Coming out

COMING OUT“ von Heiner Carow (D 1988; 113 Minuten; Start D: 10.11.1989)

Was es bedeuten kann, in einer intoleranten Gesellschaft anders zu sein als die anderen, macht gleich der Beginn des Films deutlich. In der Silvesternacht wird ein junger Patient in die Klinik eingeliefert. Er hat eine Überdosis Tabletten geschluckt. Schluchzend nennt Matthias den Grund für seinen Selbstmordversuch: “Ich bin schwul.“ Wenn am Ende des Films dessen Held Philipp sich offen und frei zu eben dieser Veranlagung bekennt, vor der Schulklasse, die er als Lehrer unterrichtet, der Direktorin und drei Volksbildungsfunktionaren, die ihn als Disziplinarfall betrachten, dann hat die Begegnung mit Matthias zu seiner Selbsterkenntnis und seinem neuen Selbstbewusstsein beigetragen. Der Weg dahin ist nicht leicht:
der Film zeigt es, und wie bei Carow gewohnt, mit zugespitzten Konflikten. Auf diesem Wege geht Phillipps Beziehung zu Tanja in die Brüche, einer Lehrerkollegin, die sogar ein Kind von ihm erwartet, und er verliert auch Matthias.

Wie Carows “Legende von Paul und Paula“ und “Bis daß der Tod euch scheidet“ ist auch “Coming out“ ein Film über die Liebe, was ja auch bedeutet über Schmerzen. Eine Liebesszene zwischen Phillipp und Matthias ist von schöner Zartheit. Martin Schlesingers Kamera sieht die beiden dann im Bett mit derselben Selbstverständlichkeit wie die grell-bunte Ausgelassenheit eines Schwulenballs, aber auch die Partnersuche im nächtlichen Park, alles übrigens an Ostberliner Original-Schauplätzen gedreht. Und auch das sieht man im Film: Gewalt im Alltag, die bisher in der DDR kein Thema sein durfte. In der S-Bahn wird ein Farbiger von Skinheads zusammengeschlagen, im Fußgängertunnel einer, den die Schläger als “Schwuli“ beschimpfen.

“Coming out“ ist nicht nur ein Film über Schwule. Heiner Carow plädiert damit nach einem Drehbuch von Wolfram Witt für Toleranz und gegen die Diskriminierung von Minderheiten aller Art. Dass es einer der besten und sensibelsten Filme dieses Regisseurs wurde, ist auch den Hauptdarstellern zu verdanken: Dagmar Manzel als Tanja, Dirk Kummer als Matthias und last but not least Matthias Freihof als junger Lehrer Philipp (= 4 ½ PÖNIs).

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