Cake Kritik

CAKE“ von Daniel Barnz (USA 2014; B: Patrick Tobin; K: Rachel Morrison; M: Christophe Beck; 102 Minuten; Start D: 09.04.2015); bisweilen treten Stars aus ihren „üblichen Rollen“ heraus, um sich an „umgekehrten“ Figuren zu versuchen. JENNIFER ANISTON, am 11. Februar dieses Jahres 46 geworden, ist vornehmlich bekannt als taffe Sexy-Blonde in Hollywood-Komödien wie „Trennung mit Hindernissen“, „Der Kautions-Cop“; „Kill The Boss“ oder „Wir sind die Millers“. Ab und an jedoch geht sie bewusst von ihrem Standard-Part weg, um sich in völlig entgegengesetzten Charakter-Rollen neugierig auszuprobieren. Wie zum gelungenen Beispiel 2002 in „The Good Girl“, aber auch 2006 in „Freunde mit Geld“ und nun auch hier wieder.

Jennifer Aniston spielt eine geplagte Frau. Claire Bennett. Claire leidet an chronischen Schmerzen. „Frisst“ Pillen, Ist depressiv und durch einen Verkehrsunfall, bei dem ihr Sohn ums Leben kam, in der Seele und am Körper durch Narben verunstaltet. Kein Wunder, dass sie sich – höflich gesprochen – „grob“ gibt. Und gegenüber ihren Mitmenschen nur noch „so“ zeigt. Deshalb fliegt sie auch aus ihrer Selbsthilfegruppe, wo sie sich despektierlich und abfällig über den Selbstmord ihrer besten Freundin Nina (ANNA KENDRICK) geäußert hat. Der Selbsthass dieser Claire ist enorm. Dennoch halten einige im Umfeld weiterhin zu ihr. Wie ihre Haushälterin. Sowie ihr sich kümmernder Ex-Mann Jason (CHRIS MESSINA), die bis an die Umgangsgrenzen gehende gutmütige Leiterin der Selbsthilfegruppe Annette (FELICITY HUFFMAN) und Ninas Ehemann und jetzt Witwer Roy (SAM WORTHINGTON). Sie bemühen sich, trotz der vielen Ausraster von Claire, zu verstehen und zu begreifen, warum diese Wut-Frau ständig sie beziehungsweise ihre Umgebung dermaßen pöbelnd vor den Kopf stößt. Und brechen den Kontakt, was verständlich wäre, nicht rigoros ab, obwohl es dafür genügend Anlässe gäbe. Und gibt.

Weshalb ist diese Claire Bennett ein so verwundetes Dauer-Leidens-Wesen? Die ihre Nur-Bitterkeit als Lebens-Elixier besitzt? Permanent ausspuckt? Und offensichtlich gar nicht gesunden will? Sich als personifizierte „Schuld“ ausruft? Auch für den Zuseher ist es schwer, mit Claire Bennett halbwegs „auszukommen“. War eben noch Mitleid in der Gefühlsschiene, beginnt sogleich auch schon das pure Auf-die-Nerven-Gehen-Programm. Weil sie selbst diejenigen verbal „tritt“, die es noch gut mit ihr meinen. JENNIFER ANISTON „rettet“ die „nervöse“ Depri-Laune. Zeigt in der Vermittlung, im immens-packenden körpersprachlichen Ausdruck, einen extrem verstörten Spannungsmenschen. Und zwar dermaßen kraftvoll- düster-präsent, dass man an ihrer Traumata-Claire nicht „vorbeikommt“. Dicht dranzubleiben vermag. Trotz aller Boshaftigkeit(en). Und negativer Rest-Energie. Jennifer Aniston, ungeschminkt und im hässlich-passenden Schlabberlook, kriecht in diesen weiblichen Trauerkloß mit faszinierender Tiefe ein. Dabei mit dem vollen Bewusstsein einer klugen Claire-Frau, die gerade „deshalb“, weil sie ihren Zustand und ihr gepeinigtes Ich so „voll“ begreift, Seelen- und Verbal-Amok läuft. Intelligenz plus Verzweiflung stinken als Paar.

Für ihren Part wurde Jennifer Aniston für den „Golden Globe“ nominiert. Ihre Claire-Konsequenz, deren äußerliche wie innerliche Hässlichkeit und Verzweiflung darstellerisch voll auszureizen, ist enorm. „Cake“ ist ein Film, den ich eigentlich wegen seiner kräftigen Missmut-Stimmung eher distanziert sehe, der mich aber über diese eindringliche, nachhaltige Interpretation durch JENNIFER ANISTON dann doch „angeht“. Packt. Empört berührt (= 3 ½ PÖNIs).

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