Chico & Rita Kritik

CHICO & RITA“ von Fernando Trueba und Javier Mariscal (Spanien/GB 2010; 94 Minuten; Start D: 30.08.2012); WIE kraftvoll, WIE beeindruckend phantasievoll, WIE zeichnerisch detail-begeisternd das Animationskino inzwischen ist bzw. sein kann, offenbart sich an dieser faszinierenden filmischen Blütenpracht. Sie vermischt eine wirbelnde „lebenslange“ Liebesgeschichte mit exotischen Orten und – vor allem – mit der Epoche des Jazz. Nimmt ihren Anfang im kubanischen Havanna des Jahres 1948. Wo der junge Jazz-Pianist Chico in einem Nachtclub der hinreißenden Sängerin Rita begegnet.

Natürlich, erst die gewohnten emotionalen Balgereien, dann ist – eigentlich – sofort klar, hier haben sich Topf & Deckel gefunden. Über die Musik direkt ins Herz. Es könnte optimal sein, gäbe es da nicht die jahrgangsbedingte Unruhe. Von wegen Missverständnisse, Sturheit, unkontrollierte Hitze. Ihre Wege trennen sich. Und kreuzen sich immer wieder. Von Kuba aus heißen ihre verschiedenen Naht- wie Berührungsstellen nach Kuba die USA (New York, Los Angeles/Hollywood) und Europa. Und zurück. Havanna. Bühnen-Triumphe sind begleitet vom Rassismus jener Epoche, von politischer Ruhigstellung (als Fidel Castro diese Musik als „imperialistische“ verbietet), von diesen ewigen, belastenden Herz-Schmerzen um die einfach nicht zustandekommen wollende Partnerschaft. Doch Schwermütigkeit ist hier nicht „das Ding“, ganz im Gegenteil. Musik vermag vieles zu betäuben. Bevor sich Chico & Rita dann nach sechs Jahrzehnten doch noch („endgültig“) wieder begegnen. Grandiose Jazz-Klänge von / mit Größen wie Bebo Valdés, dem der Film gewidmet ist, Dizzy Gillespie, Cole Porter oder Charlie Parker bestimmen den packenden Rhythmus. Von Nat King Cole. Und Chano Pozo, der als erster Percussionist in einer Jazz-Band spielte. Für DIESE Musik und Songs wurden die Jazz-Klassiker von einst von heutigen Musikern (wie dem Bruder von Nat King Cole, Freddy oder von Jimmy Heath/Altsaxophon = Charlie Parker) „unter demselben Volldampf“ eingespielt. Mit dem vollen Klang-Fieber.

Für den „Wahnsinns“-Soundtrack des Films, der Titel von Thelonious Monk, Cole Porter, Dizzy Gillespie oder Freddy Cole enthält, ist BEBO VALDÉS verantwortlich. Im doppelten Sinne. Bebo Valdés, am 9. Oktober 1918 in Havanna geboren, war als Pianist, Komponist und Arrangeur einer der größten Musiker seiner Zeit.1960 emigrierte er nach Schweden und blieb viele Jahre „weg“. Erst drei Jahrzehnte später entdeckte ihn der spanische Regisseur, Drehbuch-Autor und Produzent Fernando Trueba in einem Stockholmer Restaurant am Klavier. Im Jahr 2000 feierte seine Musik in Truebas Film „Belle Epoque“, der mit dem Auslands-„Oscar“ ausgezeichnet wurde, endgültige Wiederauferstehung. Wiedergutmachung. Wie hier weiterhin. Im Team mit Regisseur FERNANDO TRUEBA, 55, und dem 60jährigen spanischen Designer und Illustrator JAVIER MARISCAL. Der für diese authentischen Stimmungsmotive von Städten, Straßen, Gassen, Clubs, für die detail-versessenen farbhistorischen Genauigkeiten wie Kleidung, Werbetafeln, Lichter, Autos atmosphärisch sorgte. Für diese dampfende Licht- und Jazz-Fotografie. Bei der man schnell vergisst, doch „nur“ einem Animationsfilm zuzuschauen.

Preise hat der Film verdientermaßen inzwischen abgeräumt wie den „Goya“ (den spanischen „Oscar“) als „Bester Animationsfilm“; den „Europäischen Filmpreis“ sowie den Preis für die „Beste Animation“ beim renommierten Trickfilmfestival Stuttgart. Zudem gab es eine „Oscar“-Nominierung in diesem Jahr. Für die BBC ist „Chico & Rita“ „einer der zehn besten Filme des Jahres“. Und der Kritiker der „New York Times“ schwärmte: „Sexy, süß, zauberhaft – eine unfassbar reiche Liebeserklärung an Kuba und seine Musik“. „Visuell hinreißend“ stand in der „Washington Post“.
In der Tat – SO fortschrittlich, spielerisch, phantasievoll überbordend, so „erwachsen“ war ANIMATION im Kino selten. Der coole Spaß ist enorm (= 4 PÖNIs).

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