereint – niemand ist auch nur annähernd stabil; alle sind aufgeregt, nervös, diffus. (Auf meinem Zettel steht an dieser Stelle: Wenn du diesen Film gesehen hast, fast du kein Handy mit der Dauerauskunft „bitte haben sie noch etwas Geduld“ bzw. kein Phone mehr an). „Online für Anfänger“ lief 2020 im Berlinale-Wettbewerb, bekam einen „Silbernen Bären“-Sonderpreis und präsentiert sich als Sarkasmus-Orgie, deren Bitterkeit zerhackt angeliefert wird, während die ulkigen Slapstick-Situationen mehr flachgefüllt darben denn horrend zündeln. Die Chance, hier mit wütendem Schnelldurchlauf zünftig für vor-treffliche = deftige Wirkung zu sorgen, wird zu oft vertan. Von wegen Gesellschaftskollaps: solche Misshandlungen im digitalen Alltags, zwischen Absurditäten und Stolperfallen, zwischen künstlicher Intelligenz und Fake-Bewertungen samt überteuerter Kosten, hätten keine Schwammigkeit, sondern härtere und schärfere Antworten verdient. Zumal der Schluss nur ein vages Versprechen ist denn überzeugende „Rache“ bietet. (= 2 1/2 PÖNIs).   P.S.: In Frankreich, so heißt es, sollen über 500.000 Zuschauer diesen Kinofilm im Vorjahr besucht haben.

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