COLD IN JULY

PÖNIs: (4/5)

Das gibt es nicht mehr – dass sich das Kino noch für „so etwas“ interessiert. Früher hätten sich die Off- und späteren „Arthouse“-Lichtspielstätten darum gerissen, solch eine atmosphärische Perle von einem talentierten US-Independent-Filmemacher zu entdecken. Heute leisten das bei uns häufig (und immer mehr) „externe“ Veranstaltungen wie das inzwischen populäre „Fantasy“-Filmfestival und der Gleich-Start im Heim-Kino.

Er heißt JIM MICKLE, ist 34 Jahre alt und stammt aus Pottstown, Pennsylvania. Hat sich mit Filmen wie = „Mulberry Street“ (2006; 3 ½ Wochen Drehzeit; Budget: 60.000 Dollar); „Stake Land“ (2010; 26 Tage Drehzeit; Budget: 625.000 Dollar) sowie „We Are What We Are“ (lief 2013 beim „Sundance“- und auf dem Cannes-Festival in einer Nebenreihe) = als Genre-„Spezi“ in Sachen Horror erwiesen. Mit seinen Themen Vampir, Zombie, Kannibalismus. Sein neuester Streich, der im Vorjahr wiederum erst beim „Sundance“ und dann auch in Cannes vorgestellt wurde, begibt sich in die Sphären eines handfesten Südstaaten-Thrillers. Mit vorzüglichem Spannungsgeschmack:

„COLD IN JULY“ von Jim Mickle (Co-B + R; USA 2013; Co-B: Nick Damici; nach dem gleichnamigen Roman von Joe R. Lansdale/1989; K: Ryan Samul; M: Jeff Grace; Heimkino-Veröffentlichung: 05.03.2013).

Eine Kleinstadt in Ost-Texas im Jahr 1989. Im Haus der Familie Dane gibt es nachts bösen Rabatz. Der junge Bilderrahmenverkäufer und Familienvater Richard (MICHAEL C. HALL) erschießt einen Einbrecher. DER ein gewisser Freddy Russell war, ein offenbar bereits gesuchter Verbrecher, so dass die Polizei schnell diesen „Vorfall“ ad acta legt. Begründung. Eindeutig Notwehr. „Er war ein gesuchter Verbrecher, du bist ein aufrechter Bürger; manchmal gewinnt auch das Gute“, erklärt ihm der ermittelnde Beamte. Doch umgehend wieder in sein normales Leben zurückzukehren, ist für Richard unmöglich; ihn plagen Schuldgefühle. Und zunehmende Angst, weil plötzlich der Vater des Erschossenen, Ex-Sträfling Ben Russell (SAM SHEPARD), auftaucht und Richard und seiner Familie – Ehefrau, ein kleiner Junge – mit Vergeltung bedroht. Der verständlich hypernervöse Richard ist außer sich, aber wiederum vermag ihn die Polizei „zu beruhigen“. Alles unter Kontrolle, wir haben den Scheißkerl Ben gefangen nehmen können. Alles jetzt paletti. Endgültig.

Von wegen. „Hitchcock“-Nervenkitzel startet. Lässt angespannt grüßen. Richard entdeckt zufällig auf einem Fahndungsfoto auf dem Revier, dass er jemanden ganz anderen in seinem Heim erschossen hat. Keinesfalls aber „den“ Freddy Russell. Also: nochmal alles von vorn. Nun aber ohne die Mitwirkung der Polizei. Denn hier ist offensichtlich ein Haufen Mist passiert. Gewollt. Mit viel „amtlicher“ Berechnung. So dass sich Richard, Vater Ben und der neu hinzukommende Privatermittler Jim Bob Luke (DON JOHNSON/im roten „Miami Vice“-Cadillac, mit dem Kennzeichen RED BITCH und Fronthörnern auf dem Schild) zusammentun, um herauszubekommen, was hier eigentlich wirklich los war und ist und dabei auf üble, ganz schmutzige regionale Machenschaften stoßen. Schließlich stehen sich Vater und Sohn Russell gegenüber. Aber: auf der jeweiligen „anderen Seite“.

Ein Knaller. Mit heißem Schwarzhumor-Potenzial. Vor allem im etwas behäbigen Mittelteil, wenn Jim Mickle behutsam mit ironischen Anspielungen hantiert (etwa bei einer Autokino-Vorführung von „Die Nacht der lebenden Toten“, dem grandiosen „Zombie“-Kult-Movie von George A. Romero) und die alten Cowboys (Shepard/Johnson) sich in Positur stellen und sich in Show-Down-Positionen bringen lassen.

Am Ende schließlich schmutzt eine Atmosphäre à la „when Tarantino speaks blutig“ prima durch.

„Cold in July“ ist ein verblüffender, raffinierter und erstaunlicher B-Spaß. Mit viel durchtriebenem Thriller-Geschmack. Der aus TV-Serien bekannte MICHAEL C. HALL (der David Fisher in „Six Feet Under“ und der Dexter Morgan aus „Dexter“) ist so clever und überlässt – nach seinem nächtlichen Erst-Schuss am Beginn – den beiden Oldie-Outlaws SAM SHEPARD und DON JOHNSON die guten Sprüche und das überwiegende Präsentationsfeld. Bleibt lieber „in unruhiger Deckung“. Aufgebracht bemüht, einigermaßen heil hier herauszukommen.

„Cold in July“: eine gute Unterhaltungsshow. Das hiesige Heimkino punktet einmal mehr (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Universal“

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